Kardinal Koch: “Jesus befiehlt nicht die Einheit, er betet für sie”
An diesem Donnerstag startet die Weltgebetswoche für die Einheit der Christen; am 25. Januar wird Papst Franziskus sie mit einer Vesper in der römischen Basilika Sankt Paul vor den Mauern feierlich beschließen
Quelle
Dikasterium zur Förderung der Einheit der Christen (vatican.va)
Kardinal Kurt Koch (388)
Wir nahmen diese Gebetswoche zum Anlass, um an diesem Mittwoch mit dem Ökumene-Verantwortlichen des Papstes zu sprechen: Es ist der Schweizer Kurienkardinal Kurt Koch, Präfekt des Vatikan-Dikasteriums für die Förderung der Einheit der Christen.
Interview
Herr Kardinal, ‘Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben und deinen Nächsten wie dich selbst’, so lautet das Motto der Weltgebetswoche. Das ist natürlich der christliche Imperativ, der über allem steht, aber was bedeutet das ökumenisch für eine Weltgebetswoche für die Einheit der Christen?
“Wir unterscheiden in der Ökumene ja zwei Formen: die Ökumene der Liebe und die Ökumene der Wahrheit. Ökumene der Wahrheit ist die theologische Aufarbeitung der Probleme, die zu Spaltungen in der Kirche geführt haben; die Ökumene der Liebe ist die Pflege von freundschaftlichen Beziehungen zu den anderen Kirchen. In diesem Sinne ist die Liebe ein Grundmotiv der Ökumene, denn wenn ich einen Menschen wirklich liebe, dann will ich ihn auch erkennen – und wenn wir freundschaftliche Beziehungen zur anderen Kirche pflegen, geht es auch darum, sie in ihren Charismen kennenzulernen. In diesem Sinne ist die Ökumene der Liebe die Voraussetzung, um überhaupt theologische Dialoge führen zu können.
Das ist ja gerade in diesem Jahr sichtbar geworden: Es sind 60 Jahre her, seit Papst Paul VI. und der Ökumenische Patriarch sich in Jerusalem umarmt haben. Ich glaube, dieses Zeichen der Liebe und der Freundschaft ist zum Ausgangspunkt großer Ökumene geworden.“
“Das christologische Bekenntnis erneuern”
Das setzt natürlich einen Akzent bei dieser Weltgebetswoche: Sechzig Jahre Umarmung des griechisch-orthodoxen Patriarchen mit Paul VI. bei dessen spektakulärer Reise ins Heilige Land. Was sind in diesem Jahr womöglich andere Marksteine in ökumenischer Hinsicht?
“Ich denke, vor allem bereiten wir uns vor für das nächste Jahr. 2025 feiern wir 1.700 Jahre des ersten Ökumenischen Konzils in Nicäa, das 325 stattgefunden hat. Da sind wir, auch mit dem Ökumenischen Patriarchen Bartholomäus, in Vorbereitung, wie wir das gemeinsam feiern, denn dieses Konzil hat ja zu einer Zeit stattgefunden, in der die Kirche noch nicht von so vielen Spaltungen beschädigt war, und deshalb ist dieses Gedenken eigentlich ökumenisch gar nicht zu überschätzen. Es ist eine gute Gelegenheit für alle christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften, dieses Konzils in ökumenischer Gemeinschaft zu gedenken und das christologische Bekenntnis zu erneuern – denn der Arianismus gehört nicht nur der Vergangenheit an, sondern ist auch heute präsent!”
Wird es bei dem Gedenken an Nicäa auch Schnittpunkte geben zum Heiligen Jahr, oder ist es zu früh, das zu sagen?
“Nein, das gehört natürlich zusammen. Es ist nicht gemeinsam programmiert worden, aber die Organisatoren des Heiligen Jahres tragen dem Rechnung, dass auch dieses Konzilsgedenken stattfinden wird und dass das eigentlich in einem schönen Rahmen sein kann.”
“Wir können nicht in die innerorthodoxen Spannungen eingreifen – aber wir sind natürlich davon betroffen.”
Was sind sozusagen die Baustellen auf ökumenischen Gebiet, für die es bei dieser Weltgebetswoche vielleicht besonders zu beten gilt, dass man da einen Schritt vorwärtskommt?
“Ich denke, in der Ökumene mit den orthodoxen Kirchen leiden wir natürlich auch darunter, dass es große Spannungen und Spaltungen innerhalb der Orthodoxie gibt. Wir hatten beispielsweise im vergangenen Juni in Alexandrien die Vollversammlung der Kommission, mit einer großartigen Gastfreundschaft des Patriarchen – aber vier orthodoxe Kirchen waren nicht präsent: Russland, Serbien, Bulgarien, Antiochien. Und das macht es natürlich schwierig…
Natürlich führen wir den Dialog weiter; wir haben auch ein gutes Dokument über Synodalität und Primat im zweiten Jahrtausend und heute verabschieden können. Aber es ist für uns eine große Herausforderung. Auf der einen Seite wollen wir und können wir auch nicht in die innerorthodoxen Spannungen eingreifen. Auf der anderen Seite bedeutet Neutralität nicht Indifferenz, sondern wir sind natürlich davon betroffen.
“Die spirituelle Dimension wieder neu vertiefen”
Was die Ökumene mit den aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen betrifft, scheint mir wichtig, dass wir die spirituelle Dimension wieder neu vertiefen. Denn am Anfang der ökumenischen Bewegung stand eine Gebetsbewegung. Papst Benedikt XVI. hat das einmal mit dem schönen Bild zum Ausdruck gebracht, das ökumenische Schiff wäre nie auf die hohe See ausgefahren, wenn es nicht von einer Gebetsströmung angetrieben gewesen wäre… Die ökumenische Bewegung war ursprünglich eine Gebetsbewegung und muss es bleiben, denn das Fundament der Ökumene ist das Hohepriesterliche Gebet des Herrn im 17. Kapitel des Johannesevangeliums, und daran ist ja folgendes interessant: Jesus befiehlt nicht die Einheit, er betet für die Einheit. Und wenn Jesus für die Einheit seiner Jünger gebetet hat, was können wir dann Besseres tun?”
“Wir müssen im ökumenischen Dialog über das Thema Segen nachdenken”
Jetzt eine vielleicht etwas komplizierte Frage… Ich habe beim Lesen von ‘Fiducia supplicans’ gedacht: Mit einer pastoralen Dringlichkeit und einem pastoralen Paradigma könnte man doch auch fast unter bestimmten, eng begrenzten Bedingungen eine eucharistische Gastfreundschaft begründen… oder geht das in die falsche Richtung?
“Also, erstens einmal erhalte ich einige negative Reaktionen aus der ökumenischen Welt über ‘Fiducia supplicans’; wir haben gerade nächste Woche die Vollversammlung der Orientalisch-Orthodoxen hier in Rom, und sie haben schon angemeldet, dass sie über diese Fragen reden können. Ich glaube, dass wir im ökumenischen Dialog neu darüber nachdenken müssen: Was ist Segen, und wie ist das Verhältnis von Lehre und Pastoral? Diese Fragen sind jetzt neu akut geworden, und darüber müsste man reden. Von daher, glaube ich, ist jetzt die Übertragung auf die Frage der eucharistischen Gemeinschaft nicht angebracht.”
vatican news – stefan kempis, 17. Januar 2024
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