Ein Gnadenjahr des Herrn – auch heute

Es steht schon im Buch Leviticus: die Gerechtigkeit, mit der Gott die Welt geschaffen hat, soll im Gnadenjahr wiederhergestellt werden, schreibt Kardinal Kurt Koch

Quelle
Jesus war Jude – Glaubenssache Online

25.01.2025

Kurt Kardinal Koch

Am Beginn seines öffentlichen Wirkens geht Jesus nach Nazareth, wo er aufgewachsen war, und betritt am Sabbat die Synagoge. Er liest aus der Buchrolle des Propheten Jesaja, in der dieser seine ihm von Gott gegebene Sendung im alttestamentlichen Volk Gottes beschreibt. Nachdem Jesus die Lesung beendet hat, erklärt er mit starker Glaubensgewissheit: “Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt.” Mit dieser Aussage versteht Jesus seine eigene Sendung als Erfüllung der Sendung, die dem Propheten Jesaja anvertraut gewesen ist.

In den Worten, die Jesus vorgelesen und auf sich bezogen hat, ist davon die Rede, dass die Zerschlagenen in Freiheit gesetzt werden, den Armen die Frohe Botschaft gebracht, den Gefangenen die Entlassung verkündet und dass vor allem ein “Gnadenjahr des Herrn” ausgerufen wird. Mit dieser klaren Botschaft bezieht sich Jesus auf eine wichtige Tradition im Volke Israel zurück, über die es im alttestamentlichen Buch Leviticus heißt, dass Gott zu Mose gesprochen hat, dass jedes fünfzigste Jahr ein Jobeljahr sein soll: “Erklärt dieses fünfzigste Jahr für heilig, und ruft Freiheit für alle Bewohner des Landes aus!” (Lev 25, 10). Die Zielbestimmung dieses Jobeljahres sollte darin bestehen, dass die Gerechtigkeit, mit der Gott, der unendlich Gerechte, die Welt geschaffen hat, in den verschiedenen Lebensbereichen wiederhergestellt wird: in den Beziehungen zu den Nächsten und in den gesellschaftlichen Bereichen der Nutzung des Landes und des Besitzes von Gütern.

Die biblischen Wurzeln des Heiligen Jahres

Der Name “Jobeljahr”, mit dem gleichsam die Wiederherstellung einer Art von Urzustand angekündigt wird, leitet sich vom hebräischen Wort “jobel” her, was Widderhorn bedeutet, mit dem der Beginn des Gnadenjahres eingeläutet worden ist. Damit wird sichtbar, dass Idee und Praxis des Heiligen Jahres, das Papst Franziskus für 2025 ausgerufen hat, klare biblische Wurzeln aufweist.

Das Heilige Jahr ruft uns in Erinnerung, dass die Sendung der Kirche auch heute dieselbe ist, wie sie Jesus in Nazareth verkündet hat. Dabei geht es vor allem darum, dass die Beziehung des einzelnen Christen mit Gott gereinigt und wiederhergestellt werden soll. Diesem Ziel dient vor allem das Sakrament der Beichte, in dem wir den schweren Ballast der Sünde von unseren Herzen nehmen und dem Herrn übergeben und von ihm Vergebung empfangen. Denn Vergebung ist das großartige Geschenk der Liebe Gottes, die uns am Kreuz Jesu erwirkt worden ist. Vergebung können wir aber nur annehmen, wenn wir unsere Sünde als Sünde erkennen und anerkennen.

Bekenntnis der Sünde und Empfang der Vergebung Gottes gehören unlösbar zusammen. Nur so wird das Heilige Jahr zu einem “Gnadenjahr des Herrn”, wie es Jesus in Nazareth verkündet hat. Und nur so werden wir wirklich “Pilger der Hoffnung”.

Nehemia 8, 2–4a. 5–6. 8–10
1 Korinther 12, 12–31a
Lukas 1, 1–4; 4, 14–21

Zu den Lesungen des 3. Sonntags im Jahreskreis 2025 (Lesejahr C)

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