Papst: “Ukraine-Krieg wirft uns zurück zu Kain und Abel”
Es reicht, auf die “geliebte und gequälte” Ukraine zu schauen, um festzustellen, dass die Menschheit “zum Drama von Kain und Abel” zurückgekehrt ist. Das sagte der Papst an diesem Donnerstagvormittag den Delegierten des Verbundes der Ostkirchen-Hilfswerke ROACO, die Franziskus zur Audienz im Vatikan empfing
Mario Galgano – Vatikanstadt
Es ging in der Rede des Papstes an die Fachleute für Osteuropa und Heiliges Land nicht nur um den Krieg in der Ukraine. Auch die Lage im Irak und in Syrien, für die ein Koordinierungsbüro eingerichtet werden soll, sprach er an. Franziskus bezog ausserdem den Libanon ein, wohin er gerne in diesen Wochen hingereist wäre.
Die ROACO-Mitglieder haben diese Woche ihre 95. Versammlung in Rom abgehalten. Dabei erörterten die Experten, Kirchenvertreter und Mitarbeiter von Hilfswerken die Lage im Nahen Osten, aber auch in Äthiopien. Eine eigene Sitzung war der Ukraine gewidmet; dabei war der Grosserzbischof der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche Swjatoslaw Schewtschuk online zugeschaltet.
Synodalität der ROACO-Arbeit
Papst Franziskus hob zunächst die Synodalität der Arbeit von ROACO hervor, denn jedes Hilfsprojekt “impliziert die Beteiligung verschiedener Akteure: derjenigen, die es vorlegen, der Fachleute, die ihren Beitrag leisten, des Bischofs oder der Ordensoberen, der päpstlichen Vertretungen, des Dikasteriums für die Ostkirchen und von Hilfswerken, die eure Ämter bilden”. Kurz gesagt, jeder habe eine Rolle, und jeder sei aufgerufen, wie ein Orchestermitglied im Einklang mit anderen zu stehen.
Franziskus lud dazu ein, “bei der Gestaltung der Symphonie der Liebe” weiterhin “das Einvernehmen zu suchen und jeder Versuchung der Isolation und der Verschlossenheit in sich selbst und in den eigenen Gruppen zu entfliehen, um offen zu bleiben für die Aufnahme jener Brüder und Schwestern, denen der Geist vorgeschlagen hat, Erfahrungen der Nähe und des Dienstes an den katholischen Ostkirchen zu machen, sowohl im Mutterland als auch in den Gebieten der sogenannten Diaspora”.
Papst Franziskus verwies ausdrücklich auf einen kirchlichen Jugendtag in Damaskus im März, an dem die katholischen Bischöfe Syriens beteiligt waren. “In der Wüste der Armut und der Entmutigung, die durch die zwölf Jahre des Krieges verursacht wurden, die das geliebte und gequälte Syrien niedergeworfen haben, habt ihr als Kirche entdecken können, dass die Quellen, die die Steppen wieder zum Blühen bringen und den Durstigen Wasser geben, nur dann sprudeln, wenn jeder es versteht, eine gewisse Selbstbezogenheit aufzugeben und den anderen zuzuhören, um die wahren Prioritäten zu erkennen.”
10 Jahre nach Ecclesia in Medio Oriente
Der Papst erinnerte auch an den zehnten Jahrestag des Apostolischen Schreibens Ecclesia in Medio Oriente, das am Ende der Sondersynode für die Region des Nahen Ostens 2010 verfasst wurde. Eine prophetische Mahnung sei das, so Franziskus: Der Text, den Benedikt XVI. 2012 in Beirut unterzeichnete, habe bereits den Arabischen Frühling vorhergefühlt und den Finger auf den versteckten Exodus der Christen aus der Region gelegt, der dann immer deutlicher geworden sei.
Papst Franziskus stellt fest, dass “in zehn Jahren viel passiert ist”, von den “traurigen Ereignissen” im Irak und in Syrien bis hin zu den Umwälzungen im Libanon selbst. Als Zeichen der Hoffnung verwies der Papst dann aber auf das in Abu Dhabi unterzeichnete Dokument über die menschliche Geschwisterlichkeit.
Zehn Jahre nach der Synode bat nun Franziskus darum, “die Früchte der Synode für den Nahen Osten vor Ort zu überprüfen”. Die Kirche solle nach neuen Wegen suchen, um ihre Nähe zu den Christen in der Region zum Ausdruck zu bringen.
Der Papst unterlies es nicht, “das Drama des Konflikts zu erwähnen, der von Tigray aus erneut Äthiopien und zum Teil auch das benachbarte Eritrea verwundet hat”, und schloss mit der Situation in der Ukraine.
“Eine Gewalt ist entfesselt worden, die das Leben zerstört, eine teuflische Gewalt, auf die wir Gläubigen aufgerufen sind, mit der Kraft des Gebets, mit der konkreten Hilfe der Nächstenliebe, mit allen christlichen Mitteln zu reagieren, damit die Waffen den Verhandlungen weichen.”
“Dort sind wir zum Drama von Kain und Abel zurückgekehrt; eine Gewalt ist entfesselt worden, die das Leben zerstört, eine teuflische Gewalt. Wir Gläubigen sind dazu aufgerufen, mit der Kraft des Gebets, mit der konkreten Hilfe der Nächstenliebe, mit allen christlichen Mitteln zu reagieren, damit die Waffen den Verhandlungen weichen.“
Der Papst zitierte dann eine Friedensprophezeiung des Jesaja und wies darauf hin, dass stattdessen “alles in die entgegengesetzte Richtung zu gehen scheint: die Nahrungsmittel werden weniger und das Getöse der Waffen nimmt zu”. “Hören wir also nicht auf”, schloss Papst Franziskus, “zu beten, zu fasten, zu helfen, zu arbeiten, damit die Wege des Friedens im Dschungel der Konflikte Platz finden”.
vatican news, 23. Juni 2022
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