Papst-Katechese: “Ein liebevoller Blick, der verwandelt”

Papst Franziskus hat trotz seiner Genesungszeit auch an diesem Mittwoch seine Katechese zur (entfallenen) Generalaudienz übermitteln lassen. Im Rahmen seines Zyklus zum Heiligen Jahr 2025 reflektiert er diesmal über die berührende Begegnung Jesu mit dem reichen Mann – und spricht über den liebevollen Blick, der Leben verändern kann

Quelle
Charles und Camilla besuchen privat den Papst – Vatican News

Mario Galgano – Vatikanstadt

Papst Franziskus hat in seiner aktuellen Mittwochskatechese die Begegnung Jesu mit dem reichen Mann aus dem Markus-Evangelium (Mk 10,21) als zentrales Thema gewählt. Obwohl der Papst sich weiterhin in Santa Marta von den Folgen einer schweren Lungenentzündung erholt, setzt er seinen Katechese-Zyklus “Jesus Christus – unsere Hoffnung” schriftlich fort.

Im Mittelpunkt steht diesmal ein Mann, “der seit seiner Jugend die Gebote hält, aber den Sinn seines Lebens noch nicht gefunden hat”. Jesus erkennt, dass hinter der äußerlichen Frömmigkeit eine tiefere Sehnsucht liegt – der Wunsch, bedingungslos geliebt zu werden. Und so blickt er ihn an: mit Liebe. “Jesus liebt diesen Menschen, noch bevor er ihn einlädt, ihm zu folgen”, so der Papst. Dieser Blick, so Franziskus, zeige die unverdiente, freie Gnade Gottes – ganz anders als das Denken in Leistung und Verdienst.

Franziskus vergleicht das Leben des Mannes mit einem Schiff im Hafen: schön gebaut, aber unbeweglich, weil es seine Anker nicht gelöst hat. Auch der Reichtum sei in diesem Fall eine Last, kein Segen – denn er halte ihn davon ab, dem Ruf Jesu zu folgen. “Die Traurigkeit ist ein Zeichen dafür, dass er den Hafen nicht verlassen konnte”, so Franziskus.

Doch trotz der Ablehnung bleibt Hoffnung. Der Papst wünscht sich, dass jeder Mensch, “der traurig und unentschlossen ist, den liebevollen Blick des Herrn spürt, der uns zärtlich anschaut”. Nur in der Beziehung zu Christus – nicht in der Selbstgenügsamkeit – finde der Mensch seinen wahren Namen, seine Berufung, sein Glück.

Öffentliche Generalaudienzen im Vatikan finden derzeit nicht statt. Die Katechese wurde wie in den Vorwochen als Text übermittelt. Die nächste aktuelle Information zum Gesundheitszustand des Papstes wird für Freitag erwartet.

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Die Katechse im Wortlaut

Hier können Sie die gesamte Katechse im deutschen Wortlaut in einer Arbeitsübersetzung nachlesen:

Liebe Schwestern und Brüder,

heute beschäftigen wir uns mit einer weiteren Begegnung Jesu, von der die Evangelien berichten. Diesmal hat die Person, der er begegnet, keinen Namen. Der Evangelist Markus stellt ihn einfach als “einen Menschen” vor (10,17). Es handelt sich um einen Mann, der seit seiner Jugend die Gebote hält, aber den Sinn seines Lebens noch nicht gefunden hat. Er ist auf der Suche. Vielleicht ist er jemand, der sich noch nicht zu Ende entschieden hat, obwohl er ein engagierter Mensch zu sein scheint. Abgesehen von den Dingen, die wir tun, den Opfern, die wir bringen oder den Erfolgen, ist das, was wirklich zählt, um glücklich zu sein, das, was wir in unserem Herzen tragen. Wenn ein Schiff in See sticht und den Hafen verlässt, um aufs offene Meer hinauszufahren, kann es ein wunderbares Schiff mit einer außergewöhnlichen Mannschaft sein, aber wenn es nicht den Ballast und die Anker hebt, die es unten halten, wird es nie in Fahrt kommen. Dieser Mann baute sich ein wunderbares Schiff, aber es blieb im Hafen!

Als Jesus seinen Weg fortsetzt, läuft dieser Mann auf ihn zu, kniet vor ihm nieder und fragt: “Guter Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu ererben?” (V. 17). Man beachte die Verbform: “Was muss ich tun, um das ewige Leben zu ererben?” Da ihm das Halten des Gesetzes nicht das Glück und die Sicherheit des Heils gebracht hat, wendet er sich an den Lehrer Jesus. Es fällt auf, dass dieser Mann das Vokabular der Unentgeltlichkeit nicht kennt! Alles scheint zu kosten. Alles ist Pflicht. Das ewige Leben ist für ihn ein Erbe, etwas, das man von Rechts wegen erhält, wenn man seine Pflichten gewissenhaft erfüllt. Aber welchen Platz kann die Liebe in einem so gelebten Leben einnehmen, auch wenn es für das Gute ist?

Wie immer geht Jesus über die Äußerlichkeiten hinaus. Während dieser Mann Jesus seinen schönen Lebenslauf vorlegt, geht Jesus weiter und schaut nach innen. Das Verb, das Markus verwendet, ist sehr bedeutsam: “in ihn hineinschauen” (V. 21). Gerade weil Jesus in jeden von uns hineinschaut, liebt er uns so, wie wir wirklich sind. Was sieht er, wenn er in uns hineinschaut? Was sieht Jesus, wenn er in uns hineinschaut und uns liebt, trotz unserer Ablenkungen und Sünden? Er sieht unsere Gebrochenheit, aber auch unsere Sehnsucht, so geliebt zu werden, wie wir sind.

Die Liebe Jesu ist umsonst

Als er ihn ansah – so sagt es das Evangelium – “liebte er ihn” (V. 21). Jesus liebt diesen Menschen, noch bevor er ihn einlädt, ihm zu folgen. Er liebt ihn so, wie er ist. Die Liebe Jesu ist umsonst: genau das Gegenteil der Logik des Verdienstes, die diesen Mann bedrängt. Wir sind wirklich glücklich, wenn wir erkennen, dass wir auf diese Weise geliebt werden, umsonst, aus Gnade. Und das gilt auch für unsere Beziehungen untereinander: Solange wir versuchen, Liebe zu kaufen oder um Zuneigung zu betteln, werden uns diese Beziehungen niemals glücklich machen.

Der Vorschlag, den Jesus diesem Mann macht, besteht darin, seinen Lebensstil und seine Beziehung zu Gott zu ändern. Denn Jesus erkennt, dass es in ihm, wie in uns allen, einen Mangel gibt. Es ist die Sehnsucht in unserem Herzen, geliebt zu werden. Es gibt eine Wunde, die zu uns Menschen gehört, die Wunde, durch die die Liebe hindurchgehen kann.

Um diese Wunde zu schließen, müssen wir uns nicht Anerkennung, Zuneigung und Achtung “erkaufen”, sondern wir müssen alles, was uns belastet, “verkaufen”, um unser Herz freier zu machen. Es geht nicht darum, ständig für sich selbst zu nehmen, sondern den Armen zu geben, zur Verfügung zu stellen, zu teilen.

Nicht allein bleiben

Schließlich lädt Jesus den Mann ein, nicht allein zu bleiben. Er lädt ihn ein, ihm nachzufolgen, in Verbindung zu bleiben, eine Beziehung zu leben. Nur so ist es möglich, aus der Anonymität herauszutreten. Wir können unseren Namen nur in einer Beziehung hören, in der uns jemand ruft. Wenn wir allein bleiben, hören wir unseren Namen nie gerufen und bleiben “so”, anonym. Vielleicht sind wir heute, gerade weil wir in einer Kultur der Selbstgenügsamkeit und des Individualismus leben, noch unglücklicher, weil wir unseren Namen nicht mehr von jemandem hören, der uns unentgeltlich liebt.

Dieser Mann nimmt die Einladung Jesu nicht an und bleibt allein, weil ihn der Ballast seines Lebens im Hafen festhält. Die Traurigkeit ist ein Zeichen dafür, dass er den Hafen nicht verlassen konnte. Manchmal halten wir sie für einen Reichtum, dabei sind sie nur eine Last, die uns zurückhält. Die Hoffnung ist, dass dieser Mensch, wie jeder von uns, sich früher oder später ändert und den Sprung wagt.

Schwestern und Brüder, vertrauen wir alle, die traurig und unentschlossen sind, dem Herzen Jesu an, damit sie den liebevollen Blick des Herrn spüren, der uns bewegt, indem er uns zärtlich anschaut.

vatican news, 9. April 2025

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