Kriegsgefahr im Orient
Die Eskalation zwischen Israel und dem Iran hat innen- wie weltpolitische Dimensionen. Letztlich aber will nicht nur Israel verhindern, dass die Mullahs an Atomwaffen kommen
13.06.2025
Von einem Frieden kann in Nahost seit sehr langer Zeit keine Rede sein, aber einem unkalkulierbaren Krieg ist die politische Erdbebenregion mit dem israelischen Militärschlag gegen den Iran einen riesigen Schritt nähergekommen. Der Iran ist kein fragiler Kleinstaat von der Dimension des Libanon, sein Mullah-Regime ist keine Terrorgruppe vom Ausmaß der Hamas: Die Frage, ob die martialische Erklärung Israels, “Wir sind im Krieg”, in eine unkontrollierte Entwicklung führt, die keine Regierung mehr steuern kann, hängt zur Stunde vor allem an den Ängsten der Mullahs.
Damit gerät die Innenpolitik beider Akteure in den Blick: Das Mullah-Regime in Teheran weiß, dass es längst keinen starken Rückhalt mehr in der eigenen Bevölkerung genießt. Wie vehement man tatsächlich militärisch – und nicht nur rhetorisch – auf die Schmach reagiert, hängt also auch davon ab, ob die Mullahs glauben, dass eine Eskalation ihre Macht im eigenen Land eher stabilisiert oder gefährdet. Aber auch Israels Vorgehen hat seine eigene innenpolitische Dimension: Ministerpräsident Benjamin Netanjahu weiß, dass er weder für die Aufarbeitung des 7. Oktober 2023 zur Rechenschaft gezogen noch gerichtlich in den laufenden Verfahren verurteilt wird, solange das Land im Krieg steht. Und zudem stabilisiert der Krieg (im Gazastreifen wie gegen Nachbarmächte) auch die heterogene israelische Koalition.
Aller Augen ruhen auf Donald Trump
Das kann allerdings nicht davon ablenken, dass es weltpolitisch überaus relevant ist, ob der Iran zur Atommacht wird oder nicht. Für kommenden Sonntag war im Sultanat Oman die nächste Verhandlungsrunde zwischen Teheran und Washington angesetzt. Die Versuche, Teheran auf dem Verhandlungsweg von seinem Weg zur Atommacht abzubringen, haben mit Israels Militärschlag nun eine neue Dimension erhalten. Klar ist: Weder Israel noch die Türkei noch Saudi-Arabien können zulassen, dass die schiitische Führungsmacht Iran an Atomwaffen kommt. Umgekehrt fühlen sich die Mullahs durch das Schicksal Gaddafis, Assads und nun auch der Ukraine, die 1995 freiwillig auf ihren Atommachtstatus verzichtete, darin bestätigt, dass nur der Besitz von Atomwaffen letztlich unverwundbar macht.
Die internationalen Appelle, jetzt eine Eskalation zu vermeiden, stoßen also auf eine macht- und innenpolitische, wie auf eine außen- und weltpolitische Gemengelage, die ausgesprochen explosiv ist. Vieler Augen richten sich nun auf Donald Trump – und dadurch wird die Unberechenbarkeit der Lage jedenfalls nicht geringer.
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