Furchtlos radikal – In Armut für Gott

Klara von Assisi: Eine starke Frau in einer von Männern dominierten Zeit

Quelle
Klara von Assisi – Franziskaner
Hl. Klara von Assisi

22.11.2024

Christoph Münch

Dass die Rechte von Mädchen und Frauen bis in die Gegenwart hinein immer wieder beschnitten werden, zeigt sich vor allem dort, wo patriarchale, von Männern dominierte Strukturen vorherrschen. Bestes Beispiel hierfür ist aktuell die sich stetig verschlechternde Situation von Mädchen und Frauen in Afghanistan, die mit der Herrschaft der Taliban einen neuen traurigen Höhepunkt erreicht hat. Erst im August 2024 wurden neue Gesetze erlassen, die Frauen in der Öffentlichkeit zur vollständigen Verhüllung ihres Körpers – inklusive des Gesichts – zwingen und ihnen sogar das Sprechen und Singen verbieten. Seit 2021 dürfen Mädchen dort bereits keine weiterführende Schule mehr besuchen.

Auch wenn es im christlichen Abendland in der Regel keine derart grausamen Ausgestaltungen männlicher Dominanz über das weibliche Geschlecht gab, dauerte es auch hierzulande Jahrhunderte, ehe Frauen – mehr oder minder! – gleichberechtigt waren. Denn auch in Europa herrschte lange Zeit die Ansicht vor, dass Frauen keiner höheren Bildung bedürften, da ihre gesellschaftliche Rolle einzig in der Führung des Haushalts und der Erziehung der Kinder gesehen wurde. So verwundert es nicht, dass es heute zumeist bekannte und berühmte Männer gibt, deren Namen die Zeiten überdauert haben und deren Entdeckungen, Erfindungen oder auch philosophisch-literarischen Werke zum Erbe der Menschheitsgeschichte gehören. Doch zu allen Zeiten reihen sich auch immer wieder Frauen in die Liste der großen Gestalten ein, wenngleich es – aufgrund der dargestellten Problematik – im Vergleich zu Männern eher wenige sind.

Erste Frau, deren Ordensregel von Rom anerkannt wurde

So zeigt sich auch in der Kirchengeschichte, dass einzelne herausragende Frauen es geschafft haben, der männlichen Herrschaft ihrer Zeit ihren weiblichen Stempel aufzudrücken. Klara von Assisi steht hier in einer Reihe mit Frauen wie Hildegard von Bingen, Katharina von Siena, Birgitta von Schweden oder Elisabeth von Thüringen. Wenngleich die heilige Klara als Gründerin der nach ihr benannten Klarissen allzu oft in den Schatten ihres großen Vorbildes Franz von Assisi gerückt wird, zeigt ihr Leben doch, dass sie tatsächlich auch aus diesem Schatten herausgetreten ist. Ersichtlich wird dies unter anderem darin, dass es ihr kurz vor ihrem Tod gelang, als erste Frau überhaupt eine Ordensregel zu verfassen, die vom Papst in Rom anerkannt wurde.

Und doch bleibt der etwa zwölf Jahre ältere Franz von Assisi durch seinen Einsatz im Hinblick auf eine Lebensführung, die sich die Nachfolge Christi zum Ziel setzt, der große Wegbereiter, welcher der ebenfalls in Assis geborenen Klara den Weg zur Heiligkeit ebnete. Von ihm war sie so beeindruckt, dass der Wunsch in ihr aufkeimte, es ihm gleichzutun und ebenfalls aus den familiären Strukturen auszubrechen und ein Leben für Christus zu führen. Wie Franz entstammte auch sie einer wohlhabenden angesehenen Familie. Ähnlich wie für ihn der Weg als Sohn und Erbe eigentlich vorgezeichnet gewesen war, sollte auch Klara dem Willen ihres Vaters, dem Adligen Favarone von Offreduccio und Ortolanas, gehorchen und durch ihre Verheiratung mit einem standesgemäßen Ehemann den gesellschaftlichen Stand der Familie sichern. So wäre auch alles gekommen, hätte Klara nicht dieselbe Entschlossenheit und denselben Mut aufgebracht wie ihr männliches Vorbild Franz.

Während dieser bei seiner radikalen Absage an den Besitz und Wohlstand seiner Familie im Jahre 1206 etwa 25 Jahre alt gewesen war, floh Klara nach Begegnungen mit Franz bereits in der Nacht zum Palmsonntag – am 18./19. März 1212 – als etwa 18-Jährige aus ihrem Elternhaus, um sich in Portiunkula als Nonne “einkleiden” und in San Damiano inklausurieren zu lassen. Dabei hatte sie mit dem Druck der Familie zu kämpfen, die diesen Schritt mit aller Macht zu verhindern suchte. Zusammen mit ihren wertvollen Kleidern brachte die junge Frau auch ihr Haar Gott als Opfer dar und zeigte – nun in ein ärmliches Gewand gehüllt –, dass sie ihrem bisherigen Leben vollends abschwor.

Sie lebte bis zum Tod in Armut

Wiederum wie ihr großes Vorbild beschloss sie, in völliger Armut zu leben; ein Umstand den sie Zeit ihres Lebens nicht mehr ändern sollte. Selbst als die Päpste der Zeit sie, die seit 1215 Äbtissin der Gemeinschaft der „Armen Frauen von San Damiano“ war, drängten, Besitztümer anzunehmen, um die Eigenständigkeit des Ordens sicherzustellen, lehnte sie ab. Ihr furchtloser Einsatz für Christus bewog schnell auch andere Frauen, es ihr gleichzutun. Auch ihre jüngere Schwester Agnes trat der klösterlichen Gemeinschaft bei, später dann noch ihre Schwester Beatrix und sogar ihre Mutter.

Von den Benediktinern hatten die Klarissen – wie sie allerdings erst nach Klaras Tod genannt wurden – die kleine Kirche San Damiano erhalten, wo Klara den Rest ihres Lebens verbringen sollte. Um der neuen Gemeinschaft eine feste Struktur zu geben, hatte Franz eine Ordensregel formuliert, die man zunächst übernommen hatte. Dass Klara bis kurz vor ihrem Tod darum kämpfte, vom Papst als erste Frau überhaupt eine Ordensregel approbiert zu bekommen, verdeutlicht, dass es ihr nicht nur darum ging, Franz von Assis zu folgen. Vielmehr wollte sie auch ihre eigenen Vorstellungen darüber einbringen, wie ein Leben in strengster Nachfolge Christi zu leben ist. Um das Jahr 1247 herum hatte Klara diese Ordensregel entworfen, erst zwei Tage vor ihrem Tod am 11. August 1253 wurde sie von Papst Innozenz IV. offiziell anerkannt. Aus päpstlicher Sicht problematisch war dabei die radikale Strenge, mit der Klara und ihre Anhängerinnen das Armutsgelübde lebten. Bereits 1215/16 hatte sie diesbezüglich ein päpstliches „Privilegium paupertatis“ erhalten. 

Wenngleich die Frage nach dem Güterbesitz für Klöster des Ordens nach ihrem Tod neu entschieden wurde und unter Urban IV. 1263 eine neue Ordensregel erlassen wurde, war Klara sich ihr Leben lang treu geblieben. Vermutlich auch aus diesem Grund breitete sich der Orden rasch in ganz Europa aus, sodass zur Zeit ihres Todes bereits über 100 Klöster nach ihrer Ordensregel lebten. Auch bei Frauen aus der gesellschaftlichen Oberschicht fand die radikale Aufgabe des Wohlstandslebens großen Anklang. Klara von Assisi ging es jedoch nicht nur um das Leben der Gemeinschaft in San Damiano, vielmehr zeichnete sie sich durch ihr für die damalige Zeit ungewöhnlich hohes Maß an Bildung aus. Sie unterhielt Korrespondenzen mit anderen gebildeten Frauen, in denen sie sich über Spiritualität und Christusnachfolge austauschten. Dabei war Klaras Gesundheit von Kindheit an sehr angegriffen. Ab ihrem 30. Lebensjahr war sie sogar zumeist ans Bett gefesselt. Und doch hinterließ sie bei ihrem Tod zahlreiche Briefe sowie ein Testament.

 

Wie sehr ihr Lebenswerk aus der kleinen Kirche in Assisi hinaus in die Welt wirkte, zeigt sich nicht nur an den zahlreichen Klostergründungen, sondern auch an Klaras Verehrung. Denn bereits zwei Jahre nach ihrem Tod wurde sie, die der Legende nach durch die Wirkkraft der Monstranz mit dem Allerheiligsten räuberische Sarazenen in die Flucht geschlagen und immer wieder Visionen gehabt hatte, durch Papst Alexander IV. heiliggesprochen. Auch heute noch ist der Klarissenorden mit etwa 750 Klöstern in über 76 Ländern verbreitet. Er ist ein Beispiel dafür, dass Frauen auch in Zeiten männlicher Dominanz Großes zu leisten vermögen; eine Leistung, die hier in radikaler Armut und liebender Christusnachfolge besteht.

 

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