Unser Sonntag: Gott ist kein Snob

Pfarrer Ulrich Filler geht es heute um die Eucharistie als vollkommene Entfaltung des Anfangs von Weihnachten – aber auch um einen Gott, der so ganz anders ist: voller Freude, voller Liebe, voller Überfluss

Quelle
Der Gehorsam ist der konkreteste Teil des Glaubens
Predigt: 2. Sonntag im Jahreskreis C 2025 (Dr. Josef Spindelböck) – Der Wein der Liebe in Überfülle

Pfarrer Ulrich Filler

2. Sonntag im Jahreskreis, Joh 2, 1–11

Weihnachten geht immer weiter. Weihnachten ist erst der Anfang. Was dort geschehen ist im Stall von Betlehem, das entfaltet sich und wächst durch alle Zeiten hindurch, bis heute. Dieser Anfang, der sich bis in unsere Tage und bis ans Ende aller Zeiten erstreckt, ist die Geburt des göttlichen Wortes, das unser menschliches Fleisch angenommen hat, um der neue, endgültige und einzige Weg zum Himmel zu sein, für alle Menschen aller Zeiten.

Das bezeugen die ersten Pilger an der Krippe, die Weisen aus dem Morgenland. Das bezeugt später Johannes der Täufer. Das bezeugt der offene Himmel bei der Taufe Jesu am Jordan. Und die Menschen spüren: Eine neue Zeit beginnt, und dieser Beginn und Anfang ist untrennbar verbunden mit Jesus Christus, ja Jesus IST selbst dieser neue Anfang. In seiner Person, mit seiner Verkündigung und in seinen Zeichen breitet sich das Reich Gottes aus und das Reich des Bösen und der Sünde und des Todes muss weichen und selbst die vor ihm fliehenden Dämonen und unreinen Geister bekennen: “Ich weiß, wer du bist: der Heilige Gottes.” (Mk 1, 24)

Die Betrachtung zum Sonntagsevangelium im Video

Der oberste und eigentliche Brückenbauer

Jesus Christus ist der Heilige Gottes, der einzige Mittler zwischen Gott und Mensch. In ihm erfüllt und vollendet sich die Mittlerschaft von Mose, David und allen Propheten. Man könnte auch sagen: Er ist der wahre Pontifex Maximus, der oberste und eigentliche Brückenbauer zwischen Himmel und Erde. Das ist kein statischer Ehrentitel, sondern eine dynamische Aufgabe. Jesus erfüllt sie in der Dynamik, die sein ganzes Leben auszeichnet, und das ist die immerwährende Bewegung hin zum Vater. Seinen Willen zu erfüllen, ist Jesu tägliches Brot. Das eigene Leben nach diesem göttlichen Willen zu gestalten und zu formen, bedeutet die wahre Selbstverwirklichung.

Dynamik wider das Böse

Und der Wille des Vaters führt das menschlich-konkrete Prinzip von Weihnachten, nach dem Gott als kleines Kind sichtbar und berührbar wird, hinauf auf das Holz des Kreuzes. Neben das Geheimnis der Menschwerdung Gottes, der Inkarnation, tritt nun das zweite große Grundgeheimnis unseres Glaubens: die Hingabe Jesu an den Willen des Vaters, sein Leiden und Sterben, sein Opfer am Kreuz, sein Tod und seine Auferstehung von den Toten am dritten Tag. Es ist diese Dynamik, die dafür sorgt, dass das Reich Gottes das Böse und den Bösen nicht nur verdrängt und vertreibt, sondern dass es Tod und Teufel ein für allemal besiegt und endgültig überwindet, von innen heraus, dadurch, dass das göttlich Wort, das unser Fleisch angenommen hat, unseren Tod stirbt und so den Tod vernichtet.

Eintauchen in die Dimension Gottes

Im Triumph des Ostertages wird die ganze, todverfallene Schöpfung in das neue Gottesreich des Auferstandenen hineingenommen: Der menschliche Körper, der Leib des Herrn mit Muskeln, Haut und Knochen, er wird in der Auferstehung unserer zeitlichen, von den Naturwissenschaften beschriebenen Dimension entzogen und in die Dimension Gottes hineingetaucht, in die Dimension der Ewigkeit, Schönheit und Vollkommenheit. Diese Dynamik, diese Bewegung Jesu, der sich in den Willen des Vaters hineingibt, der sich absolut verschenkt in seinem Opfer am Kreuz und der als Auferstandener zur Rechten des Vaters thront, diese Bewegung und Dynamik erfasst alle, die mit Jesus verbunden wurden in der Taufe. In jener Gnadenstunde öffnete sich auch für uns der Himmel, wurden wir vom Heiligen Geist erfüllt, Gottes Eigentum, unser Leib sein Tempel; fortan durchströmen uns seine Gnade und Liebe, Barmherzigkeit und Vergebung; seither sind wir Schwestern und Brüder Jesu Christi. Seit jener Stunde hallt die Stimme Gottes in unserem Leben nach: Du bist mein geliebter Sohn, du bist meine geliebte Tochter, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden.

“Die Gemeinschaft all derer, die durch die Taufe zu Schwestern und Brüder Jesu wurden, ist die Kirche”

Und weil wir so mit Jesus verbunden sind, gehören wir auch zu seiner Dynamik, zu seiner Bewegung, die den Willen des Vaters erfüllt und das eigene Leben hingibt, durch Kreuz und Tod hinein in das neue Leben.  Die Gemeinschaft all derer, die durch die Taufe zu Schwestern und Brüder Jesu wurden, ist die Kirche: Sie ist der neue, geheimnisvolle Leib Christi. Der Auferstandene ist das Haupt, und wir sind durch die Taufe seine Glieder. Die Kirche ist der neue Tempel, das Haus aus lebendigen Steinen, dessen Eckstein Christus ist. Die Kirche ist die konkrete Gestalt des neuen Gottesreiches in der Zeit. Und weil das Reich Gottes in der Person Jesu selbst gekommen ist, so ist auch die Kirche so mit der Person des Auferstandenen verbunden, so dass man sagen kann: Sie ist der fortlebende Christus in der Zeit.

Der geheimnisvolle, mystische Leib Christi …

Dieser geheimnisvolle, mystische Leib Christi hat zwar menschlich–irdische, gesellschaftlich verfasste Organe und Vollzüge, eine Hierarchie mit ihren Ämtern und Aufgaben, eine Organisationsform. Er ist aber alles andere als nur ein Verein, eine Interessengruppe oder Körperschaft des öffentlichen Rechts. Er ist wie Jesus selbst: menschlich und göttlich zugleich, berührbar und hörbar ist die Gnade und das Leben Gottes selbst in ihm gegenwärtig. Wie Jesus ist er quicklebendig und verbindet Himmel und Erde, in menschlichen Zeichen und Worten begegnet uns der lebendige Gott – konkreter, menschlicher, unmittelbarer als jemals im Tempel.

…mit dem schlagenden Herzen: Der Eucharistie

Und wie unser menschlicher Körper braucht auch der Leib der Kirche ein schlagendes Herz, das alle Glieder durch den Blutkreislauf der göttlichen Gnade miteinander verbindet und lebendig macht. Diese lebendige, schlagende Herz ist die Eucharistie, die Feier der heiligen Messe, die die Christen Sonntag für Sonntag mit Christus verbindet und uns zu seiner Kirche auferbaut.

“Er selbst ist das makellose Lamm, das geopfert wird und dessen Blut vergossen wird zum Heil der Menschen”

Der erste Schlag dieses Herzen verzeichnen die Evangelien beim dem Letzten Abendmahl. Denn dort geschah etwas ganz besonderes: Jesus macht die übliche, jüdische Pas–cha-Feier zu SEINEM Pa–scha. Pa–scha bedeutet: Übergang, Vorübergang, in dem Begriff klingt bereits die Dynamik mit, die das ganze Leben Jesu auszeichnet. Jetzt zeigt Jesus unter den Zeichen von Brot und Wein: Er selbst ist das makellose Lamm, das geopfert wird und dessen Blut vergossen wird zum Heil der Menschen. Nicht mehr ein Ding, ein Tier oder sonst irgendein Ersatz wird dargebracht, sondern das fleischgewordene Wort. Wie durch das Pascha-Opfer des Alten Bundes das Volk Israel aus der Knechtschaft Ägyptens befreit wurde, befreit Christus uns durch sein Opfer am Kreuz von der Knechtschaft des Todes und schenkt uns die Erlösung.

“Die heilige Messe ist die vollkommene Entfaltung des Anfangs von Weihnachten”

Jetzt erst findet das Opfer Israels und der ganzen Menschheit zu seinem Sinn. Denn wir sind ja mit Jesus verbunden und werden in seine Dynamik mit hineingenommen. Sie erfüllt den Willen des Vaters. Sie gibt sich selbst hin. Sie ist die Liebe. Das neue Pa–scha ist der Hinübergang Jesu zu seinem Vater durch seinen Tod und seine Auferstehung. Diesen Übergang sollen alle mitvollziehen, die zu ihm gehören. Das ist die große, staunenerregende, wunderbare Wirklichkeit, hin die wir in jeder Feier der heiligen Messe hineingenommen werden. Sie ist die vollkommene Entfaltung des Anfangs von Weihnachten. Und wenn wir heute im Evangelium vom Anfang des öffentlichen Wirkens Jesu hören, wenn wir Zeugen eines ersten Wunders bei der Hochzeit von Kana werden, dann ist dies ein Schlüssel, mit dem wir unsere fruchtbare, aktive Teilnahme an der Messe erschließen können. Dreimal muss dieser Schlüssel herumgedreht werden:

Das Wunder geschieht mit Maria

Einmal sehen wir, dass das Wunder nicht ohne Maria stattfinden kann. Sie erweist sich schon hier, am Anfang, als Mutter der Kirche, die fürbittend für uns Sünder eintritt bei ihrem Sohn: “Was er euch sagt, das tut!” (Joh 2, 5) Die heilige Messe ist immer die Feier der ganzen Kirche, nie eine Privatveranstaltung des Priesters oder einer religiösen Interessengruppe. Die Eucharistie verbindet uns als schlagendes Herz mit allen Gliedern der Kirche, auch mit der Gottesmutter und der Schar der Heiligen. Auch wenn in unserer gleichgültigen, glaubensarmen Zeit der Priester werktags oft alleine am Altar zelebriert, ist die ganze Kirche gegenwärtig, in der besten Gesellschaft der Heiligen stimmt er ein in das Loblied der Engel, die Gottes allheilige Gegenwart preisen.

…an der Hand Marias

Also: Vertrauen wir auf Maria, lassen wir uns von ihr an die Hand nehmen, dann wird jede Messfeier für uns zu Weihnachten und Ostern zugleich. Doch müssen wir auch ihren guten Rat befolgen und tun, was Jesus zu den Dienern sagt: “Füllt die Krüge mit Wasser! Und sie füllten sie bis zum Rand.” (Joh 2, 7) 

Eine zweite Drehung des Schlüssels verrät uns: In der Eucharistie, in der Messe geht es immer um Wandlung. Wein und Brot werden zum Altar gebracht und gewandelt in den Leib und das Blut Christi, während sich die Dynamik seines Pa–schas vollzieht. Und wir – wir gehören doch zu Jesus! Was da geschieht, geht uns doch auch etwas an. Wir haben doch Anteil am Auferstandenen, durch die Taufe. “Füllt die Krüge mit Wasser!” Das dürfen wir tun, in jeder Feier der Messe, die Krüge unseres Lebens randvoll füllen. Was macht es, dass es oft nur die verwässerte Version von starkem Glauben, hingebungsvoller Liebe und echter Hoffnung ist? Dass Unterlassungen, Sünden und Dunkelheiten aller Art unser Wasser verschmutzen? Wenn wir es nur bringen, wenn wir unsere vollen Krüge vor den Altar stellen, werden wir mit hineingenommen in das Wunder der Wandlung. Unser Leben verändert sich und wir werden immer mehr mit Liebe erfüllt.

“Das verstehen die Menschen nämlich nicht: Dass der allerbeste, allerfeinste, erlesenste Tropfen als süffiger Wein zum Saufen verwendet werden soll, dass er verschwendet werden darf.”

Schließlich drehen wir den Schlüssel ein drittes Mal. Und erkennen, dass das erste Wunder Jesu (auch) ein ganz prosaisches Ziel hat. Klar, es geht auch darum, seine göttliche Macht zu zeigen und die Apostel zum Glauben zu führen. Aber dieses theologische Anliegen verbindet Jesus mit der fröhlichen Stimmung auf der großen Hochzeits–Party der Gäste. Und er zeigt uns dabei, wie Gott ist: Gott ist kein Snob, Jesus langweilt die Gesellschaft nicht mit einem Referat zu Rebsorte, Lage, Ausbau und wie die Gerbsäure leicht am Gaumen kitzelt. Gott ist ganz anders: voller Freude, voller Liebe, voller Überfluss. Er fragt nicht, wieviel Wein noch gebraucht wird, er zählt nicht und spart nicht. Das wird extra im Evangelium thematisiert, das verstehen die Menschen nämlich nicht: Dass der allerbeste, allerfeinste, erlesenste Tropfen als süffiger Wein zum Saufen verwendet werden soll, dass er verschwendet werden darf. Es macht ja nichts. Es ist genug da, so dass die Feier großartig wird.

Noch Fragen? Die einzige lautet: Bin ich bereit, mich ohne meine üblichen ängstlichen Kleinkrämereien so maßlos und voller Freude beschenken zu lassen?

Amen.

Radio Vatikan – Redaktion Claudia Kaminski, 18. Januar 2025

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