Der Anschlag von New Orleans und die Gefahr der Gewöhnung

Unser Autor spazierte die Bourbon Street entlang, wenige Stunden bevor ein Attentäter seinen Pick-Up-Truck in eine Menschenmenge steuerte

Quelle
Papst betet für Opfer des Attentats von New Orleans – Vatican News
St. Louis Cathedral (New Orleans) – Wikipedia

02.01.2025

Sebastian Moll

Weihnachten in New Orleans. Mit Tausenden von Menschen stehe ich am Heiligen Abend auf dem Jackson Square beim Weihnachtsliedersingen, in unserem Rücken die imposante St. Louis Cathedral. Etwa zwei Stunden lang ertönen Lieder aller Couleur, von “Come, All Ye Faithful” bis hin zu “Rudolph, The Red-Nosed Reindeer”. Den Abschluss bildet – das ist auch hier nicht anders – “Silent Night”. Die Stimmung ist ebenso feierlich wie ausgelassen, fast alle Besucher halten Kerzen in der Hand, die zum Ende der Veranstaltung restlos niedergebrannt sind, meine Handschuhe sind voller Wachs.

Bei der anschließenden Weihnachtsmesse gibt es selbst in der riesigen Kathedrale nicht genug Sitzplätze für alle. Der Erzbischof von New Orleans, Gregory Aymond, scherzt in seiner Predigt, beim nächsten Mal werde man die Messe lieber im Caesars Superdome, der Heimat der New Orleans Saints, abhalten. Die Eigentümerin des genannten Footballteams, die Milliardärin Gayle Benson, ist an diesem Abend ebenfalls unter den Feiernden. 2012 wurde ihr von Papst Benedikt XVI. das Ehrenkreuz Pro Ecclesia et Pontifice verliehen. Auch die Polizei ist vertreten, allerdings keineswegs in zivil, sondern in voller Montur und voller Bewaffnung. Zu diesem Zeitpunkt empfinde ich es noch als überaus befremdlich, bei der Feier der Eucharistie von lauter Schusswaffen umgeben zu sein.

“Ein Zeichen der völligen Missachtung menschlichen Lebens”

Eine Woche später wird mir klar, wie falsch ich lag. Nur wenige hundert Meter von meinem Hotel entfernt rast ein Mann mit seinem Pick-Up-Truck in die Neujahrsfeier in der Bourbon Street, der berühmt-berüchtigten Partymeile der Stadt. Glücklicherweise sitze ich zu dieser Zeit bereits im Flugzeug nach Hause. Aber noch kurz zuvor bin auch ich diese Straße auf und ab gegangen, auf der man sich vor schweren Jungs ebenso in Acht nehmen muss wie vor leichten Mädchen. Doch all das ist nichts im Vergleich zu dieser grauenhaften Tat.

Auch dem Erzbischof ist die Lust am Scherzen vergangen: “Diese Gewalttat ist ein Zeichen der völligen Missachtung menschlichen Lebens. Gemeinsam mit den anderen Mitgliedern der römisch-katholischen Erzdiözese New Orleans spreche ich den Familien der Opfer im Gebet Beistand zu. Ich danke für den heldenhaften Einsatz von Hunderten von Polizeikräften und medizinischen Helfern im Angesicht des Bösen.”

Die politische Instrumentalisierung wird folgen

Neben dem Beistand für die Opfer und deren Angehörige steht nun die Aufklärung des Vorfalls an erster Stelle. Der Anschlag von Magdeburg, der sich übrigens bis nach New Orleans herumgesprochen hatte, hat gerade erst wieder bewiesen, wieviel Unheil vorschnelle Interpretationen bewirken können. “Das ist kein terroristisches Ereignis”, hatte das FBI kurz nach dem Massaker verlautbaren lassen – was die Behörde dann recht schnell korrigieren musste. Mittlerweile wird von einem islamistischen Terrorakt ausgegangen. Im Wagen des Täters wurden neben Waffen und einem möglichen Sprengsatz auch eine IS-Fahne sichergestellt.

Dass nun eine politische Instrumentalisierung des Anschlags folgen wird, und zwar auf beiden Seiten des Atlantiks, ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Noch weitaus schlimmer aber ist die Gefahr der Gewöhnung. Zwar wird das Böse aus dieser Welt niemals völlig zu verbannen sein. Aber wir haben es selbst in der Hand, wie wir unser Leben und unsere Gesellschaft gestalten wollen.

“Friede auf Erden” lautet die Zusage Gottes – nicht nur an Weihnachten.

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