Nordkorea: Christen im Untergrund
Seit bekannt wurde, dass im Ukraine-Krieg auf russischer Seite auch nordkoreanische Soldaten mitkämpfen, erfährt das Regime von Pjöngjang neue Aufmerksamkeit
Quelle
Korea: Katholiken beten für Versöhnung – Vatican News
Korea: Bischöfe rufen zu Deeskalation auf – Vatican News
Armut in Nordkorea – “Sobald man Pjöngjang verlässt, betritt man eine andere Welt” – News – SRF
Historischer Hintergrund: Der Korea Krieg | Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur
Kardinal Stephen Kim Sou-hwan
Zum 100. Geburtstag des südkoreanischen Kardinals Kim – DOMRADIO.DE
Stefan von Kempis – Vatikanstadt
Nordkorea gehört unbestritten zu den gefährlichsten Ländern der Welt für Christen. Dies geht aus einer Liste hervor, die jedes Jahr vom päpstlichen Hilfswerk “Kirche in Not” veröffentlicht wird. Im jüngsten Bericht “Verfolgt und unterdrückt” betonte “Kirche in Not” Ende Oktober, dass es in dem von der Kim-Dynastie geführten Land nur eine einzige Glaubensrichtung gibt, nämlich die sogenannte “Juche”-Ideologie.
“Nach dem Koreakrieg wurde das Land in zwei Hälften geteilt”, erklärt uns der französische Pater Philippe Blot. Der Priester der “Pariser Auslandsmission” ist in der Diözese Suwon südlich von Seoul tätig und lebt seit 34 Jahren in Südkorea. Er hat dort mehrere Häuser für Jugendliche in Schwierigkeiten eröffnet. Derzeit werden dort auch etwa zwanzig junge Menschen betreut, die aus Nordkorea geflohen sind.
Die Vergötterung des Diktators
“Im Norden wurde damals ein Kommunismus nach stalinistischem Vorbild errichtet. Ich bin zweimal nach Nordkorea gereist. Fast überall sehen Sie den Namen des Diktators, damals war es Kim Jong-il, den sie ‘die Sonne des 20. Jahrhunderts’ nannten. Die Propaganda geht so weit, dass die Nordkoreaner dazu erzogen werden, ihren Führer regelrecht kultisch zu verehren. Sie vergötterten den Großvater, dann Kim Jong-Il, seinen Sohn, und jetzt Kim Jong-Un. Sie tun, was der Diktator diktiert, wie ein Mann. Alles wird vom Diktator und seinen Schergen kontrolliert.”
1953, als das Land in zwei Hälften geteilt wurde, gab es im nördlichen Teil viele Christen – Einheimische und Ausländer. Mit denen machte das Regime kurzen Prozess.
Religionen wurden eliminiert
“Sie schlachteten alle Priester und Brüder ab, die noch da waren, darunter ein Dutzend Benediktiner, Deutsche und Koreaner. Dasselbe taten sie mit den Überresten der christlichen Gemeinschaft. Man muss wissen, dass es zu dieser Zeit im Norden mehr Christen gab als im Süden. Also haben sie schließlich regelrecht Gott hinausgeworfen, sowohl die Katholiken als auch die Protestanten. Auch die anderen Religionen wurden eliminiert. Aber im Laufe der Jahre wurden sie durch Druck von außen gezwungen, die Fenster ein wenig zu öffnen, damit es so etwas wie Religionsfreiheit gibt. Nordkorea hatte Hungersnöte erlebt und wollte internationale Hilfe in Anspruch nehmen.”
Das führte in Pjöngjang zu einem Umdenken – oder wenigstens wurde so getan, als ob. Das Regime ließ eine katholische Kathedrale errichten, und nach chinesischem Vorbild wurde ein Verband nordkoreanischer Katholiken gegründet.
“Es gibt eine katholische und eine protestantische Kirche, aber das ist in Wirklichkeit eine Lüge. Während meines Aufenthalts in Nordkorea hatte ich darum gebeten, in der sogenannten Kathedrale von Pjöngjang die Messe lesen zu dürfen. Das haben sie immer abgelehnt, denn während einer Messe wird nach dem Evangelium gepredigt, und sie haben Angst vor dem, was man da sagen könnte.”
Ein Fake-Gottesdienst in Pjöngjang
Pater Blot nahm also an einer priesterlosen Sonntagsversammlung in der Kirche teil – und beobachtete Erstaunliches. “Die Anwesenden waren alle Nordkoreaner, die traditionelle Kleidung trugen und sehr schön sangen, aber das waren Statisten. Sie werden entweder bezahlt oder sind gezwungen, an dieser Versammlung teilzunehmen. Dort wurde auch die Kommunion ausgeteilt, aber es ist unmöglich zu wissen, ob die Hostien geweiht waren. Das ist alles nur Schein. Es ist ein Schaufenster.”
Wie denkt das nordkoreanische Regime über das Christentum? Pater Blot glaubt, dass Pjöngjang das Christentum als etwas Fremdes und nahezu Bedrohliches empfindet.
Angst vor der Freiheit
“Und sie sehen, dass in Südkorea selbst zur Zeit des Militärregimes die Armee den Kardinal Stephen Kim Sou-hwan verteidigte. Der erste koreanische Kardinal und der 11. Erzbischof von Seoul, der wahrscheinlich bald seliggesprochen wird, war ein Symbol der Freiheit. Er setzte sich für die Armen, die Arbeiter usw. ein. All das macht dem Regime in Nordkorea Angst, denn mit all den Ungerechtigkeiten, den Verfolgungen, die in Nordkorea stattfinden… Außerdem kümmern sie sich weder um Kranke noch um die Armen, sondern liquidieren sie nach Belieben. Im Norden gibt es keine Freiheit und sie wissen, dass das Christentum und vor allem Jesus die Freiheit predigen. In ihrer Vorstellung stellt das Christentum eine Art Gegenmacht dar. Sie wissen außerdem, dass Christen viel ertragen, wenn sie verfolgt werden. Wahre Christen werden niemals ihren Glauben verleugnen, und das ist für Kim Jong-Un, der sich selbst als über Gott stehend wahrnimmt, inakzeptabel. Christen werden, wenn sie sich für Gott entscheiden, in Lager geschickt oder sie werden an Ort und Stelle getötet. Die Verfolgung ist sehr hart.”
Das heutige Nordkorea war im Zweiten Weltkrieg von den Japanern besetzt. Nach dem Weltkrieg ging es in die Hände der Kommunisten über und lebt seit über 70 Jahren unter der Herrschaft der Kims. Wie kann man nach all diesen Jahrzehnten der Prüfung sicher sein, dass es in diesem fast von der Welt abgeschnittenen Land überhaupt noch Christen gibt?
Subversive USB-Sticks
“Es gibt vor allem Protestanten, und das weiß man, weil ein Teil der Nordkoreaner, die in der Nähe der Grenze leben, einen Teil ihrer Familie aus verschiedenen Gründen in China angesiedelt haben. Vor der Covid-19-Pandemie erlaubte ein Abkommen zwischen China und Nordkorea den Nordkoreanern, zwei- oder dreimal im Monat zu ihren Verwandten auf der anderen Seite der Grenze zu reisen. Sie verbrachten dort zwei oder drei Tage und kehrten natürlich nach Nordkorea zurück. Doch während ihres Aufenthalts in China lernten einige von ihnen Gott kennen, sie trafen dort Pastoren, einige wurden getauft und wollten ihren Glauben mit anderen teilen. Doch als sie nach Nordkorea zurückkehrten, wurden viele von ihnen verhaftet, insbesondere diejenigen, die Bibeln mitbrachten, was verboten ist. Heute tragen sie keine Bibeln mehr mit sich – das ist zu gefährlich -, sondern USB-Sticks. Viele USB-Sticks sind in Nordkorea heimlich im Umlauf. Darauf befinden sich die Bibel, Katechismusunterricht und Lieder, die die Menschen zum Beten anregen sollen.”
Pater Blot war seit 2010 auch mehrmals in China. Er habe dort, wie er uns berichtet, “Minikassetten” mit Gebets-Anleitungen an Nordkoreaner verteilt, die nicht aus ihrem Land fliehen wollten. Mit denen reisten die Nordkoreaner dann zurück in ihr Land – in der Hoffnung, nicht erwischt zu werden. Blot ist davon überzeugt, dass es in Nordkorea Untergrund-Christen gibt; ihre Zahl zu beziffern ist kaum möglich.
Beten unter Lebensgefahr
“Im Untergrund seinen Glauben zu leben bedeutet in erster Linie, leise zu sprechen. Eltern bringen ihren kleinen Kindern ab zwei oder drei Jahren bei, im Haus nicht laut zu sprechen. Sie bringen ihnen auch bei, dass sie nie über das sprechen sollen, was im Haus passiert, wenn sie zur Schule gehen, auf dem Feld arbeiten oder mit ihren Freunden auf der Straße herumlaufen und sich amüsieren. Denn im nordkoreanischen Regime herrscht Denunziation. Die Menschen denunzieren sich gegenseitig. Wenn jemand ein hartes Wort gegen einen hohen Beamten sagt oder wenn Sie beten, werden Sie sofort verhaftet und in ein Lager gebracht. Es kommt vor, dass die aufgegriffenen Personen an Ort und Stelle zum Tode verurteilt werden, um ein Exempel zu statuieren. Früher wurden sie in Kellern getötet, aber jetzt machen sie das regelrecht im Freien, um ein Exempel zu statuieren, damit alle strammstehen und nicht gegen die Gesetze verstoßen.”
“Es ist das Zeugnis der Christen in den Katakomben, wie auch das Zeugnis der Christen in Rom zu Beginn des Kaiserreichs.”
Eine Kirche des Schweigens, buchstäblich. Trotzdem legt sie, wie der französische Missionar glaubt, ein wichtiges Zeugnis ab.
“Es ist das Zeugnis der Christen in den Katakomben, wie auch das Zeugnis der Christen in Rom zu Beginn des Kaiserreichs. Natürlich ohne Klerus, ohne alles… Viele werden erwischt, aber sie haben einen außergewöhnlichen Mut. Denn viele von ihnen geben nicht auf, sie beten weiter, denn das ist es, was sie am Leben hält. Sie leben in einer solchen Armut, unter einer solchen Last auf ihren Schultern, dass ihre Art, sich zu ‘befreien’, darin besteht, zum Herrn zu beten. Das ist es, was sie leben lässt, und sie wollen es nicht aufgeben und treffen alle möglichen Vorsichtsmaßnahmen. Es ist wirklich ein Beispiel, ein außergewöhnliches Zeugnis. Und wir, um ihnen zu helfen, haben lediglich unsere Gebete.”
Christen im Süden hoffen auf ein Wunder
Die südkoreanische Kirche verfolgt das Schicksal ihrer Glaubensgeschwister auf der anderen Seite der Demarkationslinie natürlich mit großer Betroffenheit.
“Seit einigen Jahren rufen die südkoreanischen Bischöfe dazu auf, jeden Abend um 21 Uhr das Vaterunser und ein Ave Maria für die Christen im Norden zu beten, damit sie weiterhin überleben können. Wir beten natürlich auch für die Wiedervereinigung und die Befriedung des Landes. Bevor das Land in zwei Hälften geteilt wurde, haben sie sich gegenseitig umgebracht. Die Kommunisten verübten schreckliche Massaker, bevor sie in den Norden zurückgedrängt wurden… In der Myeongdong-Kathedrale in Seoul werden regelmäßig Messen für den Frieden und die Wiedervereinigung abgehalten. Sie sind sehr aktiv und warten nur auf ein Wunder: Sollte das kommunistische Regime fallen, sind sie bereit, über Nacht Priester und Freiwillige gen Norden zu schicken, um ihnen zu helfen.”
Das Interview mit Pater Blot führte Marie Duhamel vom französischen Programm von Radio Vatikan. Der französische Podcast entstand in Zusammenarbeit mit dem Hilfswerk Kirche in Not.
vatican news, 2. Dezember 2024
Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.
Themen
Nordkorea
Christen
Politische Gewalt
Religiöse Verfolgung
Südkorea
Schreibe einen Kommentar