Jetzt liegen die Schlüssel in Peking

Durch seinen ideologisch motivierten Krieg gegen die Ukraine hat Wladimir Putin Russland in die vollständige Abhängigkeit von China manövriert

Quelle
Alle verlieren, nur China gewinnt

21.04.2023

Stephan Baier

Wladimir Putin wollte in die Geschichtsbücher eingehen – als jener strahlende Führer seines Volkes, der nach einer Phase des Niedergangs und der Schwäche die Größe und das weltpolitische Gewicht Russlands wiederhergestellt hat. Wladimir Putin wird in die Geschichtsbücher eingehen, aber als jener Tyrann, der sein Land ruiniert und in die völlige Abhängigkeit von China manövriert, ja zu einem Vasallen Pekings gemacht hat. Anstatt als größter Flächenstaat der Welt und wichtiger Energielieferant, als Atommacht und ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat eine eigenständige Rolle in einer multipolaren Welt zu spielen, hat Russland unter Putin vorsätzlich alle Brücken zu Europa und den USA abgebrannt, jegliches Vertrauen verspielt, einen tiefen Keil zwischen sich und alle seine westlichen Nachbarn getrieben und sich unter die Vormundschaft Pekings begeben.

Für Russland eine tiefe Blamage

Putins ideologisch motivierter Krieg gegen die Ukraine ist für Russland eine tiefe Blamage: Die stets gefürchtete russische Armee und die berüchtigten Wagner-Söldner stecken seit Monaten fest; sie können unzählige Zivilisten quälen und entführen, viel zerstören und verminen, das “Brudervolk” morden und foltern, aber sie sind unfähig, die offiziellen und die tatsächlichen Kriegsziele des Kreml zu erreichen. Dramatischer als die Blamage ist der Schaden, den dieser widersinnige, grundlose Krieg in beiden Ländern – in Russland wie in der Ukraine – anrichtet. Die Ukraine wird nach dem Krieg über viele Jahre humanitäre und ökonomische Wiederaufbauhilfe brauchen. Russland jedoch ist in eine gesellschaftliche, wirtschaftliche und geopolitische Sackgasse gerannt, in der es nur mehr von Pekings Gnaden überleben kann.

Alle Versuche des Kreml, die “ewige Freundschaft” zu China als Partnerschaft auf Augenhöhe gegen eine vermeintliche weltweite Dominanz des Westens zu verkaufen, sind – ähnlich den Potemkinschen Dörfern – notdürftig getünchte Fassaden. Dahinter sieht es ganz anders aus: China hat die durch den Ukraine-Krieg ausgelöste Krise strategisch als Chance genutzt, um seine Weltmachtansprüche auszuweiten und abzusichern. Ein geschwächtes Russland ist in Pekings Orbit mehrfach nützlich: als Absatzmarkt und Lieferant billiger Energie, als dünn besiedelter Raum, als Stimme im UN-Sicherheitsrat – kurz, als abhängiger Vasall.

Weltpolitisch bewegt sich Moskau zunehmend im Radius der chinesischen Einflusszone. Das demonstrierte zuletzt etwa der gönnerhafte Auftritt des chinesischen Verteidigungsministers Li Shangfu in Moskau. Oder Brasiliens Präsident Lula, der nicht in Moskau, sondern in Peking vorstellig wurde, um sich als Friedensvermittler ins Spiel zu bringen. Pekings Sicht und Wording unbeholfen übernehmend, empfing er danach den russischen Außenminister Lawrow in Brasilien.

Peking kontrolliert die “Spezialoperation”

Putin mag im russischen Machtgefüge noch alle Fäden in der Hand halten, mag seine Marionetten mit- oder gegeneinander antreten lassen, wie etwa Verteidigungsminister Schoigu und Wagner-Chef Prigoschin, die sich wechselseitig die Schuld am militärischen Versagen zuschieben dürfen. Auf weltpolitischer Ebene hat der Diktator im Kreml längst die Kontrolle über seine “Spezialoperation” an den großen Bruder in Peking abgetreten. Nicht in Moskau, sondern in Peking dürfte über die Bedingungen und Umstände eines Kriegsendes entschieden werden. Langfristig ist das eine überaus besorgniserregende Perspektive.

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