Per Framing zur vollständigen Legalisierung

Ein Kongress dokumentiert, wohin die Reise der Abtreibungslobby geht: Am Ende steht die einsame Abtreibung ohne jede ärztliche Betreuung

Quelle

10.10.2024

Cornelia Kaminski

“Sie können sicher sein, dass jedes Thema, das im Moment in der Abtreibungswelt diskutiert wird, bei diesem Kongress von den führenden Anbietern und Befürwortern der Wahlfreiheit unter die Lupe genommen wird.” Mit diesen Worten warb die FIAPAC für die Teilnahme am Kongress – Grund genug, sich unter die Befürworter der “Wahlfreiheit” zu mischen, um zu erfahren, was genau diese Themen sind. Und vor allem, mit welchen Strategien an ihrer Umsetzung gearbeitet werden wird.

“Die Welt braucht euch, um das Stigma rund um Abtreibungen zu beenden”, so begrüßte die FIAPAC Präsidentin Nausikaä Martens die Teilnehmer. Wer diese “Welt” ist, das machte die Vertreterin der Weltgesundheitsorganisation in ihrem Eröffnungsbeitrag deutlich. Dr. Bela Ganatra, die bei der WHO zum Leitungsteam des Weltbevölkerungsprogramms gehört, wandte sich gleich zu Beginn ihrer Ansprache direkt an die etwa 500 nahezu ausschließlich weiblichen Teilnehmer. “Manche Frauen brauchen eine Abtreibung zu einem späteren Zeitpunkt in ihrer Schwangerschaft. Glauben wir, dass Abtreibungen niemals kriminalisiert sein sollten?” Ein vielstimmiges “Jaaaaa!” war die Antwort des Publikums, das damit auch gleich deutlich machte, wofür die FIAPAC steht: Uneingeschränkte Legalisierung der vorgeburtlichen Kindstötung bis zur Geburt. In 135 Ländern der Erde würden Frauen noch dafür kriminalisiert, dass sie “eine Behandlung” in Anspruch nehmen, so Ganatra. “Wir haben sehr viel Arbeit vor uns.”

Konsequentes Framing nötig

Das Weltbevölkerungsprogramm sei ein spezielles Programm der WHO, zu dem die Arbeit an einer Abtreibungsrichtlinie gehöre. “Ich sehe viele Menschen in diesem Raum, die daran mitgearbeitet haben. Sie heißt WHO-Richtlinie zur Abtreibung, aber es ist unsere Richtlinie!” Beifall aus dem Publikum. Dieses WHO-Dokument sei zwar ein wichtiges Instrument, aber es reiche nicht, um in den Ländern, in denen Abtreibungen noch nicht vollständig erlaubt sind, eine Umkehr zu bewirken. Daher sei ein konsequentes Framing notwendig. Im Kern geht es beim Framing darum, wie eine Nachricht “eingebettet” wird, sodass bestimmte Aspekte hervorgehoben und andere ausgeblendet werden. Diese “Rahmung” beeinflusst dann, wie die Information wahrgenommen und beurteilt wird.

Die WHO, so Ganatra, frame Abtreibung als Gesundheitsleistung. Damit dies tragfähig sei, habe die WHO ihre Definition von Gesundheit ausgeweitet. Gesundheit beschreibe nun nicht einfach die Abwesenheit von Tod oder Krankheit, sondern allgemeines und soziales Wohlbefinden. Das ermögliche es der WHO, über Abtreibungen positiv zu sprechen und sie gleichzeitig mit Gesundheit und Politik zu verknüpfen. Das erklärte Ziel der WHO sei es, ihre Empfehlungen zur Abtreibung in den jeweiligen Gesundheitssystemen zu etablieren. Dazu gehöre die chemische Abtreibung mit Mifepriston und Misoprostol. “Wir müssen sicherstellen, dass das, was wir empfehlen, in unsere globale Medikamentenliste aufgenommen wird, damit kein Land bei der Erneuerung seiner Listen außen vor gelassen wird. Unsere Leitlinien müssen in alle Regierungsdokumente aufgenommen werden.”

Liberalisierung eröffnet neue Märkte

Mit diesem systemischen Ansatz sei die WHO in den letzten Jahren bereits in Benin, Burkina Faso, Indien, Laos, Nepal, Pakistan, Ruanda und Sierra Leone erfolgreich gewesen. Ganatra führte aus: Innerhalb von vier bis fünf Jahren nach dem Engagement der WHO liberalisierten diese Länder ihre Abtreibungsgesetze. Die WHO konzentrierte sich auf das Thema Müttersterblichkeit und reproduktive Rechte als Ganzes. Dieser systemische Ansatz war dabei nicht auf eine bestimmte Krankheit ausgerichtet, sondern ganzheitlich. Das funktionierte, wenn es ein hohes Maß an politischer Unterstützung gab. Zu den Herausforderungen, so Ganatra weiter, gehöre auch das Risiko, in Vergessenheit zu geraten – es bedürfe ständiger Bemühungen, um sicherzustellen, dass schriftliche Vereinbarungen immer wieder in Erinnerung gerufen und schließlich umgesetzt werden. Das richtige Framing für Abtreibungen nutzen: Diesem Thema war nicht nur ein weiterer Vortrag, sondern auch ein “wissenschaftliches” Poster gewidmet – sein Titel: “Abortion Framing Tool Kit” – “Werkzeugkasten für das Abtreibungsframing”.

Sobald die Abtreibungsgesetze in den jeweiligen Ländern mittels solcher Instrumente liberalisiert worden sind, eröffnet sich dort ein neuer Markt für die beiden Hauptsponsoren des FIAPAC Kongresses. MSI Reproductive Choices ist neben Planned Parenthood der größte Anbieter von Abtreibungen weltweit mit einem Tätigkeitsschwerpunkt in Afrika und Südostasien. MSI hat seinen Namen 2020 geändert, da die Gründerin – ähnlich wie Margaret Sanger, die Gründerin von Planned Parenthood – Eugenikerin und Antisemitin war. Der zweite Hauptsponsor des Kongresses, NORDIC Pharma, vertreibt das Präparat, mit dem chemische Abtreibungen durchgeführt werden: Mifegyne.

Verhütet oder abgetrieben? Egal

Seit 2006 ist Rebecca Gomperts mit Vorträgen bei FIAPAC Kongressen aktiv. Sie ist die Gründerin von Women on Waves und Women on Web, Organisationen, die Frauen dort mit Möglichkeiten der vorgeburtlichen Kindstötung versorgen, wo Gesetze das ungeborene Leben noch einigermaßen schützen. Women on Web wirbt auf seiner Internetseite mit den Worten “Wir haben über 100.000 Menschen geholfen, die Abtreibungspille online zu bestellen. Schnelle Lieferung von Mifepriston und Misoprostol per Post.” Einzige Voraussetzung ist das Ausfüllen eines Onlinefragebogens sowie die Zahlung einer “Spende” von 120 Euro. Gomperts Thema: Frauen seien es müde geworden, die Antibabypille zu nehmen. Der juristische Unterschied zwischen Abtreibung und Verhütung sei für viele von ihnen ohnehin nicht von Interesse. Ziel sei es, langfristig die Trennlinie zwischen Verhütung und Abtreibung vollständig zu verwischen. Ob nur verhütet oder abgetrieben wurde, weiß dann keiner mehr so genau.

Christian Fiala aus Wien hatte gleich fünf Beiträge eingereicht. Einer davon behandelte die ärztliche Gewissensfreiheit: Hatte Fiala früher hierfür den Begriff der “Dishonorable Disobedience” – ehrloser Ungehorsam – etablieren wollen, so versucht er nun, diese als “belief-based care denial” (Verweigerung der Behandlung aus Glaubensgründen) zu framen. Da die Verweigerung von Leistungen meist auf die “reproduktive Gesundheitspflege”, vor allem auf Abtreibungs- und Verhütungsdienste, beschränkt sei, könne man sie als geschlechtsspezifische Diskriminierung von Frauen bezeichnen.

Auch Verhütung ist ein Thema für den umtriebigen Wiener Abtreibungsarzt. Seit etwa 1995 kehrten Frauen zusehends der hormonellen Verhütung (Antibabypille) den Rücken. Dies sei unbegründet, medial gesteuert und angstgetrieben. Auch hier könne die richtige Sprache (also ein Frame) Abhilfe schaffen: Den Frauen sei zu vermitteln, dass “Hormone weder gut noch schlecht sind, sondern einfach die Sprache des Körpers”.

Es ging nie um das Wohlergehen der Frauen

Die Entwickler der “Natural Cycles App” scheinen hingegen davon auszugehen, dass die jahrelange Einnahme von Hormonen, die der Körper nicht braucht, sowohl den Frauen als auch der Umwelt schadet. Diese App ist die einzige natürliche Verhütungsmethode, die eine Zulassung der amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA bekommen hat, und setzt auf moderne digitale Instrumente wie Smartwatches zur Kontrolle der fruchtbaren Tage. Kristina Gemzell-Danielsson beschrieb die App in einem Vortrag und wies auf ihre Nachteile hin: Sie schütze nicht vor Geschlechtskrankheiten und sie böte nicht die “zusätzlichen gesundheitlichen Vorteile” hormoneller Verhütungsmittel.

In einem weiteren Vortrag erläuterte Fiala, dass die Feststellung des Rhesus-Faktors bei Frauen, die mit chemischen Medikamenten abtreiben wollen, unterbleiben könne: dafür gäbe es keine Evidenz. In Deutschland ist dieser Test aufgrund der Empfehlung des Instituts für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen seit 2021 Kassenleistung. In Verbindung mit einer Rhesus-Prophylaxe kann er das Risiko für weitere Schwangerschaften deutlich senken. Für Fiala stellt dieser Test jedoch einen unnötigen Arzt-Patientenkontakt dar, der einer völlig autonomen Abtreibung im Wege steht. Sein Ziel: die “over-the-counter” Abtreibung, bei der die Schwangere die Abtreibungspillen zusammen mit einem Schwangerschaftstest kauft und die vorgeburtliche Tötung ihres Kindes vollständig allein zu Hause erledigt. Ist das Ziel erreicht, erübrigt sich die Frage nach der Gewissensfreiheit der Ärzte: Sie sind für eine Abtreibung nicht mehr erforderlich. Fialas Beteuerung zu Beginn des von NORDIC Pharma gesondert gesponsorten Vortrags, es bestehe kein “Interessenskonflikt”, darf bezweifelt werden.

Der Kreis scheint sich zu schließen. Nachdem seit Jahrzehnten Abtreibungslobbyisten eine völlige Legalisierung der Abtreibung fordern, da sonst Frauen an illegalen Abtreibungen ohne medizinische Betreuung Schaden nehmen würden, ist genau diese einsame Abtreibung ohne jede ärztliche Begleitung Ziel der Abtreibungslobby. Wer bisher noch daran gezweifelt hat, dass es ihr nie um das Wohlergehen der Frauen ging, den hat dieser Kongress eines Besseren belehrt.

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