Papst Leos To-do-Liste: Liturgie und Segensfeiern
Heute ist Leo XIV. 100 Tage im Amt. Wegweisende Entscheidungen gab es nicht. Aber seine Konzentration auf das Wesentliche deutet an, was von diesem Papst zu erwarten ist
16.08.2025
Zwei Dinge wird Papst Leo nicht auf Dauer so stehen lassen können, wie er sie vorgefunden hat: Das ist zum einen – wobei hier viel Zeit und Geduld zu veranschlagen sind – die Frage der Liturgie. Und das ist zum anderen die Frage der Segnungen von Paarbeziehungen, die nicht als Ehe zu bezeichnen sind – sei es, weil es eine gleichgeschlechtliche Beziehung ist, sei es, weil einer der beiden oder beide durch eine bereits geschlossene, unauflösliche Ehe gebunden sind. Und fern am (afrikanischen) Horizont lauert auch das Problem, ob die Segnungen von Personen, die laut “Fiducia supplicans” vom Dezember 2023 in “irregulären Situationen” leben, nicht auch für polygame Beziehungen gelten könnten.
Baustelle Liturgie
Für die Frage der Liturgie hat Papst Leo eine weitere Studienkommission eingerichtet, die im Rahmen des synodalen Weltprozesses Lösungen unterbreiten soll. Mit “Traditionis custodes” hatte Papst Franziskus die Messe nach dem römischen Ritus in der außerordentlichen Form nicht einfach abgeschafft. Sie lebt in zahlreichen Gemeinschaften weiter, die den alten Ritus praktizieren, erfreut sich großer Beliebtheit und immer wieder treffen im Vatikan Anfragen aus der Weltkirche von neuen Gruppen ein, die um die Erlaubnis für die Feier der “alten Messe” bitten. Franziskus hat das Motu proprio “Summorum pontificum” von Benedikt XVI. zwar kassiert, aber keineswegs die Frage gelöst, die dahintersteht: dass man einen alten Ritus nicht einfach im Gefrierschrank der Liturgiegeschichte ablegen und nicht plötzlich “verboten” sein kann, was über Jahrhunderte gut und richtig war.
Die Frage der Segnungen ist drängender, seitdem die deutsche Diözese Rottenburg-Stuttgart Materialien unter dem Titel “Wir lieben uns – welch ein Segen!” für den Gebrauch freigegeben hat, die genau das ermöglichen sollen, was laut “Fiducia supplicans” nicht geht: Segnungen irregulärer Paare in einer liturgischen Feier, ohne zu berücksichtigen, dass laut der römischen Note nicht Paare, sondern nur einzelne Personen in einem flüchtigen Akt gesegnet werden dürfen, die in einer nicht ehelichen Beziehung leben. Zudem hat es schon einen Wildwuchs an solchen Segensfeiern gegeben. Die Verwirrung ist groß und viele Seelsorger wünschen sich Klarheit.
“In dem Einen sind wir eins”
Schaut man auf die ersten 100 Tage von Papst Leo, die mit dem heutigen Tag erreicht sind, dann lässt sich eines schon sagen: Papst Prevost ist nicht so gestrickt, dass er eigene Ideen, die ihn vielleicht als Missionar, Bischof, Ordensgeneral und Kardinalpräfekt umgetrieben haben, nun als Papst umsetzen will. Als Kirchenrechtler weiß Leo XIV., dass man die Lebensvollzüge der Kirche regeln muss, wenn die Einheit nicht verloren gehen soll. Und die Einheit der Kirche, und zwar in Jesus Christus, ist Leos vordringlichstes Ziel, das sagt schon sein Wappenspruch: “In illo uno unum” – “In dem Einen sind wir eins”.
Zudem ist Papst Leo ein bedachtsamer Mann, der viele Gespräche führt, mehr zuhört, als immer selber spricht, auf offene Fragen nicht mit Schnellschüssen reagiert und nicht an den Dikasterien und Einrichtungen der Römischen Kurie vorbei regiert. Noch hat der Papst keine wichtige Personalentscheidung getroffen oder eine programmatische Schrift veröffentlicht. Aber er hat gezeigt, dass er sich in sein Amt einfügen will – was auch bedeutet, dass er das kollegiale Element in der römischen Kirchenführung wieder stärken will. Im Fall der Paarsegnungen heißt das: Wenn sich das Dikasterium für die Glaubenslehre in der Umsetzung der entsprechenden Note zu den Segnungen falsch verstanden sieht, dann wird Papst Leo dafür sorgen, dass das Glaubensdikasterium für Klarheit sorgt (und das Dikasterium für die Bischöfe Maßnahmen ergreift, wenn einzelne Bischöfe im permanenten Ungehorsam verharren).
Lob der Vielfalt
Auch auf dem Feld der Liturgie wird es aller Voraussicht nach ein Bestreben von Papst Leo sein, für Einheit zu sorgen, was nicht Uniformität bedeuten muss. Das hat er in einer Ansprache an die Vertreter katholischer Ostkirchen am 14. Mai klar zum Ausdruck gebracht: “Wie sehr brauchen wir es doch, den Sinn für das Geheimnis wiederzugewinnen, der in euren Liturgien so lebendig ist, die den Menschen in seiner Ganzheit einbeziehen, die Schönheit der Erlösung besingen und Staunen über die göttliche Größe wecken, die die Kleinheit des Menschen umfängt! Und wie wichtig ist es, auch im christlichen Abendland den Sinn für den Vorrang Gottes, den Wert der Mystagogik, der unaufhörlichen Fürbitte, der Buße, des Fastens, der Tränen über die eigenen Sünden und die der ganzen Menschheit wiederzuentdecken, die so typisch für die östliche Spiritualität sind! Deshalb ist es von grundlegender Bedeutung, eure Traditionen zu bewahren, ohne sie zu verwässern.” Ein Papst, der so spricht, wirft einen alten Ritus nicht auf den Müllhaufen der Kirchengeschichte.
100 Tage im Amt haben einen Papst Leo gezeigt, der seine Person und seine Neigungen ganz den Erfordernissen seines Amts unterworfen hat. Aber das verlangt er von allen, die in der Kirche Verantwortung tragen. Es sei, sagte er am Tag nach seiner Wahl vor den Kardinälen, eine “unverzichtbare Anforderung für alle, die in der Kirche ein Leitungsamt ausüben: zu verschwinden, damit Christus bleibt, sich klein zu machen, damit er erkannt und verherrlicht wird, sich ganz und gar dafür einzusetzen, dass niemandem die Möglichkeit fehlt, ihn zu erkennen und zu lieben.” Das ist das Programm von Papst Leo, wie es in den ersten 100 Tagen sichtbar geworden ist. Er wird es zum roten Faden seines Pontifikats werden lassen, auch wenn die anstehenden Entscheidungen nicht immer leicht sein werden.
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