Kommentar zu neuer Enzyklika “Dilexit nos”: Mehr als kitschige Frömmigkeit

Mit seiner jüngsten Enzyklika will Franziskus den Blick dafür schärfen, wie die Kirche ihre Weltverantwortung wahrzunehmen hat

Quelle
Die Welt durch die Liebe erneuern | Die Tagespost
Hl. Herz Jesu

24.10.2024

Guido Horst

Die Verehrung des Herzens Jesu. Für viele, auch gläubige Katholiken, klingt das etwas fremd. Wie aus der Zeit gefallen. Bei der Vorstellung der jüngsten Enzyklika “Dilexit nos” (Er hat uns geliebt) von Papst Franziskus gab es Erzbischof Bruno Forte selber zu.

Der italienische Theologe, der Oberhirte des Bistums Chieti-Vasto ist, hatte den Text vor den Medienvertretern in Rom zu präsentieren – was ein kleiner Hinweis auf die Autorenschaft des neuen Papst-Dokuments ist – und erzählte von seiner Kindheit mit sieben Geschwistern: Da hing ein Bild des Herzens Jesu im Flur. Man schaute es an, bevor man das elterliche Haus verließ: Ein blutrotes Herz, mit Dornen umwickelt, von zwei Pfeilen durchbohrt. Diese Form der Jesus-Verehrung, so Forte, sei heute fast völlig verschwunden.

Und nun, gegen Ende der römischen Bischofssynode, von der man Reformen der Kirchenstruktur erwartet, eine Aufwertung der Rolle der Frau, kommt der Papst mit so etwas: der Verehrung des Herzens Jesu, für viele ein Relikt aus vergangenen Zeit, eine Form von schlichter, ja fast kitschiger Religiosität.

Ein Paradigmenwechsel

Erzbischof Forte selber räumte ein, dass diese Form der Christus-Verehrung als ein Akt intimistischer Frömmigkeit verschrien sei, die völlig außer Acht lasse, dass der Christ nicht nur religiöse Gefühle pflegen, sondern seine Liebe zu Gott auch in der Liebe zu den Menschen zum Ausdruck bringen soll. Doch das sei eben der Paradigmenwechsel, den der Papst mit seiner neuen Enzyklika versuche.

“Dilexit nos” (Er hat uns geliebt)
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Franziskus stellt sein Schreiben “über die menschliche und göttliche Liebe des Herzens Jesu Christi” ausdrücklich in die Reihe der beiden Sozialenzykliken “Laudato sì” und “Fratelli tutti”. In denen ging es sehr politisch zu, nicht nur von der Bewahrung der Schöpfung war die Rede, sondern auch von der Ausbeutung armer Völker, von wirtschaftlicher Ungerechtigkeit und der Missachtung der Menschenrechte. Aber wenn sich der Christ, wie der Papst in diesen beiden Enzykliken, seiner Weltverantwortung stellt, mit welchem Blick soll er auf die Menschen schauen?

Die Kirche ist keine NGO

Das ist die Aktualität von “Dilexit nos”. Nur wenn der Getaufte mit dem Blick Jesu auf die Menschen schaut, hat er die richtige Perspektive. Der Blick Jesu auf die Menschen seiner Zeit war der Blick eines liebenden Herzens, das mit seiner Liebe bis zum Äußersten ging, bis zum Tod am Kreuz.

Die Kirche ist eben keine NGO, kein “religiöser Arm” der Vereinten Nationen, der die Gesellschaften und die Politik menschlicher, sozialer und gerechter machen soll, weil das dem humanistischen Auftrag der Gutmenschen entspricht. Die Kirche ist vielmehr die Form, wie Jesus Christus auch in der “bösen Welt” von heute gegenwärtig ist – und keine Gebrauchsanweisungen oder politische Lösungen anzubieten hat, sondern ein Herz aus Fleisch und Blut, mit dem jeder Christ auf die Bedrängten schauen soll: auf die Opfer der Kriege, die unterdrückten Minderheiten, auch auf die Sünder und Verblendeten – und nicht zuletzt auf die Flüchtlinge, die zu Hunderten von Millionen in der Fremde eine neue Heimat suchen.

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