Vorhang zu und alle Fragen offen
Synodaler Weltprozess beendet – Franziskus verzichtet auf ein nachsynodales Schreiben und bittet alle, bestehende Unterschiede in Geduld auszuhalten
28.10.2024
Der Schlussakt der römischen Bischofssynode stand ganz im Zeichen des Heiligen Geistes und des petrinischen Lehramtes: Erstmals nach der langen Restaurierung war der gewaltige Bernini-Baldachin während der feierlichen Abschlussmesse im Petersdom ohne Verkleidung und in neuem Glanz zu sehen, was Papst Franziskus in seiner Predigt mit den Worten kommentierte, wenn man diesen Baldachin betrachte, dann entdecken wir wieder, “dass er den wahren Brennpunkt der gesamten Basilika umrahmt, nämlich die Herrlichkeit des Heiligen Geistes. Dies ist die synodale Kirche: eine Gemeinschaft, in der die Gabe des Geistes an erster Stelle steht, der uns alle zu Brüdern und Schwestern in Christus macht und uns zu ihm erhebt.”
Und auch der antike “Papst-Thron” – in Wirklichkeit ein schlichter Holzstuhl, auf dem Petrus gesessen haben soll – war seiner barocken Umhüllung entnommen und vor den Baldachin getragen worden. Franziskus in seiner Predigt dazu: Wenn man die sorgfältig restaurierte Reliquie der alten Kathedra des heiligen Petrus sehe und verehre, “erinnern wir uns daran, dass dies die Kathedra der Liebe, der Einheit und der Barmherzigkeit ist, gemäß dem Gebot, das Jesus dem Apostel Petrus gab, nicht über andere zu herrschen, sondern ihnen in Liebe zu dienen”.
Keine vorschnellen Entscheidungen
Am Tag zuvor hatten die Teilnehmer an der zweiten römischen Bischofssynode zu Synodalität, Teilhabe und Mission über das Schlussdokument des synodalen Weltprozesses abgestimmt. Die Synodalen der beiden Synoden 2023 und 2024 sollten einen neuen Stil einüben, den des Zuhörens und des “Gebets im Geist”.
Und als sei damit das Ziel der Synode schon erfüllt, gab Franziskus am Samstagabend bekannt, dass dies nun der finale Text für die Weltkirche sei, dem er kein postsynodales Dokument folgen lassen werde: Im Lichte der Ergebnisse der Synode “müssen und werden Entscheidungen getroffen werden”, sagte Franziskus in der Synodenhalle. Aber “in dieser Zeit der Kriege müssen wir Zeugen des Friedens sein, auch indem wir lernen, der Zusammenleben der Unterschiede eine echte Form zu geben”.
Der erarbeitete und abgestimmte Text enthalte bereits sehr konkrete Hinweise, “die eine Richtschnur für die Mission der Kirchen in den verschiedenen Kontinenten und in den verschiedenen Kontexten sein können: Deshalb mache ich ihn sofort allen zugänglich.” Auf diese Weise, so der Papst, wolle er “den Wert des abgeschlossenen synodalen Weges anerkennen, den ich mit diesem Dokument dem heiligen Volk Gottes übergebe”.
Franziskus mahnte zur Geduld: “Bei einigen Aspekten des kirchlichen Lebens, die in dem Dokument genannt werden, sowie bei den Themen, die den zehn Studiengruppen anvertraut wurden, die in Freiheit arbeiten müssen, braucht man Zeit. Ich werde weiterhin auf die Bischöfe und ihre Gemeinschaften hören. Das bedeutet nicht, Entscheidungen auf unbestimmte Zeit zu verschieben, sondern das entspricht dem synodalen Stil: zuhören, zusammenkommen, unterscheiden, entscheiden und bewerten”.
Das gelte auch für ihn selber, so Franziskus weiter: “Auch der Bischof von Rom muss sich im Zuhören üben, ja will sich im Zuhören üben. Und meine Aufgabe ist es, die Harmonie, die der Geist in der Kirche verbreitet, zu bewahren und zu fördern”. Es sei eine Kirche, “die für alle offen ist, für alle, alle, alle, die niemanden ausschließt und draußen lässt”. Wie viel Schaden, so der Papst, würden die Männer und Frauen der Kirche zufügen, wenn sie Mauern errichteten: “Die Starrheit ist eine Sünde, die manchmal in die Kleriker, die geweihten Männer und Frauen, eindringt”.
Mission und Synodalität gehören zusammen
Das Abschlussdokument liegt bisher in italienischer und englischer Sprache vor. Es gliedert sich in fünf Kapitel. Im ersten Kapitel beschreibt es “das Herz”, also den Kern der Synodalität, etwa in Paragrafen 32 und 33: “Die Synodalität ist kein Selbstzweck, sondern zielt auf die Sendung, die Christus der Kirche im Geiste anvertraut hat. Die Evangelisierung ist die wesentliche Sendung der Kirche…, sie ist die der Kirche eigene Gnade und Berufung, ihre tiefste Identität. Indem sie allen nahe sind, ohne Unterschied der Person, und predigen und lehren, taufen, die Eucharistie und das Sakrament der Versöhnung feiern, antworten alle Ortskirchen und die ganze Kirche konkret auf den Auftrag des Herrn, allen Völkern das Evangelium zu verkünden. Indem sie alle Charismen und Ämter wertschätzt, befähigt die Synodalität das Volk Gottes, Frauen und Männern an jedem Ort und zu jeder Zeit, das Evangelium zu verkünden und zu bezeugen und so zu einem ‘sichtbaren Sakrament’ der von Gott gewollten Geschwisterlichkeit und Einheit in Christus zu werden. Synodalität und Mission sind eng miteinander verbunden: Die Mission erleuchtet die Synodalität und die Synodalität treibt die Mission an.”
Dabei sei die Autorität der Hirten “eine besondere Gabe des Geistes Christi, des Hauptes, zur Erbauung des ganzen Leibes. Diese Gabe ist mit dem Weihesakrament verbunden, das diejenigen, die es empfangen, auf Christus, das Haupt, den Hirten und den Diener, festlegt und sie in den Dienst des heiligen Gottesvolkes stellt, um die Apostolizität der Verkündigung zu gewährleisten und die kirchliche Gemeinschaft auf allen Ebenen zu fördern. Die Synodalität bietet den geeignetsten Interpretationsrahmen, um das hierarchische Amt selbst zu verstehen, und rückt den Auftrag, den Christus im Heiligen Geist den Hirten anvertraut, in die richtige Perspektive. Sie lädt daher die gesamte Kirche, einschließlich der Verantwortlichen, zu Umkehr und Reform ein.”
Die Frauen: Weitere Überlegungen sind erforderlich
Im zweiten Kapitel unter der Überschrift “Gemeinsam im Boot” geht es um die Bekehrung der Beziehungen, denen mit Gott und Jesus Christen und denen der Christen untereinander. In diesem Kapitel behandelt Paragraf 60 die Stellung der Frau, der bei der Abstimmung – bei 258 Ja-Stimmen – die mit Abstand meisten Gegenstimmen erhielt: 97. Da es wohl das wichtigste Thema der Synode war, sei dieser Paragraf hier vollständig in einer Übersetzung der Redaktion zitiert:
“Kraft der Taufe haben Männer und Frauen die gleiche Würde im Volk Gottes. Dennoch stoßen die Frauen nach wie vor auf Hindernisse, wenn es darum geht, eine umfassendere Anerkennung ihrer Charismen, ihrer Berufung und ihres Platzes in den verschiedenen Bereichen des kirchlichen Lebens zu erlangen, was zu Lasten des Dienstes an der gemeinsamen Sendung geht. Die Heilige Schrift zeugt von der herausragenden Rolle vieler Frauen in der Heilsgeschichte. Eine Frau, Maria von Magdala, wurde mit der ersten Verkündigung der Auferstehung betraut; am Pfingsttag war Maria, die Mutter Gottes, im Abendmahlssaal anwesend, zusammen mit vielen anderen Frauen, die dem Herrn gefolgt waren. Es ist wichtig, dass die entsprechenden Schriftstellen einen angemessenen Platz in den liturgischen Lektionaren finden.
Einige entscheidende Momente in der Kirchengeschichte bestätigen den wesentlichen Beitrag der vom Geist bewegten Frauen. Frauen stellen die Mehrheit der Kirchenbesucher und sind oft die ersten Zeugen des Glaubens in den Familien. Sie sind im Leben kleiner christlicher Gemeinschaften und Pfarreien aktiv; sie leiten Schulen, Krankenhäuser und Heime; sie führen Initiativen zur Versöhnung und zur Förderung der Menschenwürde und der sozialen Gerechtigkeit. Frauen leisten einen Beitrag zur theologischen Forschung und sind in verantwortlichen Positionen in kirchlichen Einrichtungen, in der Diözesankurie und in der Römischen Kurie vertreten. Es gibt Frauen in leitenden Positionen oder als Gemeindeleiterinnen.
Diese Versammlung ruft dazu auf, alle Möglichkeiten, die das geltende Recht in Bezug auf die Rolle der Frau bereits vorsieht, in vollem Umfang zu nutzen, insbesondere dort, wo sie noch nicht ausgeschöpft werden. Es gibt keinen Grund, warum Frauen keine Führungsaufgaben in der Kirche übernehmen sollten: Was vom Heiligen Geist kommt, kann nicht aufgehalten werden. Auch die Frage des Zugangs von Frauen zum diakonischen Dienst bleibt offen. Diesbezüglich sind weitere Überlegungen erforderlich. Die Vollversammlung ruft auch dazu auf, der Sprache und den Bildern, die in der Predigt, der Lehre, der Katechese und bei der Abfassung offizieller kirchlicher Dokumente verwendet werden, mehr Aufmerksamkeit zu schenken und dem Beitrag von heiligen Frauen, Theologinnen und Mystikerinnen mehr Raum zu geben.”
Die Autorität der Bischöfe
Unter dem Titel “Werft die Netze aus” behandelt das dritte Kapitel die “Bekehrung der Prozesse”, währende das vierte Kapitel einen “reichen Fischfang wünscht” – so der Titel – und auch die Bischofskonferenzen und kontinentalen Zusammenschlüsse behandelt. In der Frage der lehramtlichen Kompetenz auf deren Ebene bleibt das Abschlussdokument vage, auch wenn es die Stellung des Bischofs heraushebt. So schlägt die Synode in Paragraf 125 nur vor, “den Umfang der lehrmäßigen und disziplinären Zuständigkeit der Bischofskonferenzen festzulegen. Ohne die Autorität des Bischofs in der ihm anvertrauten Ortskirche zu untergraben oder die Einheit und Katholizität der Kirche zu gefährden, kann die kollegiale Ausübung dieser Zuständigkeit die authentische Lehre des einen Glaubens in angemessener und inkulturierter Weise in den verschiedenen Kontexten fördern, indem sie die geeigneten liturgischen, katechetischen, disziplinarischen, pastoralen, theologischen und spirituellen Ausdrucksformen bestimmt.”
Deutlich aufgewertet wird aber die Institution der römischen Bischofssynode, die zu einem festen Bestandteil der universalen Kirchenleitung werden soll. Abschließend ruft das fünfte Kapitel alle Getauften dazu auf, zu einem “Volk von missionarischen Jüngern” zu werden.
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