Johannes Paul II.: Anwalt der “Kultur des Lebens” *UPDATE

Der vor zehn Jahren heiliggesprochene Papst war ein Gewährsmann des konsequenten Lebensschutzes. Der Streit mit den deutschen Bischöfen um die Schwangerenberatung zeigt gewisse Parallelen zum Konflikt von heute

Quelle
Gottes Liebe adelt die Geschöpfe | Die Tagespost (die-tagespost.de)
Evangelium Vitae (25. März 1995) | Johannes Paul II. (vatican.va)
Brief an die deutschen Bischöfe (11. Januar 1998) | Johannes Paul II. (vatican.va)
Hl. Papst Johannes Paul II. (776)
Christoph Münch
Rund 106.000 Kinder in Deutschland im Jahr 2023 im Mutterleib getötet (catholicnewsagency.com)
*”Er riecht nach Gott!” – 10 Jahre nach der Heiligsprechung von Johannes Paul II. (catholicnewsagency.com)

26.04.2024

Christoph Münch

Am 27. April 2024 jährt sich zum zehnten Mal der Tag der Heiligsprechung Johannes Pauls II. Dass dies ein Tag des besonderen Gedenkens an den großen Papst und Heiligen darstellt, vermag ein Blick zurück in die Jahre vor dem Jahrtausendwechsel zu verdeutlichen, sind der damalige Streit um die Schwangerenkonfliktberatung einerseits und die damit verbundene Auseinandersetzung zwischen dem deutschen Episkopat und dem Papst andererseits doch gerade heute wieder überaus aktuell.

Was gegenwärtig die Diskussionen um den sogenannten Synodalen Weg und den damit verbundenen Synodalen Ausschuss beziehungsweise Synodalen Rat darstellen, lässt sich in vielen Punkten mit den Diskussionen um das Ausstellen von Beratungsscheinen am Ende der neunziger Jahre vergleichen. Damals wie heute standen die Vorstellungen zahlreicher deutscher Bischöfe im Konflikt mit dem Lehramt und dem Kirchengesetz. Damals wie heute war es der Papst als Oberhaupt der katholischen Kirche, der mit voller Amtsautorität dem deutschen Treiben einen Riegel vorschieben musste. Und damals wie heute kam der Widerstand gegen die vom Großteil des deutschen Episkopats befürwortete liberale Praxis aus dem Erzbistum Köln.

Lebensschutz als Dauerthema

Dass jedoch nicht nur das angespannte deutsch-römische Verhältnis in diesen Tagen überaus aktuell ist, sondern auch die Frage nach dem gesellschaftlichen und kirchlichen Umgang mit der Tötung ungeborenen Lebens, zeigen die Überlegungen unter der regierenden Ampelkoalition zur Legalisierung der Abtreibung innerhalb der ersten zwölf Schwangerschaftswochen. Damit reiht sich die Bundesregierung ein in europäische Liberalisierungsbestrebungen, die in dem von Papst Franziskus immer wieder als “Auftragsmord” bezeichneten Vorgang ein menschliches Grundrecht sehen wollen. Erst kürzlich nahm Frankreich als erstes Land der Welt das Recht auf Abtreibung mit breiter Mehrheit beider Parlamentskammern in die Verfassung auf. Wie stark der gesellschaftliche Rückhalt für die politische Maßnahme war, beweist die Tatsache, dass Umfragen zufolge 86 Prozent der Franzosen die Tötung menschlichen Lebens im Mutterleib als Recht der Schwangeren ansehen. Auch gibt es inzwischen Bestrebungen, das Recht auf Abtreibung in die EU-Grundrechtecharta aufzunehmen.

Wenngleich katholische Funktionäre wie die ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp schon vor zwei Jahren dafür plädiert hatten, “sicherzustellen, dass der medizinische Eingriff eines Schwangerschaftsabbruchs flächendeckend ermöglicht wird”, sprach sich Stetter-Karp – gemeinsam mit Bischof Bätzing – zuletzt gegen eine Liberalisierung der Abtreibungsregelungen in Deutschland aus.

Ein folgenreiches Machtwort

Dass die katholische Kirche sich hierzulande nicht der Beihilfe zur Tötung ungeborenen Lebens schuldig macht, ist einem Machtwort des heiligen Johannes Pauls II. zu verdanken, das dieser im Jahre 1999 gesprochen hat. Vorausgegangen waren zahlreiche Diskussionen über die Frage, ob katholische Einrichtungen im Rahmen der Schwangerenkonfliktberatung Beratungsscheine ausstellen sollten, durch die Abtreibungen ermöglicht wurden. Diesbezüglich herrschte im damaligen deutschen Episkopat eine äußerst liberale Einstellung. Der ehemalige Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner wollte sich mit dem Status Quo jedoch nicht zufriedengeben. In seinen Lebenserinnerungen, die im Jahre 2020 – drei Jahre nach seinem Tod – in Buchform erschienen, äußerte er sich wie folgt zur damaligen Situation: “Mich trieb diese Sache um. Also setzte ich mich hin und schrieb dem Papst einen Brief, in dem ich ihm die Angelegenheit schilderte und fragte, ob nun mit der neuen alten Praxis die Intention des Papstes getroffen ist. Die Antwort kam auf dem Fuße: Es darf kein Papier ausgestellt werden, das den anderen die Legitimität gibt, Kinder abzutreiben.”

Tatsächlich sorgte Johannes Paul II. in einem kurzen, aber unmissverständlichen Brief vom 20. November 1999 an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Karl Lehmann, für klare Verhältnisse. Darin würdigte er die Schwangerenkonfliktberatung als solche, aber unterband das weitere Ausstellen von Beratungsscheinen: “Ich möchte Sie bitten, diesen Personen [die in Beratungsstellen tätig sind] die von Herzen kommende Wertschätzung des Papstes und zugleich seinen Wunsch zu überbringen, daß die katholischen Beratungsstellen auch in Zukunft eine so verdienstvolle Tätigkeit zugunsten des Lebens fortführen und verstärken, ohne jedoch den Schein auszustellen, den die katholischen Beratungsstellen in ein System mithineinzieht, welches die Abtreibung zuläßt.”

Kardinal Meisner unter Beschuss aus den eigenen Reihen

Damit war das Bemühen nicht weniger deutscher Bischöfe um eine Beibehaltung der liberalen Beratungspraxis ad acta gelegt und Bischof Lehmann verkündete – drei Tage nach dem Erhalt des päpstlichen Schreibens –, dass die katholische Beratung neu geordnet werden würde. Was im Inhalt vollends der katholischen Lehre entsprach, wurde von vielen deutschen Bischöfen dennoch nicht wohlwollend aufgenommen. Diesbezüglich berichtet der Initiator des päpstlichen Machtworts, Kardinal Meisner, in seinen Lebenserinnerungen: “Die darauffolgende Bischofskonferenz in Fulda werde ich nie vergessen. Ich sei der Veranlasser dieser ‘Katastrophe’. Ich hätte keinen Auftrag gehabt, dem Papst zu schreiben. Ich entgegnete nur, dass ich nicht in einem Auftrag, sondern persönlich geschrieben hätte, um Klarheit zu bekommen. Ich muss leider sagen, dass die meisten meiner Bischofskollegen mich drastisch beschimpft haben. Einige hielten sich bedeckt und schwiegen. Verziehen hat man mir das wohl nie.”

Dabei hatte Johannes Paul II. die deutschen Bischöfe bereits vier Jahre vor dem Machtwort in einem Brief wissen lassen, wie er sich in der Auseinandersetzung um die Schwangerenkonfliktberatung positionierte. Diese hatten sich davon allerdings nicht von ihrem Weg abbringen lassen; auch dies eine Parallele zur Auseinandersetzung zwischen Papst Franziskus und den deutschen Bischöfen bezüglich des Synodalen Weges.

In dem Brief aus dem Jahre 1995 hatte der Papst unter anderem geschrieben: “Im Kampf um das ungeborene Leben muß sich die Kirche in unseren Tagen immer mehr von der sie umgebenden Umwelt unterscheiden”; ein Satz, der auch angesichts der gegenwärtigen politischen Bestrebungen nichts an Aktualität eingebüßt hat.

Zeuge der Kultur des Lebens

Dass klare päpstliche Positionierungen Christen zu einem Engagement im eigenen Leben bewegen können, beweist die Unternehmensberaterin und langjährige Verantwortliche in der Lebensrechtsbewegung, Mechthild Löhr, in einem persönlichen Beitrag zur Würdigung Johannes Pauls II., wenn sie schreibt: “In diese Zeit [1995] fiel auch mein persönlicher Einstieg in den Lebensschutz, durch das Eintreten des Papstes stark motiviert, an der ‘Kultur des Lebens’ mitzuwirken.” Am Ende des besagten Beitrags stellt Löhr sodann die Bedeutung des polnischen Papstes für die Gegenwart heraus und leitet damit zu seiner neuen Aufgabe als himmlischer Fürsprecher über, wenn sie schreibt: “Wie beeindruckend ermutigt der große Kirchenlehrer und Heilige Johannes Paul II. gerade uns Katholiken in Deutschland bis heute mit diesen Worten [aus dem Jahr 1995]. […] Er wirkt als der große Zeuge und Prophet einer neuen ‘Kultur des Lebens’ für die Welt und die Kirche im 21. Jahrhundert.”

Daher darf sich jeder Katholik, der treu zur Lehre seiner Kirche steht, glücklich schätzen, den heiligen Johannes Paul II. seit zehn Jahren als großen Fürsprecher und Gewährsmann im Kampf für das Leben anrufen zu dürfen.

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