Entgegen der menschlichen Herrschaftslogik

Der Gottessohn aus der “Pampa” – Entgegen der menschlichen Herrschaftslogik – Dass Christus als König der Könige aus dem scheinbar unbedeutenden Dorf Bethlehem kommt, zeigt: Gottes Wege sind andere als die des Menschen

Quelle
Wir sind gerufen, Männer und Frauen der Hoffnung zu sein
Krippe

Martin Seiberl

In diesen Tagen vor Weihnachten rückt ein biblischer Ort vor Augen, der seit jeher fasziniert: Betlehem. Der christliche Glaube verbindet damit seine schönsten Bilder, die für viele Menschen den emotionalen Charakter des Weihnachtsfestes kennzeichnen. Ein in Windeln gewickeltes Kind in der Krippe, die Heilige Familie, Hirten unter dem Sternenzelt, singende Engelsschöre und eine ländliche Idylle bestimmen die Szenerie.
Auf ihre Weise transportieren diese romantisch-idealisierten Vorstellungen das, was Weihnachten ausmacht, nämlich das Erschließen eines heilvollen Raumes inmitten einer gemarterten Welt.

Vertiefte theologische Einsichten lassen sich ferner gewinnen, wenn man sich mit den Traditionen auseinandersetzt, die vor allem das Volk Israel mit dem Ort Betlehem verbindet. Der Leseabschnitt aus dem alttestamentlichen Buch Micha bezieht sich darauf. Im Mittelpunkt steht die Erwartung, dass Gott einen Retter schickt, der Israel von seinen Bedrückern befreien und eine neue Zeit des Friedens einläuten soll. Diese Erwartung ist eng mit Betlehem verknüpft: “aus dir (Betlehem) wird mir einer hervorgehen, der über Israel herrschen soll” (Mi 5,1).

Der menschlichen Herrschaftslogik entgegen

Hintergrund dafür ist eine wichtige Erinnerungsspur des Volkes Israel, denn die Herkunft des großen und hochverehrten Königs David wird in Betlehem lokalisiert. Dabei handelt es sich um eine überraschende Tatsache, denn der Ort Betlehem zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass er politisch und wirtschaftlich vollkommen unbedeutend war. Betlehem war in alter Zeit nicht mehr als ein Dorf, etwa acht Kilometer südlich von Jerusalem gelegen. Das Dorf besaß weder einen direkten Zugang zu einer Wasserquelle, noch lag es an einer wichtigen Handelsstraße, sodass man bezeichnenderweise den umgangssprachlichen Ausdruck “Pampa” aufgreifen kann.

Aus diesem Grund ist die Irritation des Propheten Samuel nachvollziehbar, als Gott ihn dorthin schickt und ihn darauf hinweist, dass gerade dort der neue König zu finden sei, den er sich erwählt hatte: der Hirtenjunge David.

Dadurch wird deutlich, was anhand von Betlehem zum Ausdruck gebracht werden will. Die unerwartete und unprätentiöse Herkunft König Davids aus Betlehem – einem Ort, der mit keinerlei monarchischen Traditionen verbunden war – unterstreicht, dass allein Gott es ist, der diesen Neuanfang mit seinem Erwählten herbeiführt. Ein Ort wie Betlehem steht menschlicher Logik entgegen, die einen neuen König sicher nicht im Dorfknaben von Betlehem sucht und vermutet, und weist gerade dadurch Gott als Handelnden aus.

Mit der Geburt Jesu in Betlehem wird dieser Gedanke aufgegriffen: Ein heilvolles neues Momentum eröffnet sich ganz von Gott her und bahnt sich – entgegen menschlicher Erwartung – seinen Weg in die ganze Welt.

Micha 5,1–4a
Hebräer 10,5–10
Lukas 1,39–45
Zu den Lesungen des vierten Adventssonntags 2024 (Lesejahr C)

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