Moskau zum Frieden zwingen

Wladimir Putin legt Friedens- als Kapitulations-Verhandlungen an, Wolodymyr Selenskyj sucht nach einer internationalen Lösung

Quelle
Gerechter Friede ist eine Utopie | Die Tagespost (die-tagespost.de)

25.09.2024

Stephan Baier

In einem, in einem einzigen Punkt scheinen sich Wladimir Putin und Wolodymyr Selenskyj einig zu sein: Der Krieg Russlands gegen die Ukraine ist keine bilaterale Angelegenheit, keine Sache alleine zwischen Moskau und Kiew, sondern von internationaler Dimension. Immer wieder hat der russische Präsident betont, Russland sehe sich in einer Auseinandersetzung mit dem “kollektiven Westen”, immer wieder hat er die USA und Europa für das ukrainische Agieren verantwortlich erklärt und die Regierung in Kiew zur westlichen Marionette erklärt.

Umgekehrt hat nun der ukrainische Präsident am Dienstag vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in New York die internationale Dimension des russischen Angriffskriegs betont: Russland begehe internationale Verbrechen und habe gegen die UNO-Charta verstoßen.

Freiwillig lenkt Putin nicht ein

Selenskyjs Argumentation ist klar: Gerade weil dieser Krieg keine rein bilaterale Angelegenheit ist, kann er nicht dadurch beendet werden, dass eine Seite einfach die Kampfhandlungen einstellt. Klar ist das für die ukrainische Seite, denn wenn Kiew aufhört, die Ukraine zu verteidigen, ist es um die ukrainische Freiheit und Staatlichkeit geschehen.

Selenskyj meint aber auch, Putin habe “so viele internationale Normen und Regeln gebrochen, dass er nicht von sich aus damit aufhören wird”. Freiwillig werde der Kriegsherr im Kreml darum nicht einlenken. Wer mit ihm verhandeln wolle, werde bloß hören, “dass er verärgert ist, weil wir unser Recht ausüben, unser Volk zu verteidigen”.

Strategie der Schuldumkehr

Tatsächlich macht der Aggressor dem Opfer Vorwürfe: In einer für Psychologen überaus aufschlussreichen Strategie der Schuldumkehr wirft Putin der Regierung der Ukraine (und dem dahinter vermuteten “kollektiven Westen”) seit Monaten vor, an der Fortdauer des Krieges Schuld zu tragen und damit immer neues Leid zu verursachen. Dieser Vorwurf, den linke wie rechte Putinisten in Europa munter übernehmen, zielt auf das, was der Kreml von Anfang an intendierte: auf die Kapitulation der Ukraine. Dieses Ziel bestimmt auch die Bedingungen, die Putin transparent und öffentlich an Friedensverhandlungen knüpft.

Weil Selenskyj den Weg der Kapitulation nicht beschreiten will und angesichts des Genozids in den heute russisch besetzten Gebieten der Ukraine auch nicht beschreiten kann, besteht er auf einer Internationalisierung: Der Westen muss wissen, dass Wladimir Putin nicht bloß ein Problem der Ukraine, sondern der Staatengemeinschaft ist. Und die westlichen Partner der Ukraine müssen verstehen, dass sie dieses Problem gemeinsam zu lösen haben.

Gerade weil Putin die allseits ersehnten Friedensverhandlungen als Kapitulationsverhandlungen anlegt, gerade weil aus russischer Sicht Diplomatie nur ein Instrument der Kriegsführung ist, predigt Selenskyj vor dem UN-Sicherheitsrat: “Russland kann nur zum Frieden gezwungen werden, und genau das ist nötig” Wie das geschehen soll, will Selenskyj am Donnerstag in seinem “Siegesplan” erklären.

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