Alpen segnen – eine sinnvolle Tradition

Wenn die Älp­ler mit ihrem Vieh auf die Alpen gezo­gen sind, ist es in vie­len länd­li­chen Pfar­reien üblich, dass der Pfar­rer die Alpen seg­net. Das ist ange­sichts des Büro­krams, den ein Pfar­rer zu erle­di­gen hat, nicht nur eine will­kom­mene Abwechs­lung. Die Alpen­seg­nun­gen zäh­len zu den schöns­ten Auf­ga­ben eines Pfarrers

Quelle
Der Betruf in den Schweizer Alpen (e-periodica.ch)

Angesichts der fantastischen Aussicht und des idyllischen Glockengebimmels wundert man sich, dass nicht mehr Leute diese Alpenwelt entdecken und geniessen wollen, statt in endlosen Auto- und Warteschlangen vor dem Gotthardtunnel bzw. in Flughäfen ihre kostbare Ferienzeit zu vertrödeln und sich in den Ferien über reservierte Liegestühle zu streiten. Übrigens täte den Klimakleberinnen und -klebern eine solche Luftveränderung auch gut, um den Kopf auszulüften und das Gehirn wieder auf gesunden Menschenverstand umzustellen.

Früher eine zeitaufwendige Tradition

Die Alpensegnung ist eine Tradition, die weit zurückgeht, zurück auch in jene Zeit, als die verschiedenen Alphütten noch nicht so gut erschlossen waren wie heute. Da war der Priester während mehrerer Tage hauptsächlich zu Fuss unterwegs. Es sind rund 30 Alpen, die ich als Pfarrer von Unteriberg SZ zu segnen habe, wobei ein Teil zur Pfarrei von Oberiberg gehört. Mit einem geländegängigen Fahrzeug (natürlich mit Fahrbewilligung) benötige ich einen Tag für die Alp Käsern und Umgebung. Dort thront die Käsernkapelle, von der man ein grossartiges Panorama geniessen kann. Einen halben Tag brauche ich  für die sogenannte Weid weit oben über der wunderschönen Hirschkapelle sowie Tierfäderen und Alp Schrot.
Heutzutage ist es so, dass wohl nur noch eine Minderheit jener, welche die Alp bewirtschaften, während des ganzen Sommers in ihrer Alphütte wohnen. Manche fahren hauptsächlich am Morgen und Abend zur Alp und betreuen so ihr Vieh. Daher kann auch nicht erwartet werden, dass bei jeder Segnung der betreffende Senn zugegen ist.

Schutz vor Naturgefahren

Wer schon einmal ein kräftiges Gewitter in diesen Regionen erlebt hat, weiss, weshalb die Alpen gesegnet werden und um den Schutz für Mensch und Tier gebetet wird.
Wird die Gegend während einer Alpsaison von einem schweren Unwetter heimgesucht, kann sich das auf die Rechnung der Alpstrassengenossenschaft sofort mit einem Defizit von über Fr. 100 000 auswirken. Wenn das Unglück zuschlägt, verunfallen Tiere, die dann unter Umständen mit dem Helikopter geborgen werden müssen. Dem Hagel sind die Tiere oberhalb der Waldgrenze manchmal schutzlos ausgeliefert. Auch für jene, die auf den Alpen arbeiten, ist es nicht ungefährlich.

Bei jeder Alphütte wird nach dem Segen mit Kreide dasselbe Zeichen hinterlassen wie jeweils auch bei den Segnungen am Dreikönigstag: 20 + C + M + B + 23: Christus Mansionem Benedicat (Christus segne dieses Haus). Auf das M wird ein Kreuz gesetzt.
Gängig ist auch die Deutung als Anfangsbuchstaben der Namen der heiligen Drei Könige: Caspar, Melchior und Balthasar. War der Älpler abwesend, erkennt er an diesem Zeichen, dass seine Alphütte, die Weide und die Tiere gesegnet wurden.

Manchmal bietet der Älpler einen Umtrunk oder ein z’Vesper an, was man gern annimmt, sofern es der ambitionierte Zeitplan zulässt. Manche bedanken sich mit einem Stück Käse oder Speck. Es wird die Anekdote überliefert, wonach ein Pfarrer eine Alp segnete, bei der es eine obere und eine unter Hütte gab. Allerdings fand der Pfarrer, die Zeit sei so vorgerückt, dass er es nicht mehr schaffe, zur oberen Hütte hinaufzusteigen. Und da der Älpler der oberen Alphütte gerade draussen stand, sprengte der Pfarrer seinen Weihwasserwedel Richtung obere Alphütte und rief dazu hinauf: “Das soll gelten!” Darauf lief der Älpler in seine Alphütte und kam mit einem Laib Käse wieder heraus und hielt ihn Richtung Pfarrer: “Das soll gelten!”

Das Gebet der Älpler: Der Betruf

Genauso wie der Alpsegen ist auch der Betruf der Älpler am Abend der arbeitsreichen Tage eine sinnvolle Tradition, die laut dem “Liturgischen Institut” seit rund 450 Jahren besteht. Sehr beeindruckt war ich, als mir eine Erstkommunikantin erklärte, sie bete immer selbst den Betruf, wenn sie auf der Alp sei. Es existieren verschiedene voneinander abweichende Varianten. Der folgende “Innerschwyer Alpsegen” ist einem Beitrag des “Liturgischen Institutes” entnommen:

“Ave, Ave Maria
Es walte Gott und Maria
Der Name des Herrn sei gebenedeit
Von nun an bis in Ewigkeit
Vieh und Alpen, Leut und Land
Schütze und segne deine Hand
Ave Maria, sei gegrüsst,
Die du voll der Gnade bist
Unter den Weibern bist du benedeit
Und dein Kind Jesus in Ewigkeit
Heilige Maria, Mutter Gottes
Bitte für uns arme Sünder, jetzt
Und in der Stunde unseres
Absterbens, Amen.

Ave, Ave Maria
Es wallte Gott und Maria
Sankt Josef, Antoni und Wendelin
Sankt Philipp, Jakob und Isidor
Sankt Lukas, Mathäus und Markus
Und Sankt Johannes der Evangelist
Der beim Kreuz des Herrn gestanden ist.
Und die Engel und Heiligen alle
Sie sollen uns gnädig bewahren
Vor Übel, Unglück und Gefahren
An Laib und Seele, an Hab und Gut
Das liebe Vieh auch halten in treuer Hut
Und was sonst zur Alp gehören tut
Vor Hagel, Blitz und Wetterstrahl
Und vor den bösen Geistern all
Schütz uns Gott jetzt und alle Zeit
Ave, Ave Maria
Das walte Gott und Maria
Gelobt sei Jesus Christus in Ewigkeit
In alle Ewigkeit. Amen.”

Wer mehr über den Betruf wissen möchte, findet hier weitere Informationen: Brigitte Bachmann-Geiser, Der Betruf in den Schweizer Alpen, in: Geschichte der Alpen 11 (2006) 27–36.

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