Unheiliges Land
Seit über 100 Jahren ist Palästina ein Herd beständiger Konflikte. Auch nach dem Ende des Osmanischen Reichs gelang es den Christen nicht, einen Ort des Friedens zu schaffen. Jerusalem und die Heiligen Stätten der Bibel hätten es sein können. Aber die politischen Mächte wollten das nicht
Quelle
Der Nahe Osten: Spielball fremder Interessen | Die Tagespost (die-tagespost.de)
Jesus und die Palästinenser | ICEJ Deutschland
Redemptoris nostri cruciatus – Wikipedia
Redemptoris Nostri Cruciatus (April 15, 1949) | PIUS XII (vatican.va)
04.11.2023
“Die ganze Welt betrachtet unser Heiliges Land als einen Ort, der ständig Anlass für Kriege und Spaltungen ist.” Ein trauriges Wort. Geschrieben vom lateinischen Patriarchen in Jerusalem, Kardinal Pierbattista Pizzaballa, in seinem Hirtenwort, das er vor zehn Tagen an die Gläubigen seiner Diözese gerichtet hat. Wieder einmal ist der Nahe Osten Schauplatz eines Gemetzels, das an Grausamkeit alle bisherigen Konflikte dort übersteigt.
Kaum hatte der Erste Weltkrieg das Schicksal der Hohenzollern, der Habsburger, der Romanows und der Osmanen besiegelt, welche die Geschichte Europas und des Vorderen Orients über Jahrhunderte geprägt hatten, wurde Palästina zu einer Brutstätte religiösen Hasses. Die zersplitterte Christenheit war zu schwach, um wenigstens aus Jerusalem und den Heiligen Stätten einen Ort des friedlichen Zusammenlebens zu machen. Oft untereinander zerstritten, gelang es Griechen, Syrern, Armeniern oder Lateinern nicht, Einfluss auf die politische Gestaltung des Landstreifens zu nehmen, in dem der Gottessohn Mensch geworden war.
Zur Zeit der Staatsgründung hatte sich schon zu viel Hass aufgestaut
Zwar jubelte die Vatikanzeitung “Osservatore Romano” am 9. Dezember 1917, dass Jerusalem mit dem Einzug englischer Soldaten wieder “in der Hand einer christlichen Macht” sei. Aber die britische Mandatszeit bis 1947 führte weder zu einer Internationalisierung der Heiligen Stätten noch zu einer Garantie der Rechte der christlichen Konfessionen in Palästina. Andere Kräfte und Gesinnungen erlangten Einfluss. Großmufti Mohammed Amin-al-Husseini von Jerusalem verbreitete ab den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts den antisemitischen Rassismus der 1928 in Ägypten gegründeten Muslimbruderschaft unter den Palästinena-Arabern, arbeitete ab 1938 mit Hitler-Deutschland zusammen, befürwortete die Judenvernichtung durch die Nazis und führte den Kampf gegen die jüdischen Einwanderer in Palästina.
Als die seit der Balfour-Erklärung von 1917 betriebene Schaffung einer jüdischen “Heimstatt” unter dem Eindruck des Holocausts zum Teilungsplan der Vereinten Nationen von 1947 führte, der einen jüdischen und einen arabischen Staat sowie einen internationalen Status für Jerusalem vorsah, hatte sich schon zu viel Hass aufgestaut: Kaum zog Großbritannien 1948 seine Truppen ab, begann auch schon der Krieg zwischen den Arabern und dem soeben geborenen Staat Israel. Nach dem Waffenstillstand am 11. Juni blieb Jerusalem eine geteilte Stadt. Israel kontrollierte die Neustadt, Jordanien die Altstadt und die orientalischen Viertel.
Pius XII. schrieb zwei Enzykliken über die Heiligen Stätten in Palästina (zu Zeiten, als Enzykliken noch kurz und bündig waren). Mit den Schreiben “In multiplicibus” vom 24. Oktober 1948 und “Redemptoris nostri” vom 15. April 1949 wollte er die Vereinten Nationen zu einer “rechtlich stabilen und gesicherten Regelung” drängen, die “unter den gegebenen Umständen auf die angebrachteste Weise den Schutz der Heiligen Stätten gewährleistet”.
Die Vereinten Nationen konnten sich nicht einigen
Doch die Vereinten Nationen konnten sich nicht einigen. Die unterschiedlichen arabischen, kommunistischen, westlichen und lateinamerikanischen Interessen machten die Internationalisierung Jerusalems als Stadt des Friedens zunichte und zementierten einen Zustand des Nicht-Friedens: Jordanien okkupierte die West Bank und Ägypten den Gaza-Streifen, in dem die arabischen Flüchtlinge aber staatenlos blieben. Das Palästinenser-Problem war geboren.
Als Paul VI. am 21. September 1963 handschriftlich festhielt, dass er Palästina besuchen wolle, notierte er: “Ein solcher Besuch hätte zum Ziel, Jesus Christus zu ehren, unseren Herrn, in dem Land, das seine Ankunft auf der Welt geheiligt und würdig gemacht hat, von den Christen verehrt und geschützt zu werden. Jeder andere Grund dieser päpstlichen Pilgerfahrt, mag er auch gut und legitim sein, sollte ausgeschlossen sein.”
Der Besuch war eine Sensation: Zum ersten Mal kehrte der Nachfolger Petri in das Land Jesu zurück. Aber jeder andere Grund als Jesus Christus zu ehren war auch nicht zu realisieren – und das auf Dauer: Sowohl nach dem Sechs-Tage-Krieg 1967 wie nach dem Jom-Kippur-Krieg von 1973, der schließlich zum Abkommen von Camp David führte, wie dann später nach dem Golf-Krieg der Vereinigen Staaten gegen Saddam Hussein waren der Vatikan und die christlichen Konfessionen bei den entscheidenden internationalen Verhandlungen nicht dabei.
Johannes Paul II., Benedikt XVI. und Franziskus haben die religiösen Wurzeln des Konflikts im Heiligen Land immer angesprochen. Die “große Politik” hat sie nicht angepackt. Die Folgen erlebt die Welt jetzt, beim jüngsten Ausbruch von religiös begründeter Gewalt.
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