“Betet, betet, betet” – Nuntius in Kyiv über den Appell des Papstes
Während Russland für den kommenden Montag eine neue Verhandlungsrunde mit der Ukraine vorschlägt, bleibt die Realität vor Ort unverändert brutal: Tägliche Angriffe auf Städte, zivile Opfer, zerstörte Infrastruktur – ein Ende des Krieges ist nicht in Sicht. Inmitten dieser Gewalt richtet Papst Leo XIV. einen eindringlichen Appell an die Weltgemeinschaft und insbesondere an die Gläubigen
Quelle
Erzbischof Visvaldas Kulbokas
Svitlana Dukhovych und Mario Galgano – Vatikanstadt
Der Apostolische Nuntius in Kyiv, Erzbischof Visvaldas Kulbokas, spricht im Interview mit Radio Vatikan über die Worte des Papstes, die humanitäre Bedeutung von Gefangenenaustausch – und über das, was die Kirche in Zeiten des Krieges noch tun kann.
“Keine Armee der Welt kann das aushalten”
“Die Worte des Heiligen Vaters zu den Angriffen auf ukrainische Städte und zivile Infrastrukturen sind sehr wichtig”, betont der Nuntius. “Vor allem aber möchte ich den letzten Punkt unterstreichen: den Aufruf zum Gebet.” Kulbokas schildert die dramatische Lage in Kyiv: “Auch in der Hauptstadt erleben wir in den letzten Tagen ununterbrochene Bombardierungen – jeden Tag, jede Nacht. Keine Armee der Welt könnte sich gegen derart intensive Angriffe verteidigen.”
Angesichts dieser Ohnmacht sei der päpstliche Appell von besonderem Gewicht. “Der Aufruf zum Gebet ist eine Einladung, nicht zu resignieren. Es ist Mai, der Monat des Rosenkranzgebets. Ich denke da sofort an die Worte der Jungfrau Maria in Fatima:
‘Betet, betet, betet. Durch das Gebet werdet ihr Zerstörung und Krieg überwinden und die Bekehrung der Herzen erlangen.'” Für Kulbokas ist klar: “Das ist praktisch die einzige Waffe, die wir als Kirche und als Menschheit haben.”
Hoffnung durch Menschlichkeit: Der Gefangenenaustausch
Mit vorsichtiger Hoffnung blickt der Nuntius auf das jüngste Ergebnis der Gespräche in Istanbul am 16. Mai: “Der bisher größte Gefangenenaustausch seit Kriegsbeginn hat stattgefunden – je 1.000 Menschen auf jeder Seite. Das ist ein großartiger humanitärer Erfolg.“ Besonders bewegt zeigt sich Kulbokas über die Rückkehr zahlreicher Zivilisten, die oftmals seit langer Zeit in Gefangenschaft waren: “Für viele Familien war es ein Tag großer Freude. Wir als Nuntiatur werden täglich von Angehörigen kontaktiert, die nach ihren verschwundenen oder inhaftierten Liebsten suchen – darunter viele Zivilisten.”
“Gerade bei zivilen Gefangenen und Kindern gibt es kaum Möglichkeiten für einen Austausch.”
Doch die humanitäre Arbeit ist mühsam und mit vielen Hürden verbunden. “Gerade bei zivilen Gefangenen und Kindern gibt es kaum Möglichkeiten für einen Austausch – was soll die Ukraine im Gegenzug anbieten? Bei Militärs ist ein Austausch noch halbwegs möglich, weil beide Seiten ‘etwas zu bieten’ haben. Bei Zivilisten ist das kaum der Fall”, erklärt Kulbokas. Umso erfreulicher sei es, dass diesmal auch Zivilisten freigekommen seien – “auch wenn auf russischer Seite nur wenige verblieben sind und die Anzahl bei weitem nicht mit den ukrainischen zivilen Gefangenen auf der anderen Seite vergleichbar ist.”
Zwischen diplomatischer Sackgasse und spiritueller Verantwortung
Trotz aller Bemühungen scheint ein echter Friedensprozess in weiter Ferne. “Es ist schwer, klar zu erkennen, in welche Richtung wir unsere Kräfte bündeln sollen. Wir befinden uns in einer Art Sackgasse”, sagt der Nuntius offen. Und doch sei genau das der Moment, in dem die Kirche ihre Stimme erheben müsse. “Gerade jetzt dürfen wir nicht aufgeben – nicht im Gebet und nicht im Handeln.”
vatican news, 29. Mai 2025
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