Nahostkrieg – Warum Trump im Iran militärisch zögert

Intervenieren im Iran? Für Trump ein Dilemma, auch an der heimischen Front. Welche Konflikte im eigenen Lager die Frage offenbart – und was sie für die Zukunft der MAGA-Bewegung bedeuten

Quelle
Make America Great Again – Wikipedia
Nordamerika: Der zerbrochene amerikanische Traum: warum es eine progressive Vision gegenüber MAGA braucht | IPG Journal

20.06.2025

Maximilian Lutz

Marjorie Taylor Greene brachte die Stimmung in großen Teilen der “Make-America-Great-Again”-Bewegung (MAGA) jüngst auf den Punkt: “Wer danach lechzt, dass sich die USA voll und ganz am Krieg zwischen Israel und dem Iran beteiligen, ist nicht America First/MAGA”, postete die republikanische Kongressabgeordnete auf dem Kurzmitteilungsdienst “X”.

Israel, Amerika und die ganze Welt warten derzeit gespannt auf eine Entscheidung Donald Trumps, ob die USA Benjamin Netanjahus Angriffe auf die iranischen Atomanlagen womöglich entscheidend militärisch unterstützen und vielleicht sogar auf einen Regimewechsel hinarbeiten werden. Der US-Präsident will innerhalb der nächsten zwei Wochen eine Entscheidung treffen, gab seine Sprecherin Karoline Leavitt am Donnerstag bekannt.

Dem MAGA-Lager droht die Spaltung

Während sich Trump damit etwas Spielraum zur Abwägung weiterer Schritte geschaffen haben dürfte, streiten seine Unterstützer heftig über den richtigen Kurs in der Frage. Auf der einen Seite stehen die strikt anti-interventionistischen, hartgesottenen MAGA-Anhänger, auf der anderen die bedingungslosen Unterstützer des Staates Israel. Deren Ansichten sind derart konträr, dass sich das MAGA-Lager zu spalten droht. Neben Taylor Greene sprachen sich weitere prominente Vertreter der Szene deutlich gegen eine militärische Intervention im Iran aus, etwa Trumps ehemaliger Chefstratege Steve Bannon, der aufstrebende rechte Influencer Charlie Kirk oder der Ex-“Fox-News”-Moderator Tucker Carlson.

Carlson offenbarte die Spaltung der Trump-Anhänger vielleicht am deutlichsten: In seinem Interview-Podcast stritt er lautstark mit dem texanischen Senator Ted Cruz, der als Falke neokonservativer republikanischer Prägung gilt. Regelrecht peinlich wurde es dabei für Cruz, da Carlson mit bohrenden Fragen schonungslos offenbarte, dass der Senator offenbar nur wenig über das Land weiß, gegen das er in den Krieg ziehen will. Cruz hält aber an seiner pro-interventionistischen Haltung fest. Unterstützung erfährt er von seinem Senatskollegen Lindsey Graham, der auch in der Frage der Ukraine-Hilfe immer wieder Druck auf Trump ausübt.

Die neue Kriegsfront im Nahen Osten und die Frage der amerikanischen Beteiligung offenbaren gleich mehrere Konfliktlinien. Die offensichtlichste: Donald Trump wurde auch deshalb ein zweites Mal gewählt, da er versprochen hat, Amerika nicht in “endlose Kriege” zu führen und US-Soldaten in fernen Ländern der Erde für Anliegen zu opfern, die für die breite Mehrheit der Bürger kaum eine Rolle spielen. Insbesondere, wenn die Rede vom “Regimewechsel” aufkommt, haben viele die Bilder der gescheiterten Umsturzversuche vor Augen, die in langen, verlustreichen Auslandseinsätzen mündeten und das Versprechen einer Demokratisierung der Konfliktländer doch nicht einlösten. Unter anderem die Kriegseinsätze im Irak und in Afghanistan gelten als abschreckende Beispiele. Sollte Trump sich tatsächlich dazu entscheiden, im Iran militärisch einzugreifen, etwa mit bunkerbrechenden Bomben, über die nur die US-Streitkräfte verfügen, steht somit auch seine Glaubwürdigkeit vor der eigenen Wählerklientel auf dem Spiel.

Welche Grundüberzeugungen Trump prägen

Der Krieg gegen den Iran zeigt aber auch, dass Trump selbst von zwei Grundüberzeugungen geprägt ist, die wohl kaum miteinander in Einklang zu bringen sind. Einerseits vertritt er eben die isolationistische Maxime des “America First”, andererseits betonte er immer wieder, der Iran dürfe nie über Nuklearwaffen verfügen. US-Beobachter berichten, bevor Netanjahu die ersten Raketen auf den Iran abfeuern ließ, sei Trump lange noch überzeugt gewesen, eine diplomatische Lösung zu finden. Da die iranische Führung trotz der laufenden Gespräche mit Vertretern führender westlicher Nationen gegen Abmachungen verstieß, soll der 79-Jährige aber zunehmend an einem Erfolg der Diplomatie gezweifelt haben. Angesichts dieser Gemengelage muss sich der US-Präsident den Einwand gefallen lassen, ob es nicht besser gewesen wäre, an dem 2015 geschlossenen Atomabkommen mit dem Iran festzuhalten.

Zusätzlich erschwert wird Trumps Entscheidung von der Tatsache, dass die bedingungslose Unterstützung für den Staat Israel insbesondere unter seinen zahlreichen evangelikalen Anhängern oberste Priorität genießt. Schon immer gelten die Republikaner als die Partei mit der größten Nähe zu Israel. Mit dem Erstarken der MAGA-Bewegung hatte sich das nicht geändert, da Evangelikale darin von Anfang an eine wichtige Rolle einnahmen. Die Kriege gegen Hisbollah und Hamas ließen den Schulterschluss auch unerschüttert. Erst Israels Feldzug gegen den Iran ändert daran etwas.

Militärisch intervenieren oder nicht? Diese Frage könnte die bislang härteste seiner zweiten Amtszeit sein. Wie sich Trump entscheiden wird, ist momentan noch nicht abzusehen. Ob die innenpolitischen Bruchlinien wesentlichen Einfluss darauf haben, ist nicht ausgemacht. Denn allen Anhängern wird Trump es ohnehin nicht recht machen können. Und in der Vergangenheit haben sich am Ende doch noch immer alle um ihren Anführer versammelt.

Wie definiert sich MAGA langfristig?

Und dennoch: Neben den weltpolitischen Auswirkungen eines möglichen Einschreitens der Amerikaner könnte es am Ende um nicht weniger gehen als die Frage, wie sich die MAGA-Bewegung langfristig politisch definiert. Oder anders ausgedrückt, wer sie definiert. Wird es weiterhin einzig und allein Trump sein, der mit seinem Handeln, so widersprüchlich es manchmal auch erscheinen mag, den Kurs vorgibt? Oder gibt es doch tiefere, unantastbare Prinzipien, die selbst Trump nicht verraten sollte, etwa mit einer militärischen Intervention im Iran? Nicht auszuschließen, dass der heftige Widerspruch, den schon allein derartige Überlegungen erfahren, einen ersten Vorgeschmack darauf gibt, wie ein Trumpismus ohne Trump aussehen könnte. Eine Diskussion über die Frage, wer nach Trump der neue Fackelträger der MAGA-Bewegung wird, drängt sicj jedenfalls mit Israels Intervention im Iran mehr und mehr auf.

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