Der Kult der Unverbindlichkeit ist ein Holzweg

Bernhard Meuser: Der Kult der Unverbindlichkeit ist ein Holzweg – Wir dürfen uns es nicht nehmen lassen, über das Wesen der Ehe, der Familie oder der Frau nachzudenken, sagt der “Youcat”-Initiator

Quelle
Rut Kohn – Wikipedia
Bernhard Meuser

19.01.2024

Bernhard Meuser

Da plansche ich nun im 36 bis 38 Grad warmen Thermalwasser und arbeite ein Geburtstagsgeschenk ab. Der Müßiggang tut mir gut. Einen Tag zu haben, von kühler Wintersonne beschienen, in kein Termingefängnis eingesperrt, vom Produktionsdruck befreit, der Not und den Konflikten des Tages entzogen – was für ein unverhofftes Glück, das mir ein lieber Mensch da bereitet hat. Ich plantsche und freue mich am Sprudeln der Gedanken. Wie komme ich auf Philosophie? Keine Ahnung, warum Lektüre der vergangenen Tage in mir hochblubbert. Ich denke über das “Wesen”, die Essenz, nach und dass uns gewisse Strömungen verbieten wollen, den Wirklichkeiten außer der Existenz auch noch ein Wesen zuzuschreiben, also etwas, das uns vom Ursprung her sagt, was ein Mann, eine Frau, eine Ehe, eine Familie, ein Staat ist. “Das, was etwas ist, wie es ist, nennen wir sein Wesen”, sagt Martin Heidegger in “Holzwege”; und er zeigt am wesentlichen Werk des Künstlers, dass “hier eine Eröffnung des Seienden geschieht in das, was und wie es ist“. Hier sei ein “Geschehen der Wahrheit am Werk“.

Dürfen wir uns tatsächlich sagen lassen, ein Kind sei eine aus dem Nichts hereinplatzende Offenheit für alles, weshalb dieses Unbeschriebene nicht mehr Maria oder Ferdinand heißen dürfe, sondern besser Pip oder Mip? Oder eine Familie sei nur ein Konglomerat von Beteiligten, die sich zu gewissen Zwecken zusammenfinden? Oder eine Frau sei nur das, was ein Subjekt sich in den Personalausweis schreiben lässt? Gerade treiben wir den Kult der Unverbindlichkeit in die seltsamsten Extreme, um nur ja niemanden in seiner göttlichen Autonomie, seinem freien Selbstdesign zu beschränken. Mit der Verabschiedung aller Wesensbegriffe schaffen wir beiläufig auch Gott, den Schöpfer, ab – dass nämlich das, was wir vorfinden – uns selbst, die Dinge und die Welt –, eine Gegebenheit ist, eine Natur hat, ein Sollen in sich birgt, eine Handschrift zeigt und eine Wahrheit, die ans Offene tritt.

Unverhofftes Paradies

Der Nachmittag dieses Tages hält noch weitere Geschenke für uns bereit – Geschenke der Stille. Wir besuchen den niederbayrischen Wallfahrtsort Sammarei, lassen uns von der intimen Sakralität, der Anmut und Schönheit dieser wundersamsten und schönsten Kapelle umfangen, sitzen lange, kontemplieren, rollen unsere Leben vor dem übernatürlichen Frieden des Gnadenbildes aus, um danach wieder in die frische Winterluft zu treten. Ein Straßenschild fällt ins Auge, mit einem seltsamen Ortsnamen: Grillenöd. Klingt verheißungsvoll, klingt nach Holzwegen: “Im Holz sind Wege, die meist verwachsen jäh im Unbegangenen aufhören.” Am Ende einer Fahrstraße erwartet uns ein paradiesischer Ort. Häuser, von Künstlerhand sanft in die Natur eingelassen, ein Waldweg, eine überfrorene Schneise, die uns ins Unbegangene einlädt. Die tiefstehende Sonne fällt durch das Staccato der Bäume, verzaubert den Wald. Und da – noch eine Kapelle, dieses Mal von schlichter Moderne. Innen erwartet uns eine ausgemalte Offenbarung, die uns lange fesselt, “ein Geschehen der Wahrheit am Werk”. Rut Kohn heißt die Künstlerin, mit der wir noch nicht fertig sind.

Der Autor ist Initiator der globalen Jugendkatechismus-Initiative “Youcat“.

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