Wiederholt nicht den Klerikalismus!

Christsein verlangt die Bereitschaft zur Selbstreduktion. Warum die Kritik an Papst Franziskus wieder einmal ins Leere geht

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02.10.2024

Stefan Rehder

Der Heilige Vater, Papst Franziskus, ist katholisch. Das sorgt nicht nur in Deutschland hin und wieder für Verwunderung, sondern auch in Belgien. Offenbar vom Gendervirus Infizierte meinten dort vergangenen Samstag, sie müssten, unmittelbar nach der Rede des Heiligen Vaters an der ULC, der Université catholique de Louvain, “ihr Unverständnis und ihre Missbilligung über die von Papst Franziskus geäußerte Position zur Stellung der Frau” in Kirche und Gesellschaft öffentlich machen. Im universitären Umfeld darf das überraschen. Denn dass Frauen und Männer verschieden sind, ist wissenschaftlich hinreichend verifiziert.

Wo Frauen zwei X-Chromosomen haben, besitzen Männer nur eines. Selbstverständlich lässt sich darüber diskutieren, ob und inwieweit kulturelle Zuschreibungen den fundamentalen Unterschied, der sich hinter diesem Faktum verbirgt, auch immer schon korrekt abbilden. So ließ sich aus XX-Chromosomen nie herauslesen, dass Frauen keine Unternehmen oder Behörden leiten, hohe Staatsämter oder gutdotierte Lehrstühle bekleiden, Flugzeuge fliegen oder Kreuzfahrtschiffe steuern sollten. Und schon gar nicht findet sich dort, dass, wenn sie es tun, sie dies für weniger Gehalt tun müssten als die Träger von XY-Chromosomen.

Frau- respektive Mannsein ist den Geschlechtern in den Leib geschrieben

Worüber sich aber nicht streiten lässt, ist, dass ein solcher Unterschied existiert. Denn Frau- respektive Mannsein ist den Geschlechtern buchstäblich in den Leib geschrieben. Nicht einmal und irgendwo. Sondern billionenfach und überall. Genauer: in den Kern einer jeden Körperzelle. Mit überwältigender Evidenz also. Als der Logos Fleisch und Gott Mensch wurde, konnte er zwischen zwei X-Chromosomen und der XY-Kombination wählen. Offenbar entschied er sich für Letzteres. Wenn also Gott in Christus Mensch wurde und dieser mit dem historischen Jesus identisch ist, dann starb Gott für unsere Sünden am Kreuz als Mann.

Wenn das aber so ist und katholische Priester die Sakramente in “persona Christi” spenden, sollte niemand so tun, als wäre es das Normalste auf der Welt, anzunehmen, welches Geschlecht diejenigen besitzen, die dabei an seine Stelle treten, sei völlig belanglos. Ganz besonders gilt das für die Feier der Eucharistie, bei der bekanntlich das Kreuzesopfer Christi – wenn auch auf unblutige Weise – wiederholt und gegenwärtig gesetzt wird. Zudem hat Jesus, der sich den Juden als der “neue Adam” vorstellte, obgleich er sich beständig über herrschende Konventionen hinwegsetzte und wie kein anderer einen freien Umgang mit Frauen pflegte, ausschließlich Männer zu Aposteln berufen. Männer, die aufgrund ihrer XY-Biologie keine Kinder gebären können und daher in weit größerem Umfang verfügbar sind.

Bereitschaft zur Eigenreduktion nötig

So gesehen ist es nicht frei von Ironie, dass ausgerechnet dieselben, die Anstoß daran nehmen, dass Papst Franziskus in seiner Rede an der ULC “fruchtbares Empfangen, Sorge und lebendige Hingabe” mit dem Frausein assoziierte, gleichwohl finden, Frauen dürften darauf “nicht reduziert” und müssten endlich zu Priesterinnen geweiht werden und in einen Stand eintreten können, der per definitionem die Bereitschaft zur Ganzhingabe und völliger Verfügbarkeit beinhaltet. Zumal schon der Begriff “Christsein” unmissverständlich anzeigt, worin dessen eigentlicher Clou besteht.

Wer Christ sein will, strebt eo ipso danach, sich von Gott in einen “ipse Christus”, einen anderen Christus, umgestalten zu lassen. Ohne die Bereitschaft zur Eigenreduktion ist das nicht zu haben. Zum Christsein gehört daher die Einsicht in die Notwendigkeit der Selbstreduktion, wie sie der heilige Johannes der Täufer im Evangelium des Johannes formuliert: “Er muss wachsen, ich aber geringer werden” (Joh 3,30). Dass der mitunter unerträgliche Klerikalismus vergangener Tage diese Einsicht nicht befördert hat, ist unleugbar. Ein Grund für Frauen, ihn zu wiederholen, ist er nicht. Zumal sie, wie jeder andere Getaufte auch, ohnehin Anteil am allgemeinen Priestertum haben.

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