“Möge er die Spaltung innerhalb der Kirche überwinden”

Mit der Wahl von Kardinal Robert Prevost zum neuen Papst falle eine Last von ihr ab, schreibt die Publizistin Gabriele Kuby. Sie könne wieder aufschauen zu einem Vater, der Orientierung gebe und Wahrheit und Gerechtigkeit eine Stimme verleihe

Quelle
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Leo der Große – katholisch.de
Ignatius von Antiochia – Wikipedia

11.05.2025

Gabriele Kuby

Tatsächlich ergriff mich große Freude, als unser neuer Papst auf der Loggia des Petersdoms erschien: Leo XIV. Noch eine Stunde zuvor hieß er Kardinal Robert Francis Prevost. Nun ist er eine historische Gestalt, von der jeder Schritt, jede Geste, jede Entscheidung von der Welt beurteilt wird. Wenn er die Kirche behutsam zum unwandelbaren Fundament des Glaubens zurücksteuert – was seine ersten Worte auf der Loggia und seine erste Predigt zum Abschluss des Konklaves erwarten lassen –, wird er, wie Benedikt XVI. mit der “sprungbereiten Feindseligkeit” derer konfrontiert sein, die die Kirche protestantisieren wollen.

Ein Grund für banges Warten auf die Wahl der 133 Kardinäle war, dass Papst Franziskus 108 von ihnen ernannt hatte, viele von ihnen von den “fernen Inseln”. Danke, Papst Franziskus, dass Robert Francis Prevost einer von ihnen war!

Es schien, als sei er nicht überrascht von dem Amt

Es schien, als sei er nicht überrascht von dem Amt, in das er berufen wurde, obwohl sein Name nicht als papabile gehandelt worden war. Und es scheint, als sei das Amt nicht zu groß für ihn, der ein schlichtes, marianisches Ja gesprochen. Mit entspannter Selbstverständlichkeit steht er auf der Loggia des Petersdoms, angetan mit der roten Mozzetta und der breiten, goldbestickten roten Stola, die auch Johannes Paul II. und Benedikt XVI. getragen haben, als sie sich der Welt als neuer Papst präsentierten. Er wartet minutenlang, bis der Jubel sich legt und spricht dann die ersten Worte als Leo XIV.:

“Der Friede sei mit euch allen! Dies ist der erste Gruß des auferstandenen Christus, des Guten Hirten, der sein Leben für die Herde Gottes hingegeben hat. Auch ich wünsche mir, dass dieser Friedensgruß in eure Herzen eingeht, eure Familien erreicht, alle Menschen, wo immer sie auch sind, alle Völker, die ganze Erde. Der Friede sei mit euch!”

Diese ersten Sätze sind Samenkörner, die sich während seines Pontifikats entfalten werden: “Frieden”, “guter Hirte”, “das Leben hingeben”, “auch ich”, “Frieden im Herzen”, “Frieden in den Familien”, “Frieden für alle Völker der ganzen Erde”. Es nennt ihn einen “unbewaffneten und entwaffnenden Frieden, demütig und beharrlich”. Leo XIV. will der gute Hirte sein – für die ganze Welt. Er weiß, der Frieden beginnt im eigenen Herzen, in der Familie.

Die ganze Welt hat auf diese Wahl geschaut

Die ganze Welt hat auf diese Wahl geschaut, denn die ganze Welt braucht einen Vater, der Orientierung gibt, der in einer Welt der Lüge der Wahrheit und Gerechtigkeit eine Stimme gibt. “Das Böse wird nicht siegen. Lasst uns daher ohne Angst, Hand in Hand mit Gott und miteinander weitergehen! Wir sind Jünger Christi. Die Welt braucht sein Licht.”

Eine Last fällt von mir ab. Ich kann wieder aufschauen zu einem Vater an der Spitze der Kirche, dessen übermenschliche Aufgabe es ist, Stellvertreter Christi auf Erden zu sein als 267. Nachfolger des heiligen Petrus. Zu ihm sagt Jesus: “Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen, und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen.” (Mt 16,18)

Diese Wahl geschah an einem symbolträchtigen Tag: Kriegsende am 8. Mai 1945, Feiertag der Erscheinung des Erzengels Michael im Jahr 490 auf dem Monte Gargano, Verehrung Marias als Mittlerin aller Gnaden. Möge Leo XIV. die Spaltung innerhalb der Kirche überwinden; möge er Frieden vermitteln in den auflodernden Kriegen dieser Welt; möge der heilige Erzengel Michael ihm helfen, das Böse zu besiegen; möge Maria ihm die Gnade erbitten, stark und demütig standzuhalten, wenn die Wölfe gegen ihn und die Herde seiner Weide wüten.

Robert Prevost hat einen großen Namen gewählt

Nomen ist omen. Robert Prevost hat einen großen Namen gewählt: Leo, der Löwe. Höchste Verheißung liegt auf diesem Namen, wie wir in der Offenbarung des Johannes lesen. “Gesiegt hat der Löwe aus dem Stamm Juda, der Sproß aus der Wurzel Davids” (Off 5,5). Leo I. (440-461) ist einer von nur zwei Päpsten, dem die Kirche den Beinamen “der Große” verliehen hat. Er machte seinem Namen alle Ehre: Er zog dem Hunnen Attila ohne Waffen entgegen und überzeugte ihn mit geistlicher Autorität, von seinem Plan abzulassen, Rom zu erobern. Er bekämpfte Häresien wie den Pelagianismus, jene Lehre, die behauptet, der Mensch könne aus eigener Kraft ohne göttliche Gnade gut handeln und das Heil erlangen.

Wiegt sich die vom Glauben an Jesus Christus abgefallene Welt nicht in dieser Illusion – wider alle Evidenz? Leo I. kannte höchst wahrscheinlich die Schriften seines Zeitgenossen, des heiligen Augustinus, der aus eigener Erfahrung wusste, dass er sich nicht selbst aus dem Sumpf der sexuellen Begierde ziehen konnte. Leo XIV. bekannte sich auf der Loggia als “Sohn des heiligen Augustinus”. 1981 legte er die ewige Profess im Ordo Sancti Augustini, OSA, ab, dessen Generalprior er von 2001 bis 2013 war.

Auch sein direkter Namensvorgänger Leo XIII. hinterlässt ein inspirierendes Erbe für seinen Nachfolger. In einer Zeit, als sich der Kommunismus dem ausgebeuteten Proletariat als Heilsutopie anbot, verfasste er 1891 die erste große Sozialenzyklika “Rerum novarum”, in welcher er die Lage der Arbeiterschaft als ein “sklavenähnliches Joch” beschreibt und Eigentumsbildung in Arbeiterhand verlangt – auch das eine notwendige Botschaft in unserer Zeit, in dem uns vom Wirtschaftsforum in Davos für 2030 vorgegaukelt wird “You will own nothing and you will be happy”.

Die erste Predigt lässt auf eine Erneuerung der Kirche hoffen

Die erste Predigt zum Abschluss des Konklaves am 9. Mai 2025 schlägt die Töne an, die auf eine Erneuerung der Kirche hoffen lassen: “Jesus Christus, der Sohn des lebendigen Gottes, ist der einzige Erlöser, der allein das Antlitz des Vater offenbart.” Die Kirche soll wieder “als Arche des Heils” sichtbar werden und “zu einem Leuchtfeuer werden, das die dunklen Nächte dieser Welt erhellt”. Dafür ist Mission dringend nötig, denn “der Mangel an Glauben geht oft auf tragische Weise mit dem Verlust des Lebenssinns, der Vernachlässigung der Barmherzigkeit, entsetzlichen Verletzungen der Menschenwürde, der Krise der Familie und vielen anderen Wunden einher, die unsere Gesellschaft heimsuchen”.

Dass dies das Opfer des Lebens bedeuten kann, darauf weist er hin, indem er Ignatius von Antiochia (gest. 110), einen der ersten Märtyrer der verfolgten Kirche, zitiert. Auf dem Weg nach Rom, wissend, dass er dort im Kolosseum von den “Zähnen der wilden Tiere zu Gottes Weizen gemahlen werden würde”, schrieb er Briefe an die christlichen Urgemeinden. Er ermahnte sie zur Einheit, bezeugte die Einheit der menschlichen und göttlichen Natur Christi, der wirklich gelitten und wirklich auferstanden und in der Eucharistie, dem Heilmittel der Unsterblichkeit, real gegenwärtig sei.

Leo XIV. sieht dies als “Verpflichtung für alle in der Kirche, die ein Amt der Autorität ausüben. Es bedeutet, beiseite zu treten, damit Christus bleiben kann; sich klein zu machen, damit er erkannt und verherrlicht wird; sich bis zum Äußersten aufzuopfern, damit alle die Möglichkeit haben, ihn kennenzulernen und zu lieben.” Erbitten wir dafür mit ihm und für ihn die Fürsprache der Gottesmutter, der Mittlerin aller Gnaden.

Bald wird man wieder im Appartementi Pontifici, im dritten Stock des Apostolischen Palastes, abends ein Licht leuchten sehen und wissen, il Papa ist an der Arbeit, wenn man in der Via delle Fornaci noch ein Glas Wein trinkt.

Die Autorin ist Publizistin und Übersetzerin und macht sich für christlich-konservative Thesen zu gesellschaftspolitischen Themen wie Genderkritik, Familienpolitik und Sexualpädagogik stark

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