Wider die Instrumentalisierung des Bundesverfassungsgerichts
Zuletzt entstand der Eindruck, eine politische Auseinandersetzung über die Menschenwürde sei mangels parlamentarischer Mehrheiten in eine Richterwahl ausgelagert worden
Quelle
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22.08.2025
Alexandra Linder
1975 erging ein Urteil zur Abtreibung seitens des Bundesverfassungsgerichts. Eine Fristenregelung sei verfassungswidrig, denn sie werde der Pflicht, Leben zu schützen, nicht gerecht. Wo Menschenleben existiere, komme ihm Menschenwürde zu, und zwar von Anfang an. Bei diesem Satz kommt die Aussage der ehemaligen SPD-Kandidatin für ein Richteramt am Bundesverfassungsgericht, Frauke Brosius-Gersdorf, in den Sinn: “Die Annahme, dass die Menschenwürde überall gelte, wo menschliches Leben existiert, ist ein biologistisch-naturalistischer Fehlschluss.” Und die alte römische Weisheit, dass man auf hoher See und vor Gericht in Gottes Hand sei. Für Nichtjuristen ist es schwer nachvollziehbar, grundlegende Begriffe unserer Verfassung derart unterschiedlich auszulegen: Menschenwürde, Unantastbarkeit, Recht auf Leben.
Auf der Internetseite des Bundesverfassungsgerichtes steht: “Das Gericht ist aber kein politisches Organ. (…) Fragen der politischen Zweckmäßigkeit dürfen für das Gericht keine Rolle spielen.” Insofern wäre eine wissenschaftliche Beschäftigung in Bezug auf verfassungsrechtliche Abwägungen bei Themen wie Abtreibung oder assistiertem Suizid sozusagen unschädlich, wenn die Kandidaten diese Vorgabe in ihrer geplanten Tätigkeit als Richter des Bundesverfassungsgerichtes glaubhaft vertreten können. Der Eindruck, der erweckt wurde, war ein anderer, sowohl vonseiten der Kandidatin als auch von politischer Seite: Wegen einer politischen Niederlage in einem Menschenwürde-Thema und anderer Mehrheitsverhältnisse im neuen Parlament wurde versucht, die Zielsetzung unter Umgehung der weiteren politischen Auseinandersetzung ins Bundesverfassungsgericht zu verlegen. Die Ablehnung des ursprünglich von der CDU/CSU-Fraktion nominierten Richters Robert Seegmüller durch Bündnis 90/Die Grünen verstärkt diesen Eindruck. Aus Sicht von außen liegt der Fehler vor allem in einer politischen Instrumentalisierung der Richterwahl. Bei künftigen Nominierungen sollte man darauf achten. Und bei künftigen Gesetzen darauf, sie inhaltlich wie strukturell so gut und verfassungsgemäß zu gestalten, dass das Bundesverfassungsgericht sich gar nicht damit beschäftigen muss.
Die Autorin ist Vorsitzende des Bundesverbandes Lebensrecht.
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