Hl. Josef der Arbeiter – ein Mann für alle Fälle
Was wissen wir über den heiligen Josef? Die Kirche hat ihn vor allem im zweiten Jahrtausend durch große Heilige entdeckt. Auch die Archäologie hilft
Quelle
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St.-Josephs-Oratorium – Wikipedia
Cuscoschule Lateinamerika-Institut (LAI)
Jahr des Hl. Josef
Ein Mann für alle Fälle
01.05.2025
Thomas Mertz
Der heilige Josef von Nazareth muss ein unauffälliger Mensch gewesen sein. Kein Wort von seinen Lippen schien der Überlieferung wert. Und doch verrät sein Verhalten mehr über ihn als viele Worte. Das Leben des Heiligen bestand darin, ein normaler Mensch zu sein. Der spanische Josefwissenschaftler Laurentino Herran bemerkt, dass Josef ein vorzüglicher Mensch gewesen sein müsse, denn man könne “nicht heilig werden, ohne ein trefflicher Mensch zu sein”. Thomas von Aquin weist darauf hin, dass “einige Heilige das Privileg haben, uns in bestimmten Nöten mit besonderer Wirksamkeit ihren Schutz zu gewähren, in anderen jedoch nicht.” Der heilige Josef habe “jedoch die Macht, uns in allen Fällen, in jeder Notlage und bei jedem Unterfangen beizustehen.”
Archäologen schätzen, dass Nazareth, der Ort, wo Josef aufwuchs und lebte, Mitte des ersten Jahrhunderts vor Christus bis zu 150 Einwohner zählte. Die einzelnen Familien hatten Berufe und Beschäftigungen, die die Väter ihren Söhnen und die Mütter ihren Töchtern weitergaben. Etwa um das Jahr 25 vor Christus bekam eine dieser Handwerker-Familien einen Sohn, den sie Josef nannte. Sextus Julius Africanus, der im zweiten Jahrhundert nach Christus im Heiligen Land lebte und Kontakte zur Familie Jesu unterhielt, berichtet, dass Josefs Mutter nach dem Tod ihres Mannes Eli kinderlos blieb, obwohl Elis Bruder Jakob sie, wie im Gesetz vorgeschrieben, zur Frau nahm. So galten beide Männer als Vater des Josef. Damit erklärt Africanus den scheinbaren Widerspruch in den Abstammungslinien des Heiligen, wie sie das Neue Testament übermittelt. Josef war auf beiden Wegen Nachkomme König Davids.
Gefährlich wurde Herodes, als Josef Vater wurde
Es muss eine beunruhigende Zeit für die Nachkommen König Davids gewesen sein. Schließlich lebte man in Zeiten des idumäischen Königs Herodes, der seit Beginn seiner Herrschaft im Jahr 47 vor Christus darunter litt, kein Israelit zu sein. Mit zunehmendem Alter bangte er um seine Herrschaft und tötete potenzielle Konkurrenten und Verschwörer. In anderer Hinsicht war Herodes ein Segen für sein Land. Nicht umsonst erwarb er sich den Beinamen “der Große”. In Rom aufgewachsen, kannte er Caesar und Augustus persönlich, seinen Aufstieg verdankte er seinem römischen Netzwerk. An Reichtum konnte er später mit Augustus mithalten. Herodes baute Städte an der Stelle von Dörfern. Seine gewaltigen öffentlichen Bauwerke waren Zeichen einer prosperierenden Wirtschaft. Selbst unter David und Salomon hatte das Volk keinen solch großen Wohlstand erlebt.
Gefährlich wurde der Paranoiker für Josef, als dieser Vater wurde. Die Rabbiner empfahlen Männern eine Ehe mit etwa 18 Jahren. Frauen wurden ermutigt, nach dem Einsetzen der Menstruation zu heiraten. Daraus lässt sich schließen, dass sich Josef um das Jahr 6 vor Christus mit der vielleicht vierzehnjährigen Maria verlobte, nur zwei Jahre vor dem Tod des Herodes. Wahrscheinlich kannten sich beide schon seit frühen Jahren, möglicherweise wussten sie seit langem, dass sie füreinander bestimmt waren.
Hinfällig oder stark und energiegeladen?
Dann aber wurde Maria schwanger. Josef war ihr seit Jahren ein treuer Freund. Sie enthielt ihm deswegen diese Neuigkeit nicht vor. Die Wechselbäder der Gefühle, die der einfache Handwerker daraufhin durchgemacht haben muss, lassen sich leicht nachvollziehen. Untreue konnte sich Josef bei Maria nicht vorstellen. Mehr trieben ihn die Heiligen Schriften um. Dort las er, dass eine Jungfrau schwanger werden sollte und ein Spross aus der Wurzel Isais hervorgehen werde (Jes 7,14; 11,10). So hielt er es für gewiss, dass sich die Geburt des Messias in ihr erfüllt habe. Er ist sich Gottes einzigartigen Eingreifens sicher und fühlt sich unwürdig, teil zu haben an dem Wunder. Er beschließt, sich still zurückzuziehen. Diese Erklärung von Josefs Verhalten vertreten die Heiligen Thomas von Aquin, Bernhard von Clairvaux und Josefmaria Escrivá. Doch ein Engel teilt Josef den Entscheid Gottes mit, er solle der Vater des Heilands auf Erden sein.
Der Darstellungsweise Josefs als alten, hinfälligen Menschen, um Mariens Jungfräulichkeit zu betonen, die sich ab dem zweiten Jahrhundert in dem populären Protoevangelium des Jakobus findet, stellt das Neue Testament den starken und energiegeladenen Mann entgegen. Wie sonst hätte er eine rund tausend Kilometer lange Reise von Judäa nach Ägypten unternehmen können, vermutlich noch zu Fuß oder auf einem Esel?
Arbeit: Ausdruck von Liebe
Jesus wurde geboren, als die körperliche und geistige Gesundheit des Herodes auf ihrem Tiefpunkt angelangt war. Überall fühlte der König sich bedroht. Eine Flucht der Davidenfamilie ließ sich nicht länger aufschieben. Zumal nicht, nachdem weise Männer Jesus als dem künftigen König des Heils gehuldigt und dabei von ihrem Besuch bei Herodes erzählt hatten. Später erhielt Josef die Nachricht vom Tod des Herodes und kehrte ins Land zurück, aus Furcht vor dessen Nachfolger jedoch nicht nach Judäa, sondern nach Nazareth in Galiläa.
Drei Jahrzehnte später erinnert man sich in der Region noch immer an den inzwischen verstorbenen Handwerker, an seine Arbeit, die körperliche Kraft und Beweglichkeit erfordert hatte. Und bis heute ist Josef, der Dinge erledigte, als “der Arbeiter” in die Geschichte eingegangen. Man darf davon ausgehen, dass Josef sein ganzes Berufsleben lang Anstellung fand und Aufträge erhielt. Herodes löste einen beispiellosen Bauboom aus. Viele Projekte – darunter der Jerusalemer Tempel – führten seine Erben fort, jedoch weder innovativ noch kunstbeflissen wie er.
Und wie sah Josefs Arbeitsalltag aus? Er arbeitete wahrscheinlich schon seit seiner Kindheit nicht allein. Gemeinsam und zu Fuß ging es zu einer Baustelle. Sepphoris, die neugebaute Prachtstadt des Herodes‘, lag acht Kilometer von Nazareth entfernt. Die Arbeit erforderte Muskeln und Verstand. Angebote waren abzuwägen, Konditionen auszuhandeln, Reisen zu planen und Zahlungen einzutreiben. In Nazareth hatten die Handwerker vielleicht einen gemeinsamen Arbeitsbereich, der von Mauern umgeben oder mit einem Baldachin überdacht war. Ein solcher Arbeitsbereich schützte sie vor den Elementen und ermöglichte ein Arbeiten bei jedem Wetter. Auf den Baustellen herrschte Lärm von Hämmern, Sägen und Stimmen. Viele von Josefs Kollegen waren wahrscheinlich grob und ungehobelt.
Am besten ist Arbeit ein Ausdruck der Liebe
Bibelgelehrte weisen darauf hin, dass das Gebot zur Arbeit in Genesis – damit er arbeite und hüte (2,15) – Adam ein ursprüngliches Priestertum verlieh. Die hebräischen Verben abodah und shamar erscheinen sonst in der Bibel nur zusammen, um die Opfertätigkeit der Priester Israels zu beschreiben. Adams Werk sollte seine Opfergabe an Gott sein. Es war sein priesterlicher Dienst. Der Boden, den er bestellte, war sein Altar, den er bewachen und vor Entweihung “behüten” sollte. Gott erwartet offensichtlich von jedem, dass er seine Arbeit so verrichtet, dass sie Ihm gefällt. Das tägliche Tun soll jeden heiligen. Exzellenz bringt Aufmerksamkeit, und Aufmerksamkeit bringt Kunden. Wer sich mitten in der Welt befindet, kann nicht viel Zeit im Tempel verbringen. Gott erwartet den Menschen durch seine Nächsten an seinem Arbeitsplatz. Er will, dass der Mensch dort auf Ihn hinarbeitet: Ihm Liebe erweist. Josef verstand es, seiner Arbeit einen übernatürlichen Sinn zu verleihen.
Arbeit muss die Liebe nicht unterbrechen. Am besten ist Arbeit ein Ausdruck der Liebe. Josef liebte seine Frau und seinen Sohn, selbst wenn seine Arbeit ihn von zu Hause wegführte, selbst wenn seine Arbeit höchste Konzentration erforderte und selbst wenn er in der sengenden Sommerhitze arbeitete.
“Ein Mann hat die Pflicht, seinem Sohn ein Handwerk beizubringen. (…) Wer seinem Sohn kein Handwerk beibringt, bringt ihm das Stehlen bei,” heißt eine jüdische Weisheit. Dem fügt Papst Franziskus hinzu:
“Der heilige Josef war ein Zimmermann, der ehrlich arbeitete, um den Lebensunterhalt seiner Familie zu sichern. Von ihm lernte Jesus, welch ein Wert, welch eine Würde und welch eine Freude es bedeutet, das Brot zu essen, das die Frucht eigener Arbeit ist.”
Erstmals arbeiten sah Jesus seinen Vater wohl in Ägypten. “Denn der Vater liebt den Sohn und zeigt ihm alles, was er tut (Joh 5,20)”, bemerkt der französische Philosoph Fabrice Hadjadj in seinem Buch “Être père avec saint Joseph”. “Dem Kind zu zeigen, wie es etwas tun soll (poïeïn), ist der authentischste Ausdruck der Liebe, die man zu ihm empfindet, denn dadurch wird das Kind nicht in einem narzisstischen Vis-à-vis oder einer frontalen Opposition auf sich selbst gelenkt, sondern es wendet sich der Welt zu.” Dies ermögliche es ihm, “sich für andere einzusetzen”.
“Der stille Ritter”
“Die Menschwerdung ist das Geheimnis”, so Laurentino Herran, “von dem man ausgehen muss, um die Verchristlichung der menschlichen Wirklichkeiten zu begreifen”. Nur als göttliche Berufung werden wir in der Arbeit den Sinn entdecken, den Christus ihr gab, den der heilige Josef ihr gab. Das innere Leben ist nichts anderes als der stete, persönliche Umgang mit Christus, durch den wir mit Ihm eins werden. Josef ist derjenige, der ständig in der Gesellschaft von Jesus Christus bleibt. Wenn die kleine Theresia vom Kinde Jesus über das Geheimnis der heiligen Familie nachdachte, erbaute sie am meisten “die Vorstellung ihres völlig gewöhnlichen Lebens. Die heilige Jungfrau und der heilige Josef wussten sicherlich, dass Jesus Gott war, doch viele Geheimnisse waren vor ihnen verborgen, und sie lebten wie wir im Glauben.”
Im zweiten Jahrtausend hat sich die Kirche dem Zimmermann aus Nazareth zunehmend zugewandt – erleuchtet durch Bernhard von Clairvaux, Thomas von Aquin, Bernhardin von Siena, Franz von Sales und Teresa von Avila. Mit der Entdeckung Amerikas erlebte die Josefverehrung ihre volle Blüte. Nirgendwo ist der Heilige so schön dargestellt wie in den Gemälden der Cuzco-Schule aus dem 17. und 18. Jahrhundert, meint die Kunsthistorikerin Elizabeth Lev in ihrem Buch “The Silent Knight” – einer Kunstgeschichte der Josefdarstellungen. Und nirgendwo wird er so monumental verehrt wie im Oratorium des heiligen Josef in Montreal, dem größten Josef-Heiligtum der Welt. Josef – ein Mann für alle Fälle.
Thomas Mertz, geboren 1959, ist Journalist und Buchautor. Zuletzt erschien von ihm im Paulinus-Verlag “Christoph Probst: Ein Student der ‘Weißen Rose'”.
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