“Wir wollen nicht einfach nur andere Männer sein!”

Ehe und Familie – Was definiert heute die Frau als Frau? Und was brauchen und wünschen sich Frauen von Gesellschaft und Politik? Ist Mutterschaft noch ein erstrebenswertes Ziel? Frauen erzählen von ihren Sorgen und Wünschen

Quelle
Ist NER überhaupt alltagstauglich? | Die Tagespost
NER statt Pille?

06.01.2025

Dorothea Schmidt

Im vorigen Jahrhundert haben sich Frauen dafür eingesetzt, wählen, lernen und arbeiten zu dürfen, was wunderbare Errungenschaften sind. Doch ist der Kampf für mehr Rechte der Frau längst zu einem Befreiungsschlag gegen die Weiblichkeit selbst mutiert, inklusive des daraus resultierenden Geschlechterkampfes. Ja, er ist sogar zu einem Kampf der Frau gegen die Frau ausgeartet — Simone de Beauvoir lässt grüßen.

Anders zu denken als die feministische Ideologie es vorkaut, wird nicht gestattet, so die Erfahrung vieler Frauen, die ihre weiblichen Fähigkeiten — Empathie, Hingabebereitschaft, das Erkennen von Nöten bei anderen, Mutterschaft und so weiter — leben wollen und das von der Gesellschaft vorgegebene Korsett des Extremsports aus Muttersein und Berufsleben verweigern. Sie wollen sich wehren, können aber wenig ausrichten, weil sie nicht gehört werden. Die “Tagespost” hat mit einigen Frauen über die Herausforderungen als Frau und Mutter in der heutigen Gesellschaft (alle Namen von der Red. geändert) gesprochen.

“Mehr Stress, weniger Anerkennung”

Sabine W. überlegt nicht lang: “Was mir der Fortschritt der Emanzipation gebracht hat? Mehr Stress, weniger Anerkennung.” Viele Frauen fühlen sich trotz allen Fortschritts unverstanden von Kirche, Politik und Gesellschaft. Sie fühlen sich überfordert und ungerecht behandelt, stehen unter Druck, ihr Muttersein zum Vorteil der Wirtschaft hintenanzustellen. “Sobald eine Frau Mutter wird, verzichtet sie quasi freiwillig auf die Rente” stellt Miriam K., Mutter von sechs Kindern und Großmutter, fest. “Deutschland klagt über mangelnden Nachwuchs. Ich habe die Kinder, aber später dann keine Rente” — womit sie den anderen Befragten aus der Seele spricht.

Und wenn man arbeiten gehe, ergänzt Manuela M., dann bedeutet das einen enormen organisatorischen Aufwand. Sie hat vier Kinder, das Jüngste ist ein Jahr alt. Zwar muss sie nicht arbeiten, gibt aber aus Freude an der Sache einmal pro Woche für zwei Stunden Blockflötenunterricht. “Das bedeutet: Alle Kinder nach dem Mittagessen einpacken und zur Oma bringen. Das geht gut, solange kein Kind weint oder etwas extra braucht.”

Was sie außerdem wurmt: “Ich habe den Eindruck, als Frau nach meiner beruflichen Karriere definiert und beurteilt zu werden.” Sie werde immer zuerst nach ihrem Job gefragt, “als hätte das keinen Wert, dass ich bei den Kindern bin.”

Müttern fehlt eine echte Wahl

Auch Sarah I., Mutter von drei Kindern, berichtet, wie sie sich immer wieder rechtfertigen müsse, warum sie daheim ist und ihre Kinder erziehen will. “Wenn mich wer fragt, ob ich arbeite, sage ich: Ja, 18 Stunden und ohne Pause.” Mindestens. Aber das interessiere nicht. Die Frau solle möglichst schnell wieder in den Beruf einsteigen.

Tatsache ist, dass es Frauen gibt, die der Karriere und/oder Selbstverwirklichung wegen auf Kinder verzichten. Mütter dagegen haben häufig keine echte Wahl. Das Elterngeld von 300 Euro bis 1800 Euro im Monat reicht oft nicht, trotz Erhöhung um zehn Prozent bei Geschwistern. Die Bundesländer Bayern, Sachsen und Thüringen zahlen immerhin Erziehungsgeld für ein- bis zweijährige Kinder. In Bayern sind dies unabhängig vom Einkommen 250 Euro monatlich für die ersten beiden Kinder, 300 Euro ab dem dritten Kind.

Aber auch das genügt oft nicht. Eine Bertelsmann-Studie von 2022 hat anhand von Interviews mit verschiedenen Familien festgestellt, dass vor allem Familien mit mehr als zwei Kindern ordentlich sparen müssen. Auch da haben Eltern oft kaum die Wahl: Sie müssen beide arbeiten, um über die Runden zu kommen.

Spagat zwischen Familie und Beruf

Marita B. beispielsweise. Ihre Kinder litten unter ihrer Abwesenheit. Dann kündigte sie aus gesundheitlichen Gründen ihren Job, wurde schwanger und musste für kurze Zeit wieder Arbeit suchen, weil sie “sonst kaum Elterngeld bekommen hätte”, beklagt die bald dreifache Mutter. “Du musst dich an Richtlinien halten, damit Du Geld bekommst. Bist du aber mal in Not und hast keine Kraft für Bewerbungen und Job, macht man dir noch mehr Druck.”

So erlebt es auch Fabia G.. Sie arbeitet, weil sie ihre Zukunft sichern will, wäre aber am liebsten nur Mutter. Pro Kind “bekommt man nur drei Rentenpunkte”, sagt sie, “und dass man nach drei Jahren Kinderzeit nicht voll arbeiten kann, weil es keine Möglichkeit zur Betreuung gibt, besonders in den Ferien, wird nicht berücksichtigt.” Ihr Wunsch: “Jede Mutter, die arbeitet und wegen fehlender Betreuungsmöglichkeiten nur einen halben Punkt bekommt, sollte einen vollen bekommen.”

Die Crux mit dem Ehegattensplitting

Das fordert sie nicht ohne Grund: Das Risiko der Altersarmut ist bei Müttern besonders groß, weshalb auch die Abschaffung des Ehegattensplittings wieder in der Diskussion ist. Familienministerin Lisa Paus (Grüne) argumentierte, das Ehegattensplitting belohne Einkommensunterschiede und gebe Anreize, dass Frauen nur in Teilzeit arbeiten.

Eine Abschaffung ruft also Frauen zur Arbeit in der Wirtschaft statt Möglichkeiten auszubauen, dass sie ihre Kinder selbst erziehen dürfen. Ohne Ehegattensplitting drohen Familien in voneinander unabhängige Individuen auseinander gerissen zu werden, statt dass sie als unverzichtbarer Kern der Gesellschafft und sicheres Nest für Kinder mit der eigenen (unersetzlichen) Mutter gestärkt werden — auch finanziell.

Mutterarmut ist Familienarmut

Wenn also 2023 jede fünfte Frau in Deutschland von Armut gefährdet war, wie “Die Zeit” im Frühjahr berichtete, dann ist das nicht alleiniges Problem der Frau, sondern betrifft immer die gesamte Familie. An diesem Beispiel wird besonders deutlich, dass die Pläne des Feminismus “ins andere Extrem geschwappt sind”, wie Miriam K. es formuliert.

Laut Bundesfinanzministerium soll die geplante Steuerklassenreform nicht die familiäre steuerliche Belastung verändern. Rechnungen des “Bunds der Steuerzahler” belegen, dass Familien sehr wohl mit Einbußen zu rechnen hätten.

Manche Mütter wünschen sich einfach eine Anerkennung des Mutterseins als Beruf. Andere würden wenigstens gern ein anteiliges Erziehungsgeld für Ausfall im Job sowie in Ferienzeiten bekommen. “Kinder haben 14 Wochen Ferien, ich kann aber nur 20 Tage Urlaub nehmen”, sagt Fabia G. “Man will Mutter sein, kann aber nicht.” Hinzukäme, dass sie als Frau für die gleiche Leistung ein Drittel weniger Geld bekommen sollte als ihr männlicher Kollege, “weil ich ja schwanger werden und damit ausfallen könnte”.

Schwangerschaft darf kein Nachteil sein

Sabine W. versteht das nicht. “Schwangerschaft darf kein Nachteil sein. Und übrigens sollten auch Alleinerziehende die Möglichkeit haben, die ersten Jahre beim Kind bleiben zu können.” Die äußeren Rahmenbedingungen für Mütter, die die Kindheit der eigenen Kinder nicht verpassen wollen, seien nicht gut geregelt.

Ob der politische Ruf nach mehr Betreuungsplätzen die Lösung ist, um aus dem demographischen Notstand herauszukommen, sei auch dahingestellt. Die Geburtenzahlen hat dies bislang jedenfalls nicht angekurbelt. Das Statistische Bundesamt dokumentiert Jahr für Jahr das schleichende Aussterben der Menschheit: Im Mai dieses Jahres las man, dass jede fünfte Frau kinderlos bleibt und jede vierte Frau Mutter von einem Kind ist. 37 Prozent der Mütter hat zwei, fast 17 Prozent drei oder mehr Kinder. Und wer sie hat, soll sie weggeben.

Warnungen verhallen im Wind

Es werde, so monieren die Frauen, an den Bedürfnissen der Kinder, die in ihren ersten Lebensjahren die Nähe der Mutter brauchen, vorbeigeplant. Warnungen von Ärzten und Kinderpsychologen verhallen im Wind. Manuela M. ärgert das. “Wenn man sieht, was Kinder brauchen, und man weiß heute, wie wichtig die Mutter in den ersten drei oder bis vier Lebensjahren ist, dann kann ich es überhaupt nicht nachvollziehen, dass der Druck, als Mutter arbeiten zu gehen und die Kinder in Fremdbetreuung zu geben, immer größer wird.”

Nicht die Person zähle, sondern das System müsse funktionieren, “und dafür fängt man bei Kindern und Frauen an”. Die Folge sei, dass Frauen ihre Bedürfnisse nicht mehr wahrnehmen würden. Sie müssten ihre Gefühle und Bedürfnisse hintenanstellen — mit entsprechenden Folgen.

Kinder sind keine Störenfriede

Fabia G. beispielsweise leidet regelmäßig an Magenschmerzen. Sie wünscht sich “mehr Anerkennung und Rücksicht” von Gesellschaft und Politik, die Kinder nicht als Störenfriede ansehen dürften, “sondern als unsere Zukunft und somit das wichtigste Gut, das wir haben”. Die Politik dürfte Kinderlose “mehr zur Kasse bitten” — zur “finanziellen Entlastung und zur Förderung von Kindern”. Von der Kirche wünscht sie sich mehr Angebote, “damit man Kinder leichter an gute Werte heranführen kann”.

Aus Manuela M. platzt es nur so heraus: “Wir wollen nicht einfach nur andere Männer sein.” Die Frauen stellen fest, dass sich das feministische Gedankengut tief ins kollektive Bewusstsein gegraben hat, so dass die Frage sich aufdrängt, ob Frauen selbst wirklich täten, was sie in sich spürten. “Das Mütterliche ist ganz tief in jeder Frau verankert”, ist Miriam K. überzeugt. Dies neu zu entdecken und schätzen zu lernen wäre der erste Schritt hin zu einer wahrhaft frauenfreundlichen Gesellschaft.

Am Ende bleibt eine offene Frage: Sind es die Frauen, die als erste ihre Weiblichkeit wieder schätzen lernen müssen, damit auch in der Gesellschaft ein Umdenken einsetzt?

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