Die Anerkennung Palästinas als Staat schafft keine neue Wirklichkeit
Die Anerkennung Palästinas als Staat schafft keine neue Wirklichkeit. Sie zeigt aber die Isolation, in die Netanjahus Kriegskurs Israel geführt hat
24.09.2025
Die Anerkennung der palästinensischen Staatlichkeit durch eine Reihe westlicher, nicht-muslimischer Staaten, allen voran Großbritannien und Frankreich, ist das weltpolitische Topthema dieser Woche. Doch US-Präsident Donald Trump war sie bei seinem einstündigen Auftritt vor der UN-Generalversammlung am Dienstag in New York nur ein paar Sätze wert: Die einseitige Anerkennung eines palästinensischen Staates sei eine Belohnung für die Hamas, referierte Trump die Position der israelischen Regierung. Er forderte die Freilassung der etwa 20 verbliebenen Geiseln und ein Ende des Gaza-Krieges.
Eine deutliche Zeichenhandlung hatte Trumps Regierung allerdings gesetzt, indem sie dem Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmud Abbas, ein US-Visum verweigerte und so dessen persönlichen Auftritt vor den Vereinten Nationen unmöglich machte. Abbas wird also in der Generaldebatte über Video zugeschaltet werden, während der Auftritt von Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu für Freitag auf der Agenda steht.
Netanjahu hat sich von der Zweistaaten-Lösung endgültig verabschiedet
Netanjahu hat bereits klargestellt, dass er sich vom Ziel einer Zweistaaten-Lösung endgültig verabschiedet hat: Nach dem Terrorüberfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 sei jede Anerkennung palästinensischer Staatlichkeit eine “enorme Belohnung” für den Terror. Und weiter: “Es wird keinen palästinensischen Staat westlich des Jordan-Flusses geben.” Israels Finanzminister Bezalel Smotrich und Polizeiminister Itamar Ben-Gvir fordern gar die Annexion des Westjordanlandes (als “Judäa und Samaria”), wo die Regierung Netanjahu den illegalen Ausbau israelischer Siedlungen massiv fördert. Mittlerweile leben in dem Gebiet, das eigentlich von der Palästinensischen Autonomiebehörde verwaltet werden sollte, mehr als 700.000 israelische Siedler neben drei Millionen Palästinensern.
Eine Zweistaaten-Lösung, wie sie die Vereinten Nationen 1947 wollten (was damals an den Arabern scheiterte) und auf die sich im Jahr 2003 die UNO, die USA, Russland, die EU, die Palästinensische Autonomiebehörde und – mit Vorbehalten – auch Israel verständigten, ist heute außer Reichweite. Die Regierung Netanjahu akzeptiert weder die Autonomiebehörde als Ansprechpartner noch das Ziel eines Palästinenserstaates.
Das ist einer der Gründe, weshalb westliche Staaten nun nicht länger warten wollten: Neben Australien, Kanada, Portugal, Luxemburg, Malta und Monaco haben in dieser Woche Großbritannien und Frankreich Palästina anerkannt. Auch jene Staaten also, die beim Zerfall des Osmanischen Reichs vor mehr als einem Jahrhundert als Mandatsmächte die Grenzen in Nahost zogen und die dortigen Verhältnisse regelten. “Es ist an der Zeit, dem palästinensischen Volk Gerechtigkeit widerfahren zu lassen”, begründete Frankreichs Präsident Emmanuel Macron diesen Schritt. Kanadas Premierminister Mark Carney warf der israelischen Regierung vor, sie arbeite “systematisch daran, die Gründung eines palästinensischen Staates zu verhindern”. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sieht das ähnlich: “Was wir in den letzten Monaten von der israelischen Regierung gesehen haben, ist ein klarer Versuch, die Zweistaatenlösung zu untergraben.” Diese sei aber die einzige Perspektive für einen langfristigen und nachhaltigen Frieden in der Region.
Ohnmächtiger Protest gegen die israelische Siedlungspolitik
Auch wenn nun 150 der 193 UN-Mitgliedstaaten, darunter vier der fünf Veto-Mächte im UN-Sicherheitsrat, einen palästinensischen Staat anerkannt haben: An den Realitäten auf dem Boden ändert das nichts. Weder der in Trümmern liegende Gazastreifen noch das zersiedelte Westjordanland bilden einen Nukleus für eine funktionierende palästinensische Staatlichkeit. Die Anerkennungswelle dieser Tage ist ein ohnmächtiger Protest gegen die israelische Siedlungspolitik im Westjordanland und gegen Netanjahus immer weiter ausufernden Gaza-Krieg. Symbolpolitik, ja gewiss, doch sie macht sichtbar, wie sehr die Regierung Netanjahu Israel international in die Isolation geführt hat.
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