Kamala Harris erscheint nicht bei prominentem Katholiken-Event

Seit Jahrzehnten nehmen US-Präsidentschaftskandidaten am Al-Smith-Dinner des New Yorker Erzbistums teil. Die Demokratin bricht mit der Tradition. Wirkt sich das auf ihre Unterstützung unter Katholiken aus?

Quelle
Kardinal Dolan
Kardinal Dolan (Lady of Knock)
Beim Al Smith Dinner 2024 wird es Trump geben, ohne Harris
Abendessen der Alfred E. Smith Memorial Foundation – Wikipedia

26.09.2024

Maximilian Lutz

Es ist nicht bekannt, mit welchem Witz der New Yorker Kardinal Timothy Dolan Hillary Clinton derart zum Lachen brachte – und gleichzeitig auch dem sonst eher grimmig dreinblickenden Donald Trump ein schlumpfiges Grinsen entlockte, das fast ein wenig an Olaf Scholz erinnert. Der Moment ist festgehalten auf einem Bild aus dem Oktober 2016. Es ist eines der wenigen Harmonie verströmenden Fotos von Trump und Clinton, ein bestens gelaunter Kardinal Dolan in ihrer Mitte. Die Demokratin und der Republikaner kämpften damals mit harten Bandagen um die US-Präsidentschaft. Für einen Abend, so suggeriert es das Foto, legten sie die Waffen nieder. Doch der Eindruck täuscht. Aber dazu gleich mehr.

Entstanden ist der Schnappschuss beim “Alfred E. Smith Memorial Foundation Dinner”, kurz Al-Smith-Dinner, einer wichtigen katholischen Wohltätigkeitsveranstaltung, die das Erzbistum New York alljährlich ausrichtet. Seit John F. Kennedy und Richard Nixon im Jahr 1960 daran teilnahmen, ist es zur Tradition geworden, dass sich die aktuellen Präsidentschaftskandidaten dort sehen lassen. Kamala Harris will offenbar mit dieser Tradition brechen.

Kardinal Dolan enttäuscht

Vor wenigen Tagen sorgte die Nachricht in New York und darüber hinaus für Furore, die Präsidentschaftsanwärterin der Demokraten wolle lieber Wahlkampf in den “Swing States” betreiben, als im Rahmen des Galadinners mit Trump an einem Tisch zu sitzen. Es wäre das erste Mal seit 1984, dass ein Bewerber nicht daran teilnimmt. Damals war es der Demokrat Walter Mondale, der seinem Kontrahenten Ronald Reagan das Feld überließ.

Kardinal Dolan, der noch immer an der Spitze des Erzbistums steht, zeigte sich jedenfalls zutiefst enttäuscht. “Wir haben uns darauf gefreut, der Vizepräsidentin einen herzlichen Empfang zu bereiten. Sie spricht oft von hohen Idealen und erwähnt, wie gut es ist, die Spaltung zu überwinden und sich in Eintracht zu versammeln. Genau darum geht es beim Al-Smith-Dinner”, erklärte er Anfang der Woche vor Pressevertretern. Und er verkniff sich die Bemerkung nicht, dass Mondale vor 40 Jahren nur einen einzigen Bundesstaat gewinnen konnte. In den anderen 49 siegte Reagan. “Ich will nicht sagen, dass hier ein direkter Zusammenhang besteht”, schob Dolan spitzbübisch hinterher.

Der Pressesprecher des New Yorker Erzbistums bestätigte gegenüber der “Catholic News Agency“, Harris‘ Wahlkampfteam habe das Erzbistum am vergangenen Samstag informiert, dass die Vizepräsidentin “nicht in der Lage” sei, an dem Dinner teilzunehmen. Eine ausführlichere Begründung scheint es nicht zu geben. Laut der “New York Post”, die zuerst über die Absage der 59-Jährigen berichtet hatte, will Harris so kurz vor der Wahl jede Gelegenheit nutzen, um in den möglicherweise entscheidenden Bundesstaaten aufzutreten.

Zu Ehren des ersten katholischen Präsidentschaftsbewerbers

Das Al-Smith-Dinner, das in diesem Jahr am 17. Oktober stattfindet, geht zurück auf den ersten katholischen Präsidentschaftskandidaten und früheren Gouverneur von New York, Alfred E. Smith. Dieser trat 1928 für die Demokraten an, unterlag jedoch deutlich seinem Kontrahenten Herbert Hoover: Smith gewann nur acht der damals 48 Staaten, darunter nicht einmal seinen Heimatstaat New York. Was Smith unter anderem zum Verhängnis wurde: die damals in den USA noch grassierenden antikatholischen Vorurteile. Aufgrund derer konnte es sich eine Mehrheit der Bevölkerung nicht vorstellen, einen Katholiken ins Weiße Haus zu wählen, müsse dieser doch in erste Linie dem Papst dienen, nicht der Verfassung und den Bürgern seines Landes, so die verbreitete Annahme.

Erstmals fand die Wohltätigkeitsveranstaltung zu Ehren des katholischen Politikers aus New York 1945 statt, ein Jahr nach dessen Tod. Der Zweck: Spenden sammeln für Bedürftige. Ein Platz im Saal des Nobelhotels Waldorf Astoria, in dem das Dinner stattfindet, kostet dementsprechend 5.000 US-Dollar. Dass Herren im Frack erscheinen, gilt als Pflicht. Das Ambiente ist glamourös, das Programm jedoch betont locker: Zur Tradition gehört es auch, dass die Präsidentschaftskandidaten eine Rede halten, die mit Selbstironie versehen ist – aber auch Scherze auf Kosten des politischen Gegners enthält.

George W. Bush beispielsweise, der gegen das Image ankämpfen musste, der Kandidat der Wohlhabenden zu sein, nicht aber der einfacher Bürger, nahm sich 2000 selbst aufs Korn: “Was für ein beeindruckendes Publikum – die gut Betuchten und die noch besser Betuchten. Manche bezeichnen euch als Elite. Ich nenne euch meine Basis.” Der Republikaner Mitt Romney, dem der Ruf eines versnobten, abgehobenen Geschäftsmannes vorauseilte, teilte den Anwesenden 2012 mit, er fühle sich beim Al-Smith-Dinner so wohl, da er und seine Frau einfach entspannt das tragen könnten, “was wir eh zuhause anhaben”. Und Barack Obama teilte am selben Abend gegen Romney aus, indem er den Versammelten erzählte, er habe kürzlich in der Innenstadt in einigen Geschäften eingekauft. Romney dagegen habe “einige Geschäfte in der Innenstadt gekauft”.

Trump warf Clinton vor, Katholiken zu hassen

Donald Trump wiederum, und damit zurück zum anfangs erwähnten Foto, trieb es nach Ansicht mancher Beobachter 2016 zu weit. Hillary Clinton hatte damals eine von der Enthüllungsplattform “Wikileaks” öffentlich gemachte Affäre am Hals: Sie hatte als Außenministerin ihr privates Email-Konto regelmäßig für die vertrauliche dienstliche Kommunikation genutzt. Trump nahm dies als Vorlage und erklärte, er habe bis zuletzt gezweifelt, ob Clinton überhaupt erscheine. “Man hat ihr ja wahrscheinlich keine Einladung per Email geschickt. Oder vielleicht doch? Dann hat sie es vielleicht über das wunderbare WikiLeaks herausgefunden.” Später nannte er Clinton “korrupt” und warf ihr vor, Katholiken zu hassen. Dafür handelte er sich sogar Buhrufe aus dem Publikum ein.

Möglicherweise wollte Kamala Harris eben solch einen Auftritt mit Trump vermeiden, wie ihn Clinton über sich ergehen lassen musste. Trump selbst nannte jedoch eine andere Begründung für die Absage seiner Konkurrentin: ihre Vorgeschichte “antikatholischer Handlungen”. Auf seinem Netzwerk “Truth Social” schrieb er, es sei “traurig, aber nicht überraschend”, dass Harris nicht teilnehme. “Ich weiß nicht, was sie gegen unsere katholischen Freunde hat, aber es muss gravierend sein, denn sie war ganz gewiss nicht sehr nett zu ihnen.” Die “Biden/Harris-Regierung” verfolge Katholiken buchstäblich, so der 78-Jährige Republikaner. Worauf er sich konkret bezog, führte Trump nicht weiter aus, bestätigte jedoch, dass er auch in Harris‘ Abwesenheit an dem Dinner teilnehmen werde.

Insbesondere viele konservative Katholiken halten Harris aufgrund einer von ihr und ihren Anhängern als progressiv empfundenen Haltung in gesellschaftspolitischen Fragen für nicht wählbar. Den heftigsten Gegenwind erfährt sie dank ihres vehementen Einsatzes für ein “Recht” auf Abtreibung. In ihrem Engagement ging sie als US-Senatorin sogar so weit, einem Kandidaten für einen Posten als Bezirksrichter bei der Anhörung im Senat vorzuwerfen, Mitglied der Kolumbusritter zu sein, da die katholische Laienorganisation sich gegen das “Recht” von Frauen, sich für eine Abtreibung zu entscheiden, positioniert.

Wahlkampftaktisches Eigentor?

Offen bleibt die Frage, ob Harris, die laut Umfragen bislang durchaus auf knapp die Hälfte der Stimmen katholischer Wähler zählen darf, mit ihrer Absage ein wahlkampftaktisches Eigentor geschossen hat. Diese Ansicht vertritt jedenfalls Kardinal Dolan. Auch wenn er ihre Beweggründe nicht kenne, sei die Entscheidung “kein kluger politischer Schachzug” gewesen, erklärte er. Das Al-Smith-Dinner sei zwar keine Wahlkampfveranstaltung, dennoch biete sich ein landesweites Publikum, da alle Medien darüber berichteten. “Ich weiß nicht, wer sie berät, aber sie ist nicht gut beraten”, so Dolan nüchtern.

Ganz scheint der Kardinal die Hoffnung allerdings noch nicht aufgegeben zu haben, dass Harris am Ende doch bei dem Galadinner seines Erzbistums erscheint. Er hoffe, die Demokratin ändere ihre Meinung, “wenn ihr bewusst wird, wie wichtig das ist”. Die New Yorker Gouverneurin Kathy Hochul und der demokratische Mehrheitsführer im US-Senat, Chuck Schumer, die regelmäßig an dem Dinner teilnehmen, seien gerade dabei, Harris noch einmal zu bearbeiten.

Experten sind sich indes uneins, wie die Bedeutung des Al-Smith-Dinners für die Präsidentschaftswahl zu bewerten ist. Der New Yorker Politikwissenschaftler Brian Browne sprach gegenüber dem “National Catholic Register” von einer “verpassten Chance” und betonte, dass Harris mit ihrer Absage die Vorurteile bediene, sie vermeide Risiken und nehme nur öffentliche Auftritte wahr, bei denen sie nach Skript sprechen könne. Der Politologe John White von der “Catholic University of America” erklärte allerdings gegenüber demselben Medium: “Ich denke nicht, dass die Sache Katholiken besonders kümmert.”

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