Wie wir dem Irrsinn entkommen

Ohne heilige Regeln wird Weltpolitik zum darwinistischen Überlebenskampf. Diese Schritte braucht es jetzt auf dem Weg zu globaler Gerechtigkeit

Quelle
Globalisierungsfalle: Topaktuelle Warnung von 1998

23.07.2025

Thomas Schwartz

Seit Donald Trump ins Weiße Haus zurückgekehrt ist, wird die liberale Weltordnung nicht einfach nur erschüttert – sie wird erneut zur Zielscheibe eines Mannes, der internationales Recht für Ballast hält und globale Partnerschaften wie Leasingverträge behandelt. Und Russland? Längst hat sich Moskau vom Regelwerk verabschiedet, das seit dem Zweiten Weltkrieg zumindest den Anschein von Ordnung wahren sollte. Wladimir Putin, der sich auf dem Scherbenhaufen des Multilateralismus eingerichtet hat, zeigt, wie gefährlich es wird, wenn Staaten frei nach John Rawls nur noch im Modus Vivendi handeln – also Regeln akzeptieren, solange sie den eigenen Interessen nutzen.

Was fehlt, ist ein verbindender moralischer Kompass. Die gegenwärtige internationale Ordnung ist ein Machtspiel, dessen Regeln formbar und ihre Einhaltung optional ist. Die USA und Russland haben kein Problem damit, das internationale Regelwerk zu missachten – solange sie wissen, dass der politische Preis überschaubar bleibt. Genau das ist das Problem: Es fehlt an heiligen Regeln – solchen, die selbst dann gelten, wenn ihre Verletzung kurzfristige Vorteile brächte. Ohne moralisch tief verankerte Standards wird Weltpolitik zum darwinistischen Überlebenskampf, zur Bühne nationalistischer Muskelspiele.

Drei radikale Schritte

Dass wir in dieser gefährlichen Lage sind, liegt nicht an fehlender Erkenntnis, sondern an fehlendem politischen Mut. Die Welt kann gerechter, stabiler und friedlicher sein. Technologisch sind wir längst in der Lage, globale Armut zu beseitigen und faire Spielregeln durchzusetzen. Aber geopolitische Eitelkeit, wirtschaftlicher Eigennutz und militärische Überheblichkeit verhindern, dass diese Vision Realität wird.

Daher braucht es jetzt drei radikale, aber realistische Schritte:

Erstens, ein globales Mindeststeuersystem für Konzerne und Milliardäre. Wer vom System profitiert, muss es auch tragen. Es geht um fiskalische Gerechtigkeit – und darum, Vertrauen in globale Regeln zu schaffen.
Zweitens, eine Neuvermessung globaler Institutionen. Deutschland und seine Partner müssen kraftvoll eine Reform zentraler internationaler Gremien (UN, WTO) initiieren. Ziel: mehr Transparenz und Effizienz, weniger Blockaden, schnellere Entscheidungen und eine realistische Abbildung heutiger Machtverhältnisse. Nur so lässt sich ihre Legitimität und Bindung für alle, auch USA und Russland, erneuern und Vertrauen wiederaufbauen.
Drittens, eine internationale Rohstoffdividende. Ressourcen gehören nicht den Stärksten, sondern allen Menschen. Ein kleiner Teil des globalen Ressourcenwerts sollte zur Armutsbekämpfung eingesetzt werden – weltweit und verbindlich. Nur wer selbst Regeln akzeptiert, kann andere dazu bringen, sie zu achten. Es wird Zeit, dass auch die Mächtigen dieser Welt daran erinnert werden. Sonst droht der Rückfall in die Barbarei.

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