Total synodal
Anderthalb Jahre haben die Synoden-Strategen des Papstes versucht, die Stimmen der Weltkirche zu kanalisieren. Jetzt ist die römische Bischofssynode am Zug
Quelle
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“Das darf in der katholischen Kirche nicht geschehen” | Die Tagespost (die-tagespost.de)
Als der Vatikan Mitte März die Vorbereitungskommission für die römische Bischofssynode im Oktober zur Synodalität bekannt gegeben hat, war bereits eine Vorentscheidung getroffen worden: Laien gehören nicht zum Planungsstab des Bischofstreffens, das dann im Oktober 2024 in eine zweite und abschließende Runde gehen soll. Der italienische Jesuit Giacomo Costa, der von Anfang an in Rom den Weltprozess begleitet hat, soll das Gremium koordinieren. Dabei sind zudem drei Bischöfe – aus Perth in Australien, Brownsville in Texas und Xai-Xai in Mosambik -, ein polnischer sowie ein italienischer Priester und eine Ordensfrau aus Japan. Selbstverständlich wird Kardinal Jean-Claude Hollerich an den Sitzungen der Kommission teilnehmen. Denn als Generalrelator der ganzen Bischofssynode kommt dem Luxemburger eine Schlüsselposition in dem 2021 gestarteten Unternehmen zu.
Was diese Arbeitsgruppe jetzt zu sichten hat, ist ein Berg von Papier. Die kontinentale Phase der Weltsynode ist mit acht Versammlungen zu Ende gegangen: Bereits im Dezember und dann im Januar dieses Jahres hielten die beiden Bischofskonferenzen Nordamerikas zwölf virtuelle Konferenzen ab. Im deutschsprachigen Raum wahrgenommen wurde die kontinentale Versammlung in Prag vom 5. bis 9. Februar. Weniger hörte man von der Zusammenkunft der Vertreter Ozeaniens genau zur selben Zeit in Suva, der Hauptstadt der Fidschi-Inseln. Ihnen folgten Mitte Februar die Delegierten Mittelamerikas und Mexikos mit einer Tagung in San Salvador und die entsprechende Konferenz der katholischen Ortskirche im Mittleren Osten, die in dem libanesischen Wallfahrtsort Harissa tagte. Die Versammlung der Ortskirchen Asiens fand Ende Februar in Bangkok statt. Den Abschluss bildeten die Afrikaner Anfang März in Adis Abeba und die Zusammenkunft des lateinamerikanischen CELAM in Bogot vom 17. bis 20. März. Es waren also acht Konferenzen, drei mehr als der Globus Kontinente hat.
Wie bei allen Kontinentalkonferenzen war auch in Lateinamerika die Teilnahme an den vorbereitenden Zusammenkünften in den einzelnen Ländern nicht sehr hoch gewesen. Obwohl der Süden Amerikas eine der katholikenreichsten Regionen der Kirche ist, hätten nur 406 Laien, Ordensleute, Diakone, Priester, Bischöfe und sonstige Geistliche an den Treffen der insgesamt 22 lateinamerikanischen Bischofskonferenzen teilgenommen, räumte der Präsident des CELAM, Kardinal Miguel Cabrejos, Erzbischof im peruanischen Trujillo, gegenüber “Vatican news” ein. Als ein “Dauerthema” nannte der Kardinal die Rolle der Frauen und ihre Beteiligung in der Kirche. Dabei gemeint sei “nicht nur die Beteiligung im allgemeinen Sinn, sondern auch die Beteiligung an Entscheidungsprozessen”.
Umgang mit homosexuellen Katholiken stellt Herausforderungen dar
Neben sprachlichen, religiösen und kulturellen Gräben, die den afrikanischen Kontinent durchziehen, waren in Adis Abeba neben der Frauenfrage auch die stärkere Einbindung der jungen Gläubigen und die Abkehr von klerikalistischen oder individualistischen Formen der Kirchenleitung sowie “Trends der Säkularisierung” ein Thema. Allerdings blieben die Fragen offen, wie die Kirche Afrikas mit Scheidung und Wiederheirat oder mit Männern umgehen soll, die mehrere Ehefrauen haben. Auch der Umgang mit homosexuellen Katholiken stellt eine Herausforderungen dar, nicht zuletzt angesichts der Tatsache, dass in mehr als 30 afrikanischen Ländern Homosexualität unter Strafe steht, was Papst Franziskus bei seiner jüngsten Afrika-Reise verurteilt hatte.
Wie alle abschließenden Erklärungen nach den Kontinentalversammlungen hob auch der Rat der Europäischen Bischofskonferenzen nach der Prager Konferenz in seinen Schlussbemerkungen hervor, dass die Methode der synodalen Urteilsfindung das eigentlich Wesentliche des gesamten Weltprozesses sei: “Es ist eine Art, Kirche zu leben, gemeinschaftlich Erkenntnisse zu gewinnen und die Zeichen der Zeit zu verstehen.” In Prag kamen dabei neben der stärkeren Einbindung der Frauen auch die jüngsten Erfahrungen des eigenen Kontinents ins Spiel: So die Missbrauchsverbrechen durch Kleriker und in kirchlichen Einrichtungen sowie der russische Angriffskrieg auf die Ukraine. Die Schlussbemerkungen nennen zwei Aspekte, um die es – anders als beim Synodalen Weg in Deutschland – beim Prager Treffen auch gegangen sei: ein neues synodales Verständnis “der Eucharistie als Quelle der Gemeinschaft” und die Erneuerung eines lebendigen Sinnes für die Mission, um “das Evangelium in die Herzen der Menschen zurückzubringen”.
Die abschließenden Stimmen zur kontinentalen Phase des synodalen Weltprozesses lesen sich wie Momentaufnahmen, in denen sich allgemeine Anliegen wie die Notwenigkeit der Mission in einem säkularisierten oder nicht-christlichen Umfeld, die Rolle der Frau oder die Überwindung des Klerikalismus mit den Besonderheiten der jeweiligen Weltregionen durchmischen. Die Vorbereitungskommission im Sekretariat der römischen Bischofssynode hat nun die Aufgabe, daraus ein neues Arbeitsdokument zu erarbeiten, das im kommenden Juni erscheinen soll und auf dessen Grundlage die zur Synode delegierten Bischöfe im Vatikan vom 4. bis 29. Oktober und nach weiteren Konsultationen nochmals ein Jahr später zu mehr oder weniger konkreten Ergebnissen kommen sollen. Die dann erzielten Voten werden als Schlussdokument dem Papst vorgelegt, der dann sein eigenes Nachsynodales Schreiben verfassen dürfte.
Gesprächsfluss auf den Mühlen einer Bischofssynode
In katholischen Medien ist bisweilen zu lesen, der römische Teil des jetzt noch anstehenden anderthalbjährigen Marathons diene der Umgestaltung der weltweiten Catholica zu einer “synodal verfassten Kirche”. Man kann es auch anders sehen, wie der Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolf. Seine Skepsis gegenüber dem Prozess rührt besonders daher, dass für Papst Franziskus Synodalität kein Verfahren sei, an dessen Ende irgendwelche Beschlüsse stünden, meinte er gegenüber dem Schweizer Portal “kath.ch”. Der Papst sei ja Jesuit. Und für Franziskus sei Synodalität eigentlich eine “ignatianische Aktivierung”: “Wenn es im Orden ein Problem gibt, sollen sich alle Mitglieder Gedanken machen. Am Schluss entscheidet aber der Generalobere der Jesuiten.” Das Arbeitsdokument für die kontinentale Phase vom Oktober letzten Jahres mit dem Titel “Mach den Raum deines Zeltes weit!” hatte zwar die unterschiedlichsten, auch als Defizite erfahrenen Umstände kirchlichen Lebens in den verschiedenen Weltgegenden zusammengefasst, nirgends aber davon gesprochen, strukturell, das heißt an der Verfassung der Kirche etwas zu ändern. Stattdessen sollten die bestehenden Strukturen der Kirche durch eine “Kultur der Synodalität” mit Leben erfüllt werden. Was immer das auch heißt. Viel geredet wurde in kirchlichen Kreisen immer. Diesen immerwährenden Gesprächsfluss leitet man jetzt kanalisiert auf die Mühlen einer Bischofssynode. Was kann dabei herauskommen?
Der Amazonas-Synode des Jahres 2019 waren ein ausuferndes Gerede und Textmassen darüber vorausgegangen, was sich nun in der katholischen Kirche ändern würde: Die “viri probati”, die Weihe bewährter verheirateter Männer zu Priestern, und die Einführung eines Diakonats der Frau standen ganz oben auf der Wunschliste nicht nur von Bischöfen und Theologen, einflussreicher Netzwerke wie dem REPAM oder des Generalrelators der Synode selbst, des brasilianischen Kardinals Claudio Hummes. Geschehen ist nichts. Franziskus lenkte seine Schlussfolgerungen im abschließenden Schreiben “Querida Amazonia” in die Bahnen seiner schöpfungstheologischen Umwelt-Enzyklia “Laudato sì” von 2015. Befriedigung bei den Klimaschützern. Entsetzen bei progressiven Frauenverbänden, als sie zum Thema “Frau in der Kirche” nur eine Aufforderung fanden, sich das Vorbild der Jungfrau und Gottesmutter Maria zu Herzen zu nehmen.
Inzwischen ist Franziskus drei Jahre älter und durch gesundheitliche Belastungen geschwächt. Ob jemand an einflussreicher Stelle den synodalen Weltprozess zum Anlass nimmt, dem Papst eine Neubewertung etwa der gleichgeschlechtlichen Beziehungen abzuringen oder in die hierarchische Verfassung basisdemokratische Elemente einzufügen, werden die kommenden anderthalb Jahre zeigen. Wenn aber in der Lehre der Kirche alles nach der abschließendem Synodenversammlung im Oktober 2024 bleibt wie gehabt, hätte Franziskus ja schon den nächsten Anlass, um die Aufmerksamkeit dann auf etwas anderes zu fokussieren: das große Heilige Jahr 2025, das nur wenige Wochen nach der Bischofssynode beginnt.
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