Unser Sonntag: Die Weggestalt

In seinem ersten Kommentar zum Evangelium geht es um den Wegbereiter Johannes den Täufer, der auf den Herrn weist. Gott ist konkret und in der Religion binden wir uns an den Höheren, den Gott der Geschichte. Die wichtigste Herausforderung ist, so Overbeck, dass wir uns zu wirklich spirituellen Menschen wandeln und so auf den hinweisen, dessen Geburt wir an Weihnachten feiern

Quelle
Unser Sonntag: Im Dezember mit Bischof Franz-Josef Overbeck
Evangelium/Lesungen

Dr. Franz-Josef Overbeck – 2. Advent – Lk 3, 1-6

In jedem Advent bereiten wir uns auf das Weihnachtsfest vor. Dabei kommen uns wichtige biblische Gestalten zu Hilfe. An diesem zweiten Adventssonntag ist es die Figur des Johannes. Wir hören dabei aus dem Lukasevangelium. Es ist das Evangelium, das vor allem für Heidenchristen geschrieben ist, also für Menschen, die wussten: Wir sind Christen, kommen aber aus einer anderen Tradition als der des Judentums.

Es war wichtig, deutlich zu machen, was es heisst, dass wir uns mit Johannes, dem Wegbereiter Jesu Christi, auf dessen Geburt vorbereiten. Es ging dabei um Menschen, die eine Deutung und einen neuen Zugang für das brauchten, was die lange Tradition der heiligen Schrift mit der Offenbarung Gottes zeigt und was durch die Propheten schließlich deutlich wurde. Gott hat sich in Jesus selbst offenbart.

Wer ist Johannes?

Dafür ist das heutige Evangelium ein wunderbarer Text. Er hilft uns zu verstehen, wer Johannes ist – vor allem solchen Menschen, die den Glauben neu ergreifen, da sie nicht in der Tradition des Judentums beheimatet sind. Es sind Menschen aus ganz verschiedenen Kulturen. Sie alle lernen: Wer sich auf Jesus einlässt, der geht einen neuen Weg. Und dafür ist Johannes da. Er bereitet den Weg für Jesus. Er ist eine Weggestalt. Eine Gestalt, die hinweist auf einen, der grösser ist als er, wie es später einmal im Johannesevangelium heissen wird. Das Lukasevangelium ist dabei eines, das sehr sensibel ist für die Geschichte.

Der geschichtliche Rahmen

Und so hören wir gerade heute, am Beginn des dritten Kapitels des Lukasevangeliums, in welchem geschichtlichen Rahmen Johannes auftritt und die Geburt Jesu und sein Kommen vorbereitet.
Gott wird Mensch in einer geschichtlichen Zeit und wer, aus welcher Kultur auch immer stammend, sich auf Jesus einlässt, lässt sich auf den Gott der Geschichte ein. Und dieser Gott der Geschichte ist ganz konkret. Er wird Mensch, damit wir Menschen, an uns selber sehend und über uns hinausgehend, Gott erkennen. So gelesen, ist das Lukasevangelium ein Text, der mitten in unsere Welt spricht. Wir sind geschichtliche Menschen. Wir verstehen vieles, was heute ist, aus dem Gewordensein unserer Tradition. Wir verstehen es, wenn wir wissen, woher wir kommen und wenn wir eine Ahnung haben, wohin wir gehen wollen. Genau in eine solche Situation hinein leben wir heute unser Christsein.

Gott ist konkret

Wo sind jene Gestalten, die uns wie Johannes darauf hinweisen: Gott ist konkret, er ist nicht irgendeine Idee, er ist nicht irgendeine magische Figur, er ist so konkret, wie wir Menschen es auch sind? Johannes weist darauf hin: Der Gott, der als Mensch kommt, das ist Jesus von Nazareth. Und dafür will Johannes ebene Strassen bilden. Dafür will er Menschen befähigen, selbst auf Jesus zuzugehen. Darum weiss er, in der biblischen Sprache der Propheten gesprochen: Die Strassen werden eben und die Hügel werden sich senken, alle Hindernisse werden überwunden.

Bindung an den Höheren

Wir leben in Zeiten, in denen wir zwar sehr geschichtliche Menschen sind, aber zugleich neu nach dem Suchen, was uns trägt und hält. Für uns glaubende Menschen ist das Gott. Und dafür haben wir in unserer langen Tradition viele Formen von Religionen entwickelt. In einer gewissen Form ist auch das Christentum eine Religion. Sie zeigt uns, woran wir uns binden – an den Höheren. Aber es ist nicht irgendein Gott, sondern der Gott der Geschichte.
Wir merken, wie dieser Gott, der sich uns in der Religion des Christentums zeigt, auf uns kommt, immer weniger Menschen anrührt. In unserer Welt des beginnenden dritten Jahrtausends, in der wir genauso wie im Lukasevangelium sagen können, wer regiert, müssen wir unter neuen Bedingungen genau diese Weisen erkennen, wie wir uns vorbereiten können, Gott zu erkennen.

“Eine der wichtigsten Herausforderungen heute ist es, spirituell zu leben, also geistlich da zu sein.”

Eine der wichtigsten Herausforderungen heute ist es, spirituell zu leben, also geistlich da zu sein. Manche Menschen meinen heute immer noch, die grösste Herausforderung des Christentums sei es, sich mit dem Liberalismus, dem Säkularismus, vielleicht mit einer Spielform des säkularen Liberalismus auseinanderzusetzen, gar des Agnostizismus oder des Atheismus. Das mag sein. Aber die grösste Herausforderung besteht darin, dass wir uns selbst, im Rahmen der Veränderungsprozesse des Religiösen, zu wirklich spirituellen Menschen wandeln. Wirklich spirituell zu sein – das heisst, aus dem Geist zu leben. Nur in einem solchen Geist können wir erkennen, dass wirklich in einem Menschen, nämlich in Jesus, Gott auf uns zukommt.

“Wir brauchen Praxiserfahrung, die uns spirituell leben lässt und uns vorbereitet für den Gott, der kommt.”

Wo sind dann heute die Gestalten, die uns zeigen, wie Johannes es damals in der Wüste getan hat, wie wir uns vorbereiten können auf diesen Gott? Überall dort, wo Menschen neue spirituelle Aufbrüche leben, aus dem Geist Jesu z.B. ganz praktisch sind, so wie es das Lukasevangelium in vielfacher Weise sagt. Denken wir nur an die vielen Beispiele und Gleichnisse, die er bringt, wie das vom verlorenen Sohn oder das von der verlorenen Münze, die wiedergefunden wird. Sie zeigen: Wir brauchen Praxiserfahrung, die uns spirituell leben lässt und uns vorbereitet für den Gott, der kommt. So auf Weihnachten zuzugehen bedeutet, sich zu fragen, wo in unserem Alltag sind Gestalten wie Johannes.

Wir glauben an einen ganz lebendigen Gott

Wer hilft mir, im Leben zu erfahren, dass in einer spirituellen, geistlichen Erfahrung eine Ahnung von dem aufgehen kann, der grösser ist als ich? Oder: Wo in einer konkreten hilfreichen Tat wird deutlich – jetzt kommt Gott auf uns zu, wie es das Lukasevangelium sehr konkret geschichtlich zeigt?

Ich wünsche Ihnen einen gesegneten zweiten Advent, der auf diesem Weg deutlich macht, dass wir Christen nicht an irgendeinen Gott glauben, sondern an einen Gott, der ganz lebendig ist, aber auch deswegen ganz der Gott der Geschichte ist, weil er in Jesus Mensch wird.

Eine Welt der Bekehrten…

Bei Johannes war es so faszinierend, dass viele Menschen zu ihm strömten und er dann darauf hinweisen musste, es ginge nicht um ihn, sondern um Jesus. Das sind die wahren, wichtigen Gestalten, über die wir als Christinnen und Christen wissen, dass wir uns an sie halten können – als spirituelle Menschen, die uns selbst zu dem machen wollen, was wir durch die Taufe sein können. Denken wir an jene Heidenchristen, für die das Lukasevangelium geschrieben ist. Sie waren Bekehrte und unsere Welt – hier – wird eine Welt der Bekehrten sein. Hoffen wir auf viele Johannesgestalten, die spirituell leben und so auf den hinweisen, dessen Geburt wir an Weihnachten feiern.

vatican news – claudia kaminski, 4. Dezember 2021

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