“Orthodoxie würde Papst als Kirchenoberhaupt anerkennen”

Für den Grazer orthodoxen Theologen Grigorios Larentzakis steht es ausser Zweifel, dass die orthodoxe Kirche den Papst als Kirchenoberhaupt im Sinne eines “Primus inter pares” anerkennen würde

Quelle
Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. – Sein Ökumeneverständnis und die Orthodoxie

Freilich müssten zuerst andere kirchentrennende Hindernisse ausgeräumt werden, aber auch hier sieht der Theologe keine unlösbaren Probleme.

In einem ausführlichen Beitrag in der katholischen deutschen Zeitung “Die Tagespost” schreibt Larentzakis wörtlich: “Von orthodoxer Seite wäre es selbstverständlich und würde keinerlei Widerstand erfahren, dass nach einer Regelung aller trennenden kontroversiellen theologisch-kirchlichen Fragen durch den ökumenischen Dialog Rom wieder für alle Kirchen den ersten Platz einnehmen würde.”

“Der Erste für alle Kirchen”

In der Verwirklichung der Kirchengemeinschaft von mehreren autonomen Schwesterkirchen wäre der Papst der “Erste für alle Kirchen”, aber nicht als Höchster bzw. absoluter Souverän, dem alle anderen Patriarchen, Erzbischöfe und Bischöfe untergeben wären. Die innere Autonomie der einzelnen selbstständigen Kirchen dürfe nicht beeinträchtigt, sondern müsse respektiert werden – bis hin zur selbstständigen Wahl der eigenen Bischöfe und des jeweiligen “Ersten Kirchenleiters”.

Als “Primus inter pares” hätte der Papst aber nicht nur einen blossen Ehrenprimat, sondern auch konkrete Pflichten und Aufgaben, “ja auch Rechte im Dienste der Gesamtkirche”, so Larentzakis: “So käme ihm nach einvernehmlichen Beratungen und Übereinkünften das Initiativrecht, das Einberufungsrecht, das Vorsitzrecht, das Koordinationsrecht für ein gemeinsames Ökumenisches Konzil zu – oder was immer für die Gesamtkirche Christi und für das Heil aller Menschen gemeinsam vereinbart werden muss”.

Ein Vorschlag von Paul VI.

Der orthodoxe Theologe erinnert an den Besuch von Papst Paul VI. 1967 in Konstantinopel. Der Ökumenische Patriarch Athenagoras habe den Papst mit den Worten begrüsst: “Und siehe, wir haben in unserer Mitte, gegen jede menschliche Erwartung, den Bischof von Rom, den ersten von uns, der Ehre nach, den Vorsitzenden der Liebe.”

Auch Papst Paul VI. habe in seiner Antwort einen bedeutsamen Vorschlag gemacht, der leider nicht genug Aufmerksamkeit erfahren habe – weder im Osten noch im Westen, so Larentzakis. Paul VI. habe betont, er komme nach Konstantinopel ohne Vorbedingungen. Er wolle von Patriarch Athenagoras gangbare Vorschläge für die Förderung des Dialogs und der Verwirklichung der vollen Einheit. Die Liebe, sagte der Papst, sei der Ausgangspunkt.

“Rom muss vom Osten nicht mehr fordern…”

Auf diese Begegnung habe auch Joseph Ratzinger in seinem viel zitierten Grazer Vortrag am 26. Januar 1976 Bezug genommen. Larentzakis zitiert Ratzinger, den späteren Papst Benedikt XVI., so: “Rom muss vom Osten nicht mehr an Primatslehre fordern, als auch im ersten Jahrtausend formuliert und gelebt wurde. Wenn Patriarch Athenagoras am 25.7.1967 beim Besuch des Papstes im Phanar diesen als Nachfolger Petri, als den ersten an Ehre unter uns, den Vorsitzenden der Liebe, benannte, findet sich im Mund dieses grossen Kirchenführers der wesentliche Gehalt der Primatsaussagen des ersten Jahrtausends, und mehr muss Rom nicht verlangen”.

Die Äusserungen von Papst Paul VI. seien unmissverständlich, so Prof. Larentzakis: Es gehe nicht um einen Anspruch auf universale Jurisdiktion, sondern darum, “sich gegenseitig in Liebe anerkennen und achten als Hirten des ihnen von Christus anvertrauten Teils der Herde”. Das sei wegweisend, betont der orthodoxe Theologe.

Tatsächlich gemeinsam unterwegs

Hoffnungsvoll stimmten ihn die vielen Begegnungen des Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, Bartholomaios, mit den Päpsten Johannes Paul II., Benedikt XVI. und Franziskus. “Wenn man die menschliche Nähe bei diesen Begegnungen betrachtet und die Übereinstimmung in Fragen des Umweltschutzes, des Friedens oder des Einsatzes für Flüchtlinge sieht, dann wissen wir, dass unsere Kirchen es mit der Wiederbelebung der vollen kirchlichen Gemeinschaft ernst meinen und dass wir tatsächlich unterwegs sind”.

Die Wiederbelebung der kirchlichen Gemeinschaft sei nicht nur notwendig, sondern auch möglich ist, zeigt sich Larentzakis überzeugt. Eine solche Perspektive wäre seines Erachtens nicht nur zwischen katholischer und orthodoxer, sondern auch mit anderen Kirchen möglich.

kap – sk, 10. Juli 2021

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