Den kleinen Samariter im Herzen
Die Soziale Marktwirtschaft zwischen Nächstenliebe und Gewinnstreben: Peter Schallenberg schreibt, warum der Kapitalismus einen funktionierenden Samariter braucht
Quelle
Soziale Marktwirtschaft – Neuste Meldungen | Die Tagespost
23.02.2025
Unmittelbar vor der Bundestagswahl, an der sich sehr vieles für die nähere Zukunft unseres Landes entscheidet, kann man intensiv an den Titel unserer Kolumne denken: “Der kapitalistische Samariter”. Das soll eine zugegebenermaßen etwas zugespitzte und provokante Kennzeichnung unserer Sozialen Marktwirtschaft sein.
In manchen Demonstrationen der letzten Wochen “gegen Rechts” – auch und gerade in Demonstrationen gegen die CDU und Friedrich Merz – war zu hören oder auf Plakaten zu lesen: “Weg mit der Marktwirtschaft!” Daher also zwei einfache Fragen: Welchen Kapitalismus will unsere Soziale Marktwirtschaft? Und: Welche Samariter sind die Stützen unserer Wirtschaftsordnung?
Nicht einfach auf private Tugenden und Almosen vertrauen
Beim zweiten begonnen, weil gut biblisch und zutiefst christlich: Der Samariter ist in der berühmten Erzählung Jesu der Mensch, der jenseits seiner Familie und Sippe, jenseits seines eigenen Volkes schlicht und einfach hilft, weil er Mitleid hat mit seinesgleichen, mit dem Menschen.
Drei vom Evangelisten Lukas angeführten Personen sehen ja den halb toten Mann im Straßengraben: Priester und Levit gehen weiter, der eigentlich nicht mit den Juden verkehrende Samariter hilft. Und zwar effektiv: Er hilft mit Wein und Öl und seinem Esel, und (was oft vergessen wird) mit Hilfe des Wirtes und seiner Herberge, und schließlich mit zwei Denaren für die Pflege des Mannes durch den Wirt. Das alles setzt schon ein einigermaßen funktionierendes Gemeinwesen voraus, Geldwirtschaft und stabile Geldwährung, Kreditwürdigkeit des Samariters und Bereitschaft zu Risikokapital beim Wirt.
Die Steinzeit ist längst überwunden; es herrscht Handel und Wandel; es gibt eine stabile staatliche Ordnung. So erst wird Hilfe durch Kapital möglich. Freilich, was es auch gibt, sind Straßenräuber, Überfälle, Unsicherheit. Hier fällt der Staat aus und der Mann ist auf die Hilfe großherziger Menschen angewiesen. Besser wäre es, wenn gar nicht erst jemand halb tot im Straßengraben zu liegen kommt und der Räuberei ein Ende gemacht wird durch den Staat. Und zweitens, wenn der einzelne Samariter zur Institution der Solidarität und Gerechtigkeit gemacht wird. Denn das meint ja Kapitalismus: Nicht mehr nur einfach auf private Tugenden und Almosen zu vertrauen, sondern öffentliche Einrichtungen der Nächstenliebe zu fördern, die durch Steuern bezahlt werden.
Hochkomplexe Wirtschaft ist Marktplatz zur Erzielung von Gewinnen
Bis hin zur Pflegeversicherung. Stets freilich droht die Austrocknung privater Tugend durch öffentliche Institutionen der Solidarität; das bleibt die Verschattung des hoch entwickelten sozialen Kapitalismus; deswegen braucht es auch und gerade in der Marktwirtschaft im Herzen eines jeden Menschen den kleinen Samariter. Unsere Soziale Marktwirtschaft appelliert an Nächstenliebe und Gewinnsucht, an Barmherzigkeit und Profitgier, ja so deutlich muss man es sagen. Denn eine arbeitsteilige hochkomplexe Wirtschaft ist ein Marktplatz zur Erzielung von Gewinnen. Und zugleich das Versprechen, dass mit Hilfe des Gewinnstrebens Arbeitsplätze entstehen und in gerechter Abschöpfung eines Teils der Gewinne Sozialversicherungen möglich sind. Besonders für jene, die nicht (mehr) zu großer materieller Leistung in der Lage sind.
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