Entfremdung zwischen Rom und der Kirche in Deutschland

Mit Prälat Markus Graulich verließ der letzte Deutsche ein Leitungsamt im Vatikan: Rom und die deutsche Kirchenführung sind sich fremd geworden

Quelle
Markus Graulich
Paul Kordes

16. August 2024

Guido Horst

Längst schon vorbei sind die Zeiten, in denen deutsche Kirchenmänner im Rang eines Erzbischofs oder Kardinals wie selbstverständlich zum vatikanischen Establishment gehörten. Papst Pius XII. stand der Kultur nördlich der Alpen sehr nahe und umgab sich – im Schatten der bayerischen Ordensfrau Schwester Pascalina – mit deutschen Beratern und Mitarbeitern, aber sein Beichtvater Augustin Bea SJ startete erst unter Johannes XXIII. und während des Konzils seine “Kurienkarriere”.

Paul VI. schätzte das Frankophone, aber unter Johannes Paul II. flossen Rhein und Donau dann in den Tiber. Die Kurienkardinäle Augustin Mayer und Joseph Ratzinger waren angesehene Sachwalter deutscher Belange. Paul Josef Cordes wurde erst unter Benedikt XVI. Kardinal, wirkte aber seit 1980 als Kontaktmann Papst Wojtylas zu den geistlichen Bewegungen und baute mit anderen die Weltjugendtage auf.

1999 verstärkte der Theologe und Bischof Walter Kasper das deutsche Team in Rom und leitete als Kardinal zehn Jahre die ökumenischen Kontakte. Unter dem deutschen Papst schmolz die Riege seiner Landsleute in der Kurie dann leicht ab, er holte aber noch Gerhard Ludwig Müller nach Rom und gab seinem Sekretär ein Kurienamt und das Gewicht eines Erzbischofs.

Endgültig “befreit” vom deutschen Erbe

Von diesem “deutschen Erbe“ hat sich dann Papst Franziskus vollends befreit und mit der Ablösung des gebürtigen Hadamarers Prälat Markus Graulich als Untersekretär des Dikasteriums für Gesetzestexte durch den Finnen Tuomo Vimpari geht der letzte Deutsche, der in den Führungsetagen der römischen Kurie noch Rang und Namen hatte.

Im Stillen wirkt Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst als Delegat für Katechetisches in der Evangelisierungsbehörde. Im Ökumene-Dikasterium hält der Salesianerpater Norbert Hofmann die Kontakte zu Repräsentanten der jüdischen Welt. Aber das ist es dann auch. Zu welchen Kurienrepräsentanten sollen deutsche Rom-Besucher mit ihren Anliegen jetzt noch gehen? Bleibt Kardinal Kurt Koch. Aber der ist Schweizer.

Entfremdungsprozess zwischen Rom und der Kirche in Deutschland

Im Organigramm der Kurienverantwortlichen gar nicht mehr zu Hause zu sein zeigt einen Entfremdungsprozess zwischen Rom und der Kirche in Deutschland an, den man nicht vorschnell nur an einer Ursache festmachen sollte. Zumal das Deutsche bis vor nicht langer Zeit auf eine historisch einzigartige Weise im Vatikan präsent war: in der Gestalt eines emeritierten Papstes, der fast zehn Jahre lang viele deutsche Besucher im Klösterchen empfing wie Franziskus “seine Leute” in Santa Marta.

Daraus ist ebenso wenig erwachsen wie aus der zehnjährigen Anwesenheit des Münchner Erzbischofs im erlesenen Kreis der den Papst beratenden Kardinäle oder dem an Widerständen aus der Kurie gescheiterten Versuch von Franziskus, den Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer als Präfekten der Glaubensbehörde zu installieren. Wie dem auch sei, festzuhalten ist, dass sich Rom und die deutsche Kirchenführung fremd geworden sind, wie das fast hundert Jahre lang nicht der Fall war. Das deutsch-vatikanische Gewürge in der Frage, wie sich der Synodale Weg verstetigen kann und wie nicht, ist Ausdruck dieses tauben Gefühls auf beiden Seiten.

Früher fragten Gläubige in Deutschland, denen Rom nicht unwichtig war, wenn es Aufregung gab: “Was sagt Ratzinger?”, “Was sagt Cordes?” oder “Was sagt Gänswein?” Jetzt weiß man nicht mehr, nach wem man fragen soll. Gehört zum Katholisch-Sein nicht unbedingt dazu. Aber beruhigend war es schon, Kontakte, Kenntnisse und auch Hintergrundwissen in deutschen Dingen in den höheren Vatikanrängen gut aufgehoben zu wissen. Diese Zeiten scheinen vorerst endgültig vorbei zu sein.

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