Linker Agnostiker Orsi sucht den Dialog mit der katholischen Kirche
Uruguays gewählter Präsident Yamandú Orsi bezeichnet sich zwar als Agnostiker. Er setzt aber auf Dialog mit der katholischen Kirche, obwohl in dem südamerikanischen Land eine strikte Trennung von Staat und Kirche herrscht
Quelle
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26.11.2024
Nach fünf Jahren kehrt die “Frente Amplio” (Breite Front, FA), ein 1971 gegründetes Bündnis linker Parteien, an die Macht in Uruguay zurück. Bei der Präsidentschaftswahl am 24. November errangen Yamandú Orsi und seine Vizepräsidentschaftskandidatin Carolina Cosse den Sieg gegen Álvaro Delgado von der Mitte-Rechts-Regierungspartei. Die FA sicherte sich eine Mehrheit im Senat, während in der Abgeordnetenkammer keine Partei die absolute Mehrheit erreichen wird.
Die scheidende Regierung unter Präsident Luis Lacalle Pou erfreute sich lange Zeit großer Beliebtheit und verzeichnete noch im Oktober 2023 Zustimmungswerte von 50 Prozent. Jedoch erschütterten Korruptions- und andere Skandale das Vertrauen der Bevölkerung nachhaltig. Diese Krisen schwächten die sogenannte Republikanische Koalition erheblich. Die FA nutzte diese Situation geschickt für sich. Mit einer schlüssigen Botschaft, die Wandel und soziale Gerechtigkeit in den Mittelpunkt stellte, gewann sie die Gunst der Wählerschaft. Orsi, ein erfahrener Politiker mit Wurzeln in der “Bewegung der Volksteilnahme” (“Movimiento de Participación Popular, MPP) des früheren Präsidenten José “Pepe” Mujica, versteht es, Themen wie Gleichberechtigung, Arbeiterrechte und soziale Sicherheit emotional zu vermitteln – klassische Kernkompetenzen der FA.
In katholischer Familie aufgewachsen
Yamandú Orsi, 1967 in einer katholischen Familie im ländlichen Departement Canelones geboren, beschreibt sich heute als Agnostiker. Dennoch unterstrich er in einem Interview seine Wertschätzung für Glauben und Religion: “Es existiert eine Dimension des Menschseins, die weder Politik noch Philosophie vollständig erschließen können.” Diese Haltung prägt auch sein Verhältnis zur katholischen Kirche, die trotz der weitgehend säkularisierten Gesellschaft Uruguays eine bedeutende soziale Rolle einnimmt.
Die Kirche, vertreten durch den Ständigen Rat der Bischofskonferenz, beglückwünschte Orsi und Cosse zum Wahlsieg. In ihrer Erklärung bekräftigte sie ihr Engagement für eine gerechtere Gesellschaft und appellierte an den Brückenschlag zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen. Bischof Arturo Fajardo, Vorsitzender der Konferenz, betonte: “Wir möchten unsere Brüder und Schwestern begleiten, ihre Herausforderungen teilen und uns für ihre Würde und ihr Wohlergehen einsetzen.”
Uruguay ist gemäß der Verfassung von 1918 ein säkularer Staat mit strikter Trennung von Religion und Staat. Religiöse Feiertage tragen weltliche Namen wie “Tag der Familie” (Weihnachten). Der Latinobarómetro-Bericht 2023 zeigt, dass sich 47,2 Prozent der Uruguayer als konfessionslos bezeichnen, während 36,5 Prozent dem katholischen Glauben angehören. Ungeachtet dieser Statistik bewahrt die Kirche ihren Einfluss, besonders in Bereichen wie Bildung, Drogenprävention und der Unterstützung vulnerabler Bevölkerungsgruppen.
Spannungen in sozial-ethischen Fragen?
Orsis Präsidentschaft könnte von Spannungen in sozial-ethischen Fragen geprägt sein. Die FA implementierte in der Vergangenheit “fortschrittliche” Reformen wie die Legalisierung von Abtreibung (2012), Homo-“Ehe” (2013) und die staatlich regulierte Cannabis-Freigabe. Ein 2023 vom Abgeordnetenhaus verabschiedetes Euthanasiegesetz stieß im Senat auf Ablehnung. Orsi äußerte sich zu diesen Themen zurückhaltend und kündigte eine besonnene Herangehensweise an.
Im Austausch mit der katholischen Kirche betonte Orsi die gemeinsamen Anliegen wie Kindeswohl, Resozialisierung und die Unterstützung Alleinerziehender. Kardinal Daniel Sturla, Erzbischof von Montevideo, unterstrich die Wichtigkeit der Kooperation zwischen Kirche und Staat zum Wohle der Allgemeinheit.
Die Zukunft wird zeigen, ob Orsi und die “Breite Front” den Spagat zwischen progressiven Reformen und traditionellen Wertvorstellungen meistern können. Mit der Senatsmehrheit, aber ohne absolute Mehrheit im Abgeordnetenhaus, wird die neue Regierung auf konstruktiven Dialog und Kompromisse setzen müssen, um ihre Vision eines sozial gerechteren Uruguays zu verwirklichen.
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