Unser Sonntag: “Ut unum sint”

In dieser ersten Betrachtung von Weihbischof Peter Birkhofer geht es um die Einheit. Die Dreieinheit kann uns als Vorbild dienen, uns in Liebe, Wahrheit und im glaubenden Vertrauen auf Gottes Nähe zu begegnen, um so durch die Einheit dieser Liebe auch eine politische Einheit zu erreichen

Quelle
Unser Sonntag im Juni mit Weihbischof Peter Birkhofer – Vatican News
Weihbischof Dr. Peter Birkhofer – Missionszeugnis
Ut Unum Sint (25. Mai 1995) | Johannes Paul II.
Ein ökumenischer Meilenstein: 25 Jahre “Ut unum sint” – Vatican News
Kardinal Kurt Koch: So geht echte Ökumene
Ut unum sint
Papst-Brief an Kardinal Koch zu 25 Jahre “Ut unum sint” – Vatican News
Predigt: 7. Sonntag der Osterzeit C 2025 (Dr. Josef Spindelböck)Pfingstnovene

Weihbischof Peter Birkhofer

 Joh 17,20-26 Lesejahr C

Es ist ein bewegendes Gebet Jesu in der Stunde des Abschieds, in dem er die Einheit seiner Jünger mit der Verkündigung des Evangeliums zusammenbringt. Je zerspaltener diese Jünger sind, umso weniger werden sie ein glaubhaftes Zeugnis ablegen können.

Knapp 40 Jahre nach Veröffentlichung der großen Enzyklika zur Ökumene “Ut unum sint” – “damit sie eins sind” von Papst Johannes Paul II. am 25. Mai 1995 hören wir heute das Evangelium, auf dem die gesamte Enzyklika basiert und um dieses herum komponiert ist. Der Aufruf zur Einheit aller Christen, er ist mit diesem Johanneswort mehr als nur ein politisch wichtiger Wunsch der noch immer durch viele Trennungen verletzten Christenheit.

“Die Einheit ist, das wird zu Beginn schon klar, eine Sorge Jesu Christi, und zwar in doppeltem Sinn. Einerseits soll die Christenheit durch diese Einheit die göttliche Einheit und Perichorese von Gott Vater, Sohn und Heiligem Geist zu verwirklichen suchen.”

Die Einheit ist, das wird zu Beginn schon klar, eine Sorge Jesu Christi, und zwar in doppeltem Sinn. Einerseits soll die Christenheit durch diese Einheit die göttliche Einheit und Perichorese von Gott Vater, Sohn und Heiligem Geist zu verwirklichen suchen. Das heißt, in der imitatio Christi jene Bewegung der gegenseitigen liebevollen Selbstdurchdringung Gottes, die uns als Trinität in der Selbstoffenbarung Gottes gegenübertritt, im menschlichen Miteinander nachzuvollziehen. Daraus wird schon deutlich, dass keine differenzlose Identität der Menschen untereinander gemeint sein kann, weil der Vergleich mit der Trinität immer nur analogisch-anagogisch erfolgen kann, also im Sinn eines Sprachbilds. Die Dreieinheit Gottes ist von uns Menschen untereinander nicht zu erreichen. Aber sie kann uns als Vorbild dienen, uns in Liebe, Wahrheit und im glaubenden Vertrauen auf Gottes Nähe zu begegnen, um so durch die Einheit dieser Liebe auch eine politische Einheit zu erreichen.

Damit die Welt glaube

Jesus hebt im Evangelium das Ziel der Einheit deutlich hervor: „damit die Welt glaube.
Deshalb gilt auch: Je mehr die Einheit der Christen wächst, „umso mehr wird sie für die ganze Welt eine Verheißung der Einheit und des Friedens sein“ (GS 92).
In einem weiteren Sinn drückt dieser Satz aus „ich bitte nicht nur für diese hier“, also die Jünger, „sondern auch für alle, die durch ihr Wort an mich glauben . Alle sollen eins sein“. Im Jahr 2022 hat sich die Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Karlsruhe unter dem Leitwort „Christi Liebe bewegt, versöhnt und eint die Welt“ versammelt. Vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine und des Nahostkonflikts, aber auch angesichts der vielen Kriegen und kriegerischen Auseinandersetzungen in der Welt hat bei einem Podiumsgespräch der Metropolit von Pisidien in aller Deutlichkeit auf die paradoxe Situation hingewiesen – wir feiern, dass Christi Liebe die Welt versöhnt und erleben gleichzeitig, dass Christen die Waffen gegeneinander erheben und Christen aufeinander schießen.

„Die Einheit der ganzen zerrissenen Menschheit ist Gottes Wille. Aus diesem Grund hat er seinen Sohn gesandt, damit dieser durch seinen Tod und seine Auferstehung uns seinen Geist der Liebe schenke.“ (Ut unum sint, 6).“

Es ist Jesu flehentlicher Ruf „Ich will, dass sie eins sind“, damit die Welt sich eint. Dadurch erhält diese Bitte wiederum zwei Sinnspitzen: von Anfang an setzt sich Jesus dafür ein, mögliche Brüche der Einheit, und zwar der gesamten Menschheit, zu überwinden. Wie es dann auch in der Enzyklika „Ut unum sint“ heißt: „Die Einheit der ganzen zerrissenen Menschheit ist Gottes Wille. Aus diesem Grund hat er seinen Sohn gesandt, damit dieser durch seinen Tod und seine Auferstehung uns seinen Geist der Liebe schenke.“ (Ut unum sint, 6).
In diesem Sinn ist die Einheit der Christen der Beginn einer noch größeren Einheit aller Menschen in der Liebe Gottes.
Diese Einheit, nach der Jesus Christus sich sehnt, liegt nun aber nicht in der Hand der Jünger allein. Nicht ohne Grund bittet Jesus den Vater im Himmel um diese Einheit. Einheit ist deshalb nicht einfach die Frucht von langen Verhandlungen; sie ist auch nicht der kleinste gemeinsame Nenner, auf den man sich schließlich einigt.

Einheit ist zuerst Gabe und Geschenk

Einheit ist zuerst Gabe und Geschenk. Eine Gabe, die durch den Heiligen Geist bereits grundgelegt ist und zu immer tieferer Verwirklichung drängt. Auch wenn wir derzeit noch keine gemeinsame Vision davon haben, wie diese Einheit konkret aussehen könnte, sind wir dazu herausgefordert, uns diesem Wirken des Geistes Gottes anzuvertrauen. Deshalb hat sich die katholische Kirche mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil „unumkehrbar dazu verpflichtet, den Weg der Suche nach Ökumene einzuschlagen und damit auf den Geist des Herrn zu hören, der uns lehrt, aufmerksam die ‚Zeichen der Zeit‘ zu lesen (UUS3).
Klar ist jedoch, dass diese Einheit nicht durch Gewalt, sondern gerade erst in Liebe erfolgen kann. Es ist diese Scham über alle Gewaltepisoden der Kirchengeschichte, die auch Papst Johannes Paul II. in seinem großen „Mea culpa“ im Jahr 2000 ins Wort brachte: „Barmherziger Vater, am Abend vor seinem Leiden hat dein Sohn darum gebetet, dass die Gläubigen in ihm eins seien: Doch sie haben seinem Willen nicht entsprochen. Gegensätze und Spaltungen haben sie geschaffen. Sie haben einander verurteilt und bekämpft. Wir rufen inständig dein Erbarmen an und bitten dich um ein reumütiges Herz, damit alle Christen sich in dir und untereinander aussöhnen.“

Echte Umkehr

Spaltungen und Gegensätze können nur dann überwunden werden, wenn wir uns echter Umkehr stellen (Mk 1,15).
Wenn wir ehrlich in unser Leben hineinschauen, dann erkennen wir unsere Bedürftigkeit, Begrenztheit und Gebrochenheit und können dabei einsehen, dass uns nicht Leistung vor Gott qualifiziert.
Das heißt, dass man Abschied nehmen muss von den eigenen Vorstellungen, von Egoismus, Stolz und der Versuchung zur Herrschaft über andere bzw. alles im Griff haben zu wollen. Dann haben wir den Mut zuzugeben, dass wir mit leeren Händen vor Gott stehen. In dieser Einsicht sind wir dann innerlich bereit zur Weiterentwicklung, geleitet durch Gottes Willen und Gnade. Das bewahrt vor Allmachtsfantasien und dem Wahn, alles selber machen zu wollen und zu können.

„Nur wenn ich unabhängig bin von der Meinung anderer und ganz in Jesus verankert, werde ich bestärkt, anders zu leben und Dinge zu anders tun – im Geist Jesu“

Wer sich so von Gottes Willen leiten lässt, beginnt das Leben in einem größeren Kontext zu sehen und Tun und Handeln als sinnerfüllt erleben, was eine ungeahnte innere Kraft gibt. Nur wenn ich unabhängig bin von der Meinung anderer und ganz in Jesus verankert, werde ich bestärkt, anders zu leben und Dinge zu anders tun – im Geist Jesu. Es geht um den Weitblick im Glauben, um mein Vertrauen, um meine ganz persönliche Beziehung zu meinem liebenden Vater, der meinen Horizont weitet, mir neue Perspektive eröffnet – die Perspektive von Zukunft und Hoffnung.
Dadurch wird das Mysterium der Liebe auch zur Möglichkeit werden wir hieingeführt in die Einheit von Liebe, Glaube und Hoffnung. Denn die Spaltung soll und kann gerade nur durch die göttliche Liebe überwunden werden.

Ökumene als geistliches Geschehen

Ökumene ist damit in erster Linie ein zutiefst geistliches Geschehen. „Gottes Geist ist es, der durch das den Glauben weckende Wort Gottes und durch die Taufe bereits alle Christen in die Gemeinschaft des dreieinen Gottes einbezieht und dadurch untereinander zusammenschließt. … Die volle, sichtbare Gemeinschaft kann nach Meinung des Konzils nur auf einem geistlichen Weg der Umkehr und Erneuerung und durch einen Prozess wechselseitigen Lernens erreicht werden“
Der Glaube an diese Liebe ist „mehr als ein ethischer Entschluss oder eine große Idee, sondern die Begegnung mit einem Ereignis, mit einer Person, die unserem Leben einen neuen Horizont und damit seine entscheidende Richtung gibt“ wie Papst Benedikt in seiner Enzyklika „Deus caritas est“ schreibt. Das heißt, in dieser Liebe Gottes Einheit zu erkennen, die uns gerade dazu drängt, von dieser Liebe, dieser frohen Botschaft zu künden, wobei dies ausdrücklich unser Handeln am Nächsten einschließt: „Der Christ weiß, wann es Zeit ist, von Gott zu reden, und wann es recht ist, von ihm zu schweigen und nur einfach die Liebe reden zu lassen. Er weiß, daß Gott Liebe ist (vgl. 1 Joh 4, 8) und gerade dann gegenwärtig wird, wenn nichts als Liebe getan wird.“ (Deus caritas est, 31c).

„Augustinus: “Dilige, et quod vis fac“. „Liebe, und was du willst, tue“

Wir dürfen uns an das Wort des Kirchenlehrers Augustinus erinnern, wenn er anlehnend an Vergils Ekloge „omnia vincit amor sagt: „Dilige, et quod vis fac“. „Liebe, und was du willst, tue!“bzw. über-lass dich der göttlichen Liebe – und handle aus dieser Liebe heraus.
In einer Situation, in der christlicher Glaube längst nicht mehr selbstverständlich ist, kommt dem Umgang der Kirchen miteinander sowie ihrem gemeinsamen Auftreten eine besondere Bedeutung für ihre Glaubwürdigkeit zu …

Zeugen des Glücks

Wenn diese Einheit unter uns Christen für Jesus im Hohepriesterlichen Gebet vor allem auch deshalb ersehnt wird, „damit die Welt glaube“, dann hat Ökumene schließlich vor allem auch eine missionarische und eine diakonische Dimension.
Der heutige Sonntag lädt uns ein, das Evangelium mit offenem Geist und Herzen zu hören, damit es in unserem Leben Früchte trägt und wir Zeugen des Glücks – des Glücks Gottes werden, das nicht enttäuscht.
„Christi Liebe bewegt, versöhnt und eint die Welt“

(Radio Vatikan – Redaktion Claudia Kaminski)

 

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31. Mai 2025

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