Leo XIV.: Im Zeichen Mariens und der Päpste seines Lebens
Neues Pontifikat – Rom erlebt Fieberschübe der Begeisterung. Doch Leo XIV. zeigt mit wohlgesetzten Worten und Gesten kluge Bedachtsamkeit
15.05.2025
Spätestens am Montag hatten die Touristen ihre Via della Conciliazione wieder. Jetzt, im Heiligen Jahr, ist sie zur verkehrsberuhigten Flaniermeile zwischen Engelsburg und Petersplatz geworden. Hin und wieder noch ein Grüppchen, das den von weißen Betonblöcken gesäumten Pilgerweg zur Heiligen Pforte geht. Aber die meisten Schlenderer wollen den Platz und die Straße sehen und fotografieren, auf denen in den vergangenen Tagen Erstaunliches geschah. Jenes Rom “oltretevere”, also jenseits des Tiber vom “centro storico” aus gesehen, erlebt ein Papst-Fieber in schnell getakteten Schüben. Vor einer Woche der Auflauf nach einem Blitz-Konklave, als überraschend schnell ein für sein Amt ziemlich junger Papst auf die Loggia des Petersdoms tritt.
Ein Aufschrei aus dem Mund von Zehntausenden, als der erste weiße Rauch aus dem Schornstein quillt. In Rom schwang man sich überall auf die “motorinos” und Electro-Scooter, um beim ersten Segen dabei zu sein – am Ende war die ganze Via della Conciliazione bis zum Tiber vollgestopft, vom Petersplatz ganz zu schweigen.
Am Sonntag dann wieder über Hunderttausend zum ersten “Regina coeli” mit dem neuen Papst, den man Italien nur noch “Papa Leone” nennt. Am kommenden Sonntag dann wieder eine Menschenmasse bei der Einführung von Papst Leo in sein Petrusamt, dem Staatsoberhäupter und Regierungschefs sowie alle Kardinäle jenen besonderen Glanz geben werden, der bereits über dem Requiem von Papst Franziskus lag, das gefühlt eine Ewigkeit her ist, aber erst vor knapp drei Wochen stattgefunden hat. Hier in Rom erlebt sich die Weltkirche derzeit geeint und in einer Hochstimmung wie schon lange, ja sehr lange nicht mehr. Und das Wetter spielt auch noch mit. War es bei der Wahl von Franziskus Mitte März noch empfindlich kalt, so dass die eitlen Moderatoren auf den Pressebühnen in ihren dünnen und eng anliegenden Sakkos im wahrsten Sinne des Wortes mit den Zähnen zu klappern begannen, sonnen sich jetzt alle unter einem strahlend blauen Himmel bei sommerlichen Temperaturen.
In bewusster Verbundenheit mit seinen Vorgängern
Leo XIV. hat sein Pontifikat im Zeichen der Gottesmutter begonnen. Am Gedenktag Unserer Lieben Frau vom Rosenkranz von Pompeji gewählt, betete er am Abend vor dem Segen “urbi et orbi” mit den Menschen auf dem Petersplatz ein “Ave Maria”. “Mit der Hilfe der liebevollen Fürsprache Marias, der Mutter der Kirche”, sagte er am Freitagfrüh bei der Messe mit den Kardinälen in der Sixtina, wolle er der unverzichtbaren Anforderung gerecht werden, die sich allen stelle, die in der Kirche ein Leitungsamt ausüben: “…zu verschwinden, damit Christus bleibt, sich klein zu machen, damit Er erkannt und verherrlicht werde”. Am Samstag dann suchte er die Marienbasilika Santa Maria Maggiore auf, um am Grab von Franziskus und vor der Ikone “Maria Salus Romani popoli” zu beten. Zuvor hatte er bei einem ersten “Ausflug” das vierzig Kilometer von Rom entfernte Heiligtum der “Mutter vom Guten Rat” in Genazzano aufgesucht, das “seinen” Augustinern anvertraut ist.
Papst Leo hat sein Pontifikat aber auch in bewusster Verbundenheit mit seinen Vorgängern begonnen. Bevor er am Samstag im schwarzen Kleinbus nach Genazzano aufbrach, hatte er mit dem Augustiner-Generalprior Alejandro Moral Antón am Petrusgrab eine Messe gefeiert und dann in den Grotten des Petersdoms vor den Grablegen von Benedikt XVI. bis zurück zu Pius XII. gebetet. Im Anschluss daran stellte er in seiner Ansprache an die Kardinäle in der Synoden-Aula sein Sechs-Punkte-Programm vor, wobei er ausdrücklich Worte von Franziskus aus dessen programmatischem Anfangsschreiben “Evangelii gaudium” verwandte: Es seien dies die Rückkehr zum Primat Christi in der Verkündigung, die missionarische Umkehr der gesamten christlichen Gemeinschaft, das Wachstum in der Kollegialität und Synodalität, die Aufmerksamkeit für den “sensus fidei” – vor allem in seinen eigentlichen und inklusiven Formen wie der Volksfrömmigkeit, die liebevolle Zuwendung zu den Letzten und Ausgestoßenen und der mutige und vertrauensvolle Dialog mit der heutigen Welt in ihren verschiedenen Komponenten und Realitäten – wozu für Leo auch die von der Entwicklung der Künstlichen Intelligenz verursachte soziale Revolution gehört.
Missionar und Amerikaner, Kirchenrechtler und spirituell verankerter Mönch
In der gleichen Ansprache zitierte er Benedikt XVI. aus “Spes salvi”: Die genannten sechs Punkte seien Grundsätze des Evangeliums, durch die sich der Enzyklika des deutschen Papstes zufolge das barmherzige Antlitz des Vaters offenbart habe und weiterhin in seinem menschgewordenen Sohn offenbare, der die letzte Hoffnung aller ist, die mit aufrichtigem Herzen nach Wahrheit, Gerechtigkeit, Frieden und Brüderlichkeit suchen würden. Und er fügte ein Zitat von Paul VI. an, mit dem dieser 1963 sein Pontifikat begonnen habe: “Möge eine große Flamme des Glaubens und der Liebe über die ganze Welt lodern, die alle Menschen guten Willens entzündet, die Wege der gegenseitigen Zusammenarbeit erhellt und auf die Menschheit immer und immer wieder die Fülle der göttlichen Gnade, die Kraft Gottes selbst herabzieht, ohne die nichts gültig, nichts heilig ist”. Und am Sonntagmittag beim “Regina Coeli” sollte sich Leo XIV. in einem besonderen Appell an die Jugend das berühmte Wort von Johannes Paul II. zu eigen machen: “Non abbiate paura – Habt keine Angst! Nehmt die Einladung der Kirche und Christi, des Herrn, an!”
Missionar und Amerikaner, Kirchenrechtler und spirituell verankerter Mönch im Orden des großen Kirchenlehrers Augustinus. Mann der Pastoral als Bischof in Peru und Mann mit Leitungserfahrung als Großprior des Augustiner-Ordens und als Präfekt der “Bischofsfabrik” des Vatikans. Die vielen Kardinäle, die sich in Italien und anderswo schon zu “ihrem” neuen Papst geäußert haben, zeigen sich überglücklich und auch zufrieden mit sich selbst. Ist den Papstwählern im Konklave doch gelungen, die “eierlegende Wollmilchsau”, den besten Kandidaten gekürt zu haben, den die Kirche bei den vielen Herausforderungen von heute braucht.
Ein spannendes Pontifikat nimmt seinen Lauf
Nachdem im ersten Wahlgang doch nicht so viele Stimmen für den favorisierten Kardinal Pietro Parolin zusammengekommen waren, müssen sich bei Urnengang zwei und drei die übrigen Stimmenpakete für die anderen Favoriten blitzschnell auf Kardinal Robert Prevost vereinigt haben, der mit seiner freundlichen, aber zurückhaltenden Bescheidenheit trotz seines zentralen Kurienamts bisher im Hintergrund gestanden hatte.
Als Leo XIV. am Wahlabend auf die Loggia trat, hatte er seine Ansprache in Teilen auf einen College-Block geschrieben. Das hätte er nicht in der kurzen Pause zwischen Annahme der Wahl, Einkleidung und Auszug aus dem Wahlbezirk im Apostolischen Palast bewerkstelligen können. Das muss er bereits in der Mittagspause, vor dem vierten Wahlgang, zumindest angefangen haben. Dass er den Friedensgruß Jesu Christi an den Anfang seiner ersten Ansprache setzte und dann beim “Regina coeli” am Sonntag dem “geliebten ukrainischen Volk” einen “wahren, gerechten und dauerhaften Frieden” wünschte, fand seine Fortsetzung schon am Montag, als er mit dem ersten ausländischen Staatschef telefonierte. Es war Wolodymyr Selenskyj. Ein spannendes Pontifikat nimmt seinen Lauf.
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