Gott im Antlitz Jesu Christi erkennen *UPDATE

Auf dem Weg zum 1700. Jahrestag des Konzils von Nizäa: Kurt Kardinal Koch über dessen ökumenische Bedeutung und bleibende Aktualität

Quelle
Kardinal Koch: Beschäftigung mit Konzil von Nizäa “nicht nur von historischem Interesse”
Gottes weihnachtliche Vorliebe zum Kleinen: Eine Predigt von Kardinal Kurt Koch
*Christus-König-Statue (Świebodzin) – Wikipedia
Liste der höchsten Christusstatuen – Wikipedia
Christkönig

26.12.2024

Kurt Kardinal Koch

Die ökumenische Bewegung gleicht nicht einfach einer Königsstraße, die breit gestaltet ist und direkt in eine gute Zukunft führt. Sie kennt neben Hauptstraßen auch Nebenstraßen, Umwege und Abwege. Sie kennt freilich auch besonders günstige Augenblicke. Eine ökumenische Sternstunde dürfte gewiss das Jahr 2025 sein, in dem die gesamte Christenheit den 1700. Jahrestag des ersten ökumenischen Konzils in der Geschichte der Kirche begehen wird, das im Jahre 325 in Nizäa stattgefunden hat. Das Konzil hat sich in erster Linie mit doktrinellen Fragen beschäftigt, wie vor allem die “Erklärung der 318 Väter” zeigt, genauer: das Glaubensbekenntnis zu Jesus Christus als dem Sohn Gottes, der “wesensgleich dem Vater” ist.

Diese Formel ist freilich nur zu verstehen auf dem Hintergrund eines heftigen Streites, der in der damaligen Christenheit vor allem im östlichen Teil des Römischen Reiches entbrannt war und sich um die Frage gedreht hat, wie das christliche Bekenntnis zu Jesus Christus als dem Sohne Gottes mit dem ebenso christlichen Glauben an einen einzigen Gott vereinbart werden kann. Der damalige Streit dokumentiert, dass am Beginn des vierten Jahrhunderts die Christusfrage zum “Problemfall des christlichen Monotheismus” geworden ist (J. Ratzinger, Theologische Prinzipienlehre, München 1982).

Das Anathem für Arius

Vor allem der alexandrinische Theologe Arius hat einen strengen Monotheismus im Sinne des damaligen philosophischen Denkens vertreten, demgemäß Christus nicht im eigentlichen Sinn “Sohn Gottes” sein kann, sondern nur ein Mittelwesen, dessen sich Gott in seinen Beziehungen zu den Menschen bedient.

Diese Position hat das Konzil von Nizäa mit scharfen Worten verurteilt, wie es in seinem Brief an die Ägypter heißt: “Einstimmig wurde beschlossen, seine glaubensfeindliche Lehrmeinung sowie seine blasphemischen Aussagen und Bezeichnungen, mit deren Hilfe er den Sohn Gottes schmähte, mit dem Anathem zu belegen.” (Dekrete der Ökumenischen Konzilien, Paderborn 2002)

Erster Schritt zum großen Glaubensbekenntnis

Um den arianischen Streit zu schlichten, haben deshalb die Konzilsväter das von Arius propagierte Modell eines strikt philosophischen Monotheismus mit dem Glaubensbekenntnis zurückgewiesen, dass Jesus Christus als Sohn Gottes “wesensgleich dem Vater” ist. Dieses Bekenntnis ist zur Grundlage des gemeinsamen christlichen Glaubens geworden, zumal das Konzil von Nizäa in einer Zeit stattgefunden hat, in der die Christenheit noch nicht von den vielen späteren Spaltungen verwundet gewesen ist.

Das christologische Bekenntnis von Nizäa stellt eine wichtige, freilich noch nicht vollendete Etappe auf dem Weg zum großen Glaubensbekenntnis von Nizäa-Konstantinopel im Jahre 381 dar.

Während das Konzil von Nizäa den Glauben an Jesus Christus definiert, den Glauben an den Heiligen Geist jedoch nur allgemein erwähnt hat (“und an den Heiligen Geist”), hat erst das Konzil von Konstantinopel auch das Bekenntnis zum Heiligen Geist inhaltlich umschrieben und damit die Formulierung des Dogmas der göttlichen Trinität als der spezifisch christlichen Gestalt des Monotheismus ermöglicht.

Auf der anderen Seite ist das Symbol von Konstantinopel als verbindliche Ausformulierung des Glaubens von Nizäa zu verstehen, der im Symbol von Konstantinopel seine abschließende Gestalt gefunden hat.

Ökumenische Bedeutung des Konzils

Dieses Glaubensbekenntnis ist in seiner ökumenischen Bedeutung nicht zu unterschätzen, weil es nicht nur den orientalischen und orthodoxen Kirchen und der katholischen Kirche, sondern auch den aus der Reformation hervorgegangenen kirchlichen Gemeinschaften gemeinsam ist. Dies belegt auch und gerade die Confessio Augustana im Jahre 1530, die sich ganz in den Konzilsentscheidungen der frühen Kirche verwurzelt sieht und deshalb für sich in Anspruch nimmt, dass in ihm nichts vorhanden ist, “was abweicht von der Heiligen Schrift und von der allgemeinen und der römischen Kirche, wie wir sie aus den Kirchenschriftstellern kennen” (Confessio Augustana, Schluss des ersten Teils).

Der Anspruch des Glaubensbekenntnisses von Nizäa ist von grundlegender ökumenischer Bedeutung, da für die Wiedergewinnung der Einheit der Kirche die Übereinstimmung im wesentlichen Inhalt des Glaubens erforderlich ist, und zwar nicht nur zwischen den heutigen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften, sondern auch die Übereinstimmung mit der Kirche der Vergangenheit und vor allem mit ihrem apostolischen Ursprung. Das Nizäno-Konstantinopolitanische Glaubensbekenntnis stellt das stärkste ökumenische Band des christlichen Glaubens dar.

Bleibende Aktualität des christologischen Bekenntnisses

Die Beschäftigung mit dem Konzil von Nizäa ist zudem nicht nur von historischem Interesse. Sein christologisches Bekenntnis behält vielmehr auch und gerade heute seine bleibende Aktualität, sowohl in der ökumenischen Situation als auch in der eigenen Kirche, in denen der Geist des Arius wiederum sehr präsent geworden und ein starkes Wiedererwachen von arianischen Tendenzen festzustellen ist.

Bereits in den neunziger Jahren hat Joseph Kardinal Ratzinger die eigentliche Herausforderung der Christenheit in der heutigen Zeit in einem “neuen Arianismus” oder, milder, wenigstens in einem “recht ausgeprägten neuen Nestorianismus” wahrgenommen (J. Ratzinger, Ein neues Lied für den Herrn, Freiburg i. Br. 1995).

Arianische Tendenzen von heute

Solche arianischen Tendenzen zeigen sich vor allem darin an, dass sich nicht wenige Menschen und selbst Christen vor allem berühren lassen von allen menschlichen Dimensionen an Jesus von Nazareth, dass ihnen aber das Glaubensbekenntnis, dieser Jesus sei der eingeborene Sohn Gottes, der als der Auferweckte unter uns gegenwärtig ist, und insofern der kirchliche Christusglaube weithin Mühe bereiten. Selbst in der Kirche will es heute oft nicht mehr gelingen, im Menschen Jesus das Antlitz des Sohnes Gottes selbst wahrzunehmen und nicht einfach einen – wenn auch hervorragenden und besonders guten – Menschen zu sehen.

In dieser Situation, in der wir selbst in der heutigen Christenheit eine Arianisierung des Christusglaubens und damit einen beunruhigenden Bedeutungsverlust des christlichen Glaubens an Jesus als den Christus, in dem Gott selbst Mensch geworden ist, feststellen müssen, ist es ein dringendes Gebot der Stunde, das Christusbekenntnis zu erneuern. Es ist von daher zu hoffen, dass das 1700-Jahr-Jubiläum des Konzils von Nizäa als eine bedeutsame Gelegenheit wahrgenommen wird, dieses Konzils in ökumenischer Gemeinschaft zu gedenken und sich seines christologischen Bekenntnisses erneut zu vergewissern.

Katholischen Journalismus stärken

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Stärken Sie katholischen Journalismus!

Unterstützen Sie die Tagespost Stiftung mit Ihrer Spende.
Spenden Sie direkt. Einfach den Spendenbutton anklicken und Ihre Spendenoption auswählen:

Die Tagespost Stiftung- Spenden

Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.

Hier kostenlos erhalten!

Themen & Autoren

Kurt Kardinal Koch
Glaubensbekenntnis
Jesus Christus
Kardinal Kurt Koch
Kardinäle
Katholische Kirche
Kirchliche Gemeinschaften
Reformation der christlichen Kirchen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Kategorien

Die drei Säulen der röm. kath. Kirche

monstranz maria papst-franziskus

Archiv

Empfehlung

Ausgewählte Artikel