Taiwan – China verändert den Status quo

Die fortgesetzten Aggressionen Pekings gegen das demokratische Taiwan schüren die Kriegsgefahr. Wie stehen die deutschen Parteien zur Taiwanfrage?

Quelle
Taiwan (Insel) – Wikipedia
Republik China (Taiwan) – Wikipedia

14.02.2025

Michael Leh

Taiwan wird von der Volksrepublik China ständig militärisch bedroht. Fast täglich durchfliegen chinesische Kampfflugzeuge die Luftraumüberwachungszone Taiwans. Immer wieder operieren Kriegsschiffe der chinesischen “Volksbefreiungsarmee” rund um die demokratisch regierte Insel. Dabei überqueren sie auch immer wieder die sogenannte Mittellinie in der Taiwanstraße.

Die Sinologin Angela Stanzel von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin schreibt in einer aktuellen Studie: “Die Mittellinie, die – unter Vermittlung der USA – auf ein stillschweigendes Agreement während des Kalten Krieges zwischen der Volksrepublik und Taiwan zurückgeht, war einst geschaffen worden, um den Status quo einzufrieren und ungewollte Eskalationen zu vermeiden. Zu der neuen Normalität gehört nicht mehr nur, dass China mit seinen Schiffen die Mittellinie überfährt, sondern dass Peking auch deren Existenz leugnet.” Tatsächlich sei die Übereinkunft über die Seegrenze nicht offiziell und rechtlich bindend. Dennoch stelle Chinas Verhalten eine einseitige und nicht im Einvernehmen mit der anderen Seite durchgeführte Veränderung des Status quo dar.

Taiwan immer mehr unter Druck

Noch im April 2023 hatte die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock erklärt, “dass der derzeitige Status quo von Taiwan nicht einseitig verändert werden darf, erst recht nicht militärisch”. Dabei hat eine solche einseitige Veränderung des Status quo in der Taiwanstraße bereits stattgefunden. Taiwan soll damit immer mehr unter Druck gesetzt, und seine Reaktionsfähigkeit getestet werden. China setzt dabei auch sehr große Schiffe seiner Küstenwache ein. Taiwans Küstenwache musste ihrerseits schon oft chinesische Fischerboote vertreiben, die in seine Gewässer eindrangen. China hat mit seiner Küstenwache bereits ein taiwanisches Touristenschiff inspiziert.

Befürchtet wird, dass China mit seinem ständigen Vordringen die Taiwanstraße, die ein internationales Gewässer darstellt, mehr und mehr in ein chinesisches “Binnenmeer” verwandeln will. Die Taiwaner sprechen von “Grauzonen-Aktivitäten”. Die Sinologin Stanzel erklärt, China wolle den Status Taiwans delegitimieren und auch die Taiwan-Politik Dritter beeinflussen. “Deutschland und Europa sollten daher nicht unterschätzen, wie wichtig die Positionierung von Drittstaaten in diesem Konflikt für Taipeh ist. Eine nicht-militärische Einverleibung Taiwans als Folge einer erfolgreichen, in der juristischen Grauzone operierenden Zermürbungsstrategie Chinas wäre schließlich auch nicht im europäischen Interesse”, schreibt Stanzel.

Ein Blick in die Wahlprogramme deutscher Parteien

Vor diesem Hintergrund ist ein Blick in die Wahlprogramme deutscher Parteien zur Bundestagswahl interessant. Was steht darin über Taiwan? Die Grünen schreiben: “Im Rahmen der Ein-China-Politik betrachten wir Taiwan als wichtigen demokratischen Wertepartner und wollen den Austausch intensivieren. Eine Änderung des Status quo in der Taiwan-Straße darf nicht gegen den Willen Taiwans erfolgen.” Im Programm der FDP heißt es im Abschnitt “Beziehung zu China anpassen – für weniger Abhängigkeiten und mehr Unterstützung Taiwans”: “Wir unterstützen die demokratische und rechtsstaatliche Entwicklung in Taiwan und befürworten Taiwans Einbindung in internationale Organisationen, soweit dies unterhalb der Schwelle einer staatlichen Anerkennung erfolgen kann. Wir wollen die bilaterale wirtschaftliche Kooperation ausweiten und setzen uns auf europäischer Ebene deshalb für ein freihandelsähnliches Abkommen mit Taiwan ein. Auf europäischer Ebene wollen wir ebenfalls, dass zeitnah Gespräche über ein Investitionsabkommen mit Taiwan aufgenommen werden.

Die SPD schreibt: “Wir bekennen uns weiterhin zur Ein-China-Politik und sind der Überzeugung, dass die Taiwan-Frage nur einvernehmlich in einem friedlichen Verfahren geklärt werden kann. Ob Menschenrechte, wettbewerbsverzerrende Industriepolitik oder Russlandpolitik: Wir bleiben mit Peking in einem robusten Dialog, in dem wir auch kontroverse Themen offen diskutieren.” Das Wahlprogramm der CDU/CSU hingegen erwähnt Taiwan mit keinem Wort.

Trump lehnt einseitige Änderungen am Status quo ab

US-Präsident Donald Trump und der japanische Ministerpräsident Shigeru Ishiba betonten bei ihrem ersten Treffen am 7. Februar in Washington die Bedeutung von Frieden und Stabilität in der Taiwanstraße. Sie lehnten in einer gemeinsamen Erklärung alle Versuche ab, den Status quo einseitig mit Gewalt oder Zwang zu verändern. Beide sprachen sich auch für eine sinnvolle Beteiligung Taiwans an internationalen Organisationen aus. In der gemeinsamen Erklärung heißt es: “Die beiden Staats- und Regierungschefs bekräftigten ihre entschiedene Ablehnung jeglicher Versuche der Volksrepublik China, den Status quo im Ostchinesischen Meer mit Gewalt oder Zwang zu verändern.” Sie unterstreichen zudem ihre “entschiedene Ablehnung der unrechtmäßigen maritimen Ansprüche der Volksrepublik China, der Militarisierung der von ihr beanspruchten Gebiete und der bedrohlichen und provokativen Aktivitäten im Südchinesischen Meer”.

Trump hatte Taiwan schon zuvor zur Erhöhung seiner Verteidigungsausgaben aufgefordert. Dessen Regierung ist dazu bereit. Allerdings hat die Opposition, die im Parlament über eine knappe Mehrheit verfügt, gerade eine Erhöhung des Verteidigungsetats reduziert. Das wird das Verhältnis zu Washington nicht einfacher machen.

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