Wenn Christus vergessen wird

Noch dramatischer als das missionarische Versagen der Kirchen ist offenbar ihre katechetische Schwäche

Quelle

18.12.2023

Stephan Baier

Im innerkirchlichen Diskurs werden heute praktisch alle Ansichten geäußert, die in der Gesellschaft irgendwie herumschwirren. Aber ein Dogma wird stets unerbittlich proklamiert: Man dürfe sich nicht gegenseitig das Katholisch-Sein absprechen. Ein typischer Scheuklappen-Effekt ist die Folge: Die breite Wirklichkeit wird ausgeblendet, ein Tunnelblick auf den schmalen Pfad, den ein Kutscher steuert, bleibt.

Einen heilsamen Realitätsschock könnte diese Umfrage auslösen:

Die linksliberale und gewöhnlich betont kirchenkritische österreichische Tageszeitung “Der Standard” veröffentlichte heute eine Umfrage des Linzer Market-Instituts zum Gottesbegriff der österreichischen Bevölkerung. Der Aussage “Ich glaube, dass es einen Gott gibt, der sich in Jesus Christus zu erkennen gibt” stimmten nur 16 Prozent der 800 Befragten zu. Weitere 45 Prozent bejahen die auch für Esoteriker oder Hindus zustimmungsfähige Aussage “Ich glaube, dass es ein höheres Wesen oder eine geistige Macht gibt”.

Die Alarmglocken sollten läuten

Wenn nur 16 Prozent das Minimum dessen glauben, was für Christsein konstitutiv ist, aber gut die Hälfte der Einwohner Österreichs offiziell katholisch, und sogar gut 60 Prozent Mitglied einer anerkannten christlichen Kirche sind, dann sollten alle Alarmglocken läuten. Es schmilzt nicht nur der Anteil der Kirchenmitglieder an der Gesamtbevölkerung (durch Zuwanderung, demografische Schieflagen und Kirchenaustritte) in besorgniserregender Weise. Noch dramatischer als das missionarische Versagen der Kirchen ist offenbar ihre katechetische Schwäche. Wenn eine Mehrheit derer, die in der Kirche verbleiben und sogar brav dafür bezahlen, gar nicht mehr glaubt, dass Gott sich in Jesus Christus zu erkennen gibt, dann sind die Christen innerhalb ihrer Kirchen in der Minderheit.

Wer nämlich nicht glaubt, dass Gott sich in Jesus Christus zu erkennen gibt, spricht sich selbst das Christsein ab. Unabhängig von der Frage, wie diesen Getauften der Glaube an Christus verloren ging, beweist diese Entwicklung, dass die Kirchen die völlig falschen Themen spielen. Angesichts des offenbar breitflächigen Versagens in der kirchlichen Verkündigung der christlichen Glaubenswahrheiten wirken die unaufhörlich (und kontraproduktiv) thematisierten sogenannten “heißen Eisen” wie marginale Randthemen. Es ist, als würde man beim Fußball hauptsächlich über die Qualität der Trainersitze und die Farben der Spielersocken streiten.

Eine missionarische Wirkung setzt eine Erneuerung der Katechese voraus: Nur wenn es den Christen wieder um Christus geht, wird die Kirche – für Getaufte und Suchende – wieder attraktiv.

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