Krieg und Frieden im Heiligen Land

Unheil in Nahost – Im September findet das internationale Ringen um eine Zweistaatenlösung für das Heilige Land einen weiteren Höhepunkt. Doch an der Levante stehen die Zeichen auf Sturm

Quelle
Nahostkonflikt: Welche Chancen hat die Zwei-Staaten-Lösung noch? 
Was Du über den Nahostkonflikt wissen musst | Terra X
David Ben-Gurion – Wikipedia

28.08.2025

Stephan Baier

Wenn am 9. September die 80. Tagung der Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York eröffnet wird, werden der Nahostkonflikt und das Ringen um seine Lösung eine zentrale Rolle auf dieser Weltbühne spielen. Mindestens 140 der 193 UN-Mitgliedstaaten haben bereits jetzt eine palästinensische Staatlichkeit anerkannt; mit Frankreich, Großbritannien und Kanada haben drei westliche, nicht-muslimische Staaten angekündigt, diesen Schritt bei der UN-Generalversammlung setzen zu wollen. Zuvor hatte Frankreich zusammen mit Saudi-Arabien Ende Juli in New York eine gutbesuchte, aber von Israel und den USA boykottierte Konferenz geleitet, die immerhin zahlreiche arabische Staaten und die Arabische Liga dazu bewegte, eine völlige Entwaffnung und Entmachtung der Terrororganisation Hamas zu fordern, um einer Zweistaatenlösung den Weg zu bahnen.

So verfahren die Lage in der Region selbst scheint, auf internationaler Ebene ist etwas in Bewegung geraten. Wer über Israel und Visionen für einen Frieden im Heiligen Land nachdenkt, muss sich zunächst frei machen von vielem, was wir über das Israel der Bibel wissen. Der moderne Staat Israel steht in keiner Kontinuität zum Reich König Davids – nicht nur, weil Jahrhunderte römischer, byzantinischer, arabischer, osmanischer und britischer Herrschaft dazwischen liegen, sondern auch, weil dieser Staat ein säkulares Projekt ist.

Vorgeschichte beginnt im Ersten Weltkrieg

Seine Vorgeschichte beginnt im Ersten Weltkrieg mit dem Versuch der Briten, das Osmanische Reich zu schwächen. Während London ab 1915 einerseits die arabischen Stämme mit der Aussicht auf ein eigenes arabisches Königreich erfolgreich gegen den Sultan in Istanbul aufhetzte, schrieb der britische Außenminister Arthur James Balfour am 2. November 1917 an den Financier der jüdischen Auswanderer, Baron Edmond de Rothschild: “Die Regierung Seiner Majestät betrachtet die Errichtung einer nationalen Heimstätte für das jüdische Volk in Palästina mit Wohlwollen.”

Diese Art der doppelten Geheimdiplomatie fasste der Israel-Experte Wolfgang Sotill so zusammen, dass die Briten “Zugeständnisse an Dritte machten und diesen Gebiete zusicherten, über die sie selbst gar nicht verfügten”. Gleichwohl suchten der Präsident des Zionistischen Weltkongresses, Chaim Weizmann, und König Faisal von Groß-Syrien 1919 bei den Pariser Friedenskonferenzen einen Ausgleich: Sie einigten sich darauf, die Einwanderung von Juden nach Palästina zu fördern sowie Muslimen den Zugang nach Jerusalem und allen “freie Religionsausübung” zu garantieren. In “aufrichtiger Zusammenarbeit” wollten sie die Grenzen zwischen dem “hebräischen” und dem arabischen Staat ziehen. Daraus wurde nichts, denn statt Juden und Arabern zogen Briten und Franzosen die Grenzen im Orient: Bereits 1916 hatten sie geheim vereinbart, dass Paris die Levante nördlich einer Linie von Haifa bis Mossul bekommt, London das Gebiet südlich davon. 1920 übernahm Frankreich also das Mandat für das Gebiet von Syrien und Libanon, Großbritannien das Mandat für Palästina und Transjordanien. Zu dieser Zeit lebten 60.000 Juden in Palästina.

Kriege und Konflikte

Die Spannungen begannen unter der britischen Vormundschaft, als in den 1920er Jahren jüdische Einwanderungswellen aus Russland und ab 1933 aus Deutschland Palästina erreichten. Die Briten schlugen die arabischen Revolten nieder, bremsten aber auch die jüdische Zuwanderung. Den jüdischen Vorschlag, das Land aufzuteilen, lehnten die Araber damals ab. Und neuerlich, als die Vollversammlung der Vereinten Nationen am 29. November 1947 beschloss, Palästina in einen jüdischen und einen arabischen Staat zu teilen, wobei Jerusalem unter internationale Verwaltung kommen sollte. Am 14. Mai 1948 proklamierte David Ben Gurion in Tel Aviv den souveränen Staat Israel, in dem nun bereits 600.000 Juden lebten. Am Folgetag beendete Großbritannien seine Mandatsverwaltung.

Es gibt auch eine Verständigungsgeschichte

Die arabischen Nachbarn, die in der UNO gegen eine Zweistaatenlösung gestimmt hatten, erklärten Israel den Krieg, in dessen Folge mehr als 700.000 Palästinenser flohen oder vertrieben wurden. 1949 kam es zum Waffenstillstand Ägyptens, Jordaniens, des Libanon und Syriens mit Israel. In der Suez-Krise 1956 beteiligte sich Israel am Angriff Frankreichs und Großbritanniens auf Ägypten. 1967 kam Israel im “Sechs-Tage-Krieg” einem arabischen Angriff zuvor und besetzte den ägyptischen Sinai, die syrischen Golanhöhen, das damals jordanische Westjordanland, den Gazastreifen und Ost-Jerusalem. Gegen eine Forderung der UNO, seine Truppen aus den besetzten Gebieten zurückzuziehen, blieb Israel Besatzungsmacht und wandte in Ost-Jerusalem rasch israelisches Recht an. Völkerrechtswidrig erklärte die Knesset 1980 Jerusalem zur Hauptstadt Israels. Am 6. Oktober 1973 überfielen Ägypten und Syrien am Feiertag Jom Kippur Israel, doch bereits nach wenigen Tagen erzwangen die USA und die Sowjetunion einen Waffenstillstand.

Neben der Konflikt- gibt es auch eine Verständigungsgeschichte: Ägypten schloss 1979 einen Friedensvertrag mit Israel, was Kairo für zehn Jahre den Ausschluss aus der Arabischen Liga einbrachte und Präsident Anwar as-Sadat 1981 das Leben kostete. Auf die Erste Intifada, den Aufstand gegen die israelische Besatzung in den Palästinensergebieten, folgte ab 1988 ein Friedensprozess, der dazu führte, dass die PLO den Staat Israel anerkannte – wie Israel die PLO als Vertreterin der Palästinenser anerkannte. 1994 verzichtete Jordanien auf das Westjordanland, schloss einen Friedensvertrag mit Israel und anerkannte dessen Souveränität. Yitzhak Rabin, Shimon Peres und Jassir Arafat erhielten den Friedensnobelpreis. Israel zog sein Militär aus Gaza zurück. 1995 wurden das Westjordanland und der Gazastreifen in unterschiedliche Verwaltungszonen aufgeteilt.

Neben, nicht anstelle von Israel

2002, mitten in der Zweiten Intifada, bot die Arabische Liga eine Normalisierung der Beziehungen zu Israel an, im Gegenzug zum Rückzug Israels auf die Grenzen von 1967 und die Gründung eines palästinensischen Staates mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt. Im Jahr darauf legen USA, EU, Russland und die Vereinten Nationen einen Friedensplan vor, der die Errichtung eines Palästinenserstaates bis 2005 vorsah. 2020 unterzeichneten die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain und Marokko Vereinbarungen mit Israel, die dessen Souveränität anerkennen: die sogenannten “Abraham Accords”, die US-Präsident Donald Trump gerne ausgedehnt hätte.

Die Vision eines Palästinenserstaates neben, und nicht anstelle von Israel ist also nicht nur ein Wunschtraum der Vereinten Nationen, des Heiligen Stuhls, der Europäischen Union oder des Westens, sondern fand immer wieder Zustimmung in der Region. Wenn auch nicht bei allen Akteuren und zu allen Zeiten der israelisch-arabischen Konfliktgeschichte (siehe Seite 7). Nur die Palästinensische Autonomiebehörde – nicht aber die Hamas – könnte den Nukleus einer palästinensischen Staatlichkeit bilden, aber ihre Selbstverwaltung im Westjordanland wird durch die israelische Staatsgewalt und Siedleraggressionen äußerst eingeschränkt.

Weithin klar ist völkerrechtlich, dass das Westjordanland, Ost-Jerusalem und die Golanhöhen von Israel besetzte Gebiete sind. Die UN-Sonderberichterstatterin für Menschenrechte erklärte diese Besatzungen zuletzt 2022 für illegal und kritisierte systematische Verletzungen des internationalen Rechts. Auch die UN-Generalversammlung sprach mehrfach von “illegaler israelischer Besatzung” arabischer Gebiete. Komplexer ist der Status des Gazastreifens, aus dem Israel 2005 seine Truppen abzog und der ab 2006 nicht mehr unter der Kontrolle der Palästinensischen Autonomiebehörde, sondern der Terrororganisation Hamas war. Deren blutiger Überfall auf Israel am 7. Oktober 2023 war jedenfalls eine Zeitenwende, in der wir auch 23 Monate später noch stehen.

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