Ohne Menschenbild keine Orientierung

Lieber die Augen verschließen als sich den Vorwurf “transphob” einhandeln: Katholische Bistümer lassen gerade die allein, die Hilfe am dringendsten bräuchten

Quelle
Unwissen gefährdet Kindeswohl

18.06.2023, 11:00 Uhr

Franziska Harter

Im Rahmen des Themas der Woche hat die “Tagespost” auch die deutschen Bistümer schriftlich dazu befragt, wie katholische Schulen Kinder und Jugendliche begleiten, die sich in der Schule als “trans” outen.

Auf einen detaillierten Fragekatalog antworteten die meisten bischöflichen Pressestellen mit einem lakonischen Hinweis auf die Grundregel der Nichtdiskriminierung und auf “Vielfalt als Bereicherung”. Die zum Teil bis ins Detail gleichlautenden Antworten lassen nur einen Schluss zu: Die meisten katholischen Bistümer verkennen aufs Radikalste sowohl die persönliche Not eines jungen Menschen, der im falschen Geschlecht geboren zu sein glaubt, als auch die komplexe Situation, die dadurch für den betroffenen Schüler selbst, seine Klasse und die gesamte Schule entsteht.

Rechtliches und entwicklungspsychologisches Wissen ist gefragt

Um nicht als transphob zu gelten, nehmen viele katholische Bistümer fahrlässig die Gefahr einer möglichen Kindeswohlgefährdung in Kauf. Diese besteht, wenn Schulen die “soziale Transition” eines Schülers ins andere Geschlecht wohlwollend bestätigen, ohne Eltern und psychologische Begleiter hinzuzuziehen. Eine soziale Transition führt in den meisten Fällen zu unumkehrbaren medizinischen Maßnahmen, unabhängig davon, ob eine vorübergehende Identitätskrise oder eine lebenslange Geschlechtsinkongruenz vorliegt.

Um entsprechende Situationen sensibel zu begleiten, bräuchte es seitens der Schulträger das nötige rechtliche und entwicklungspsychologische Wissen und entsprechende Leitlinien für Schulen; nichts davon ist vorhanden. Damit werden katholische Bistümer weder den betroffenen Schülern noch dem ideellen Anspruch einer katholischen Schule gerecht. Stattdessen wälzen sie die Verantwortung auf die betroffenen Schüler und Lehrer ab.

Die panische Angst davor, am Zeitgeist anzuecken, führt zum Verlust des Geistes der Unterscheidung und macht orientierungslos. Die ursprünglich sicherlich gute Intention, niemanden auszuschließen und die Würde aller Menschen zu respektieren, läuft damit nicht nur ins Leere, sie verkehrt sich in ihr Gegenteil. Wer kritiklos in das Horn der sexuellen Vielfalt bläst, lässt Kinder und Jugendliche allein, die eine Krise in ihrer Geschlechts- und Identitätsentwicklung durchlaufen und dringend einer – ergebnisoffenen – Hilfe bedürften. Das zu verstehen, dazu braucht es offenkundig noch nicht einmal die christliche Anthropologie, dazu reichen einige psychologische Grundkenntnisse.

Verlust der christlichen Anthropologie

Und doch ist es gerade der Verlust der christlichen Anthropologie, der den realistischen Blick auf den Menschen vernebelt. Zum Menschen und seiner Natur gehört eben auch, dass sich seine Biologie nicht ändern lässt. Das müssen junge Menschen lernen, denn alles andere ist Illusion, die nie in ein erfülltes Leben führt. Junge Menschen in der Illusion zu bestätigen, sie könnten ihr Geschlecht wechseln wie ein paar alte Jeans, führt sie auf einen Weg, der nicht selten mit operativen Eingriffen endet. Viele Detransitionierer berichten, dass weder Ärzte noch Psychologen noch Lehrer jemals ihren Transitionswunsch infrage gestellt haben. Auch katholische Schulen werden sich einmal von Menschen, die nach einem Geschlechtswechsel inklusive zerstörter Fruchtbarkeit wieder in ihr Ursprungsgeschlecht zurückwollen, sagen lassen müssen: “Ihr habt es besser gewusst und uns doch nicht geholfen.”

Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.

Hier kostenlos erhalten!

Themen & Autoren

Franziska Harter
Deutsche Bistümer
Katholische Schulen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Kategorien

Die drei Säulen der röm. kath. Kirche

monstranz maria papst-franziskus

Archiv

Empfehlung

Ausgewählte Artikel