Unser Sonntag: Innerer Friede
In diesem Kommentar zum Evangelium fragt Prior Mauritius Wilde, welche Dämonen die Jünger wohl geritten haben – und er stellt klar, dass wir uns fragen müssen, ob wir zufrieden sind – oder den Unfrieden zu den anderen tragen
Quelle/Video
Lesung/Evangelium
Unser Sonntag: Gott will unser Heil
Päpstliches Athenaeum Sant’Anselmo
Pater Mauritius Wilde OSB – Mk 9, 30-37
Als Jesus die Jünger fragt, worüber sie unterwegs geredet haben, schweigen sie. Warum eigentlich? Wahrscheinlich, weil es ihnen peinlich ist zuzugeben, worüber sie geredet haben.
Vielleicht schämen sie sich sogar ein wenig. Das ist typisch für Situationen, in denen “Leidenschaften” am Werk sind, typisch auch dafür, wie die Dämonen arbeiten: Das Böse versteckt sich gerne vor Gott, es will nicht ans Tageslicht, es wirkt am besten, wenn es im Dunkeln bleibt. Welche Dämonen haben die Jünger hier geritten? Es waren Ruhmsucht und Stolz (Wer ist der Grösste?)
“Das Böse versteckt sich gern vor Gott”
Es ist schon ein wenig frivol: Jesus redet darüber, dass er leiden muss, dass er sterben muss, und die Jünger haben nichts Besseres zu tun als über ihre Karriere nachzudenken. Es ist auch irgendwie enttäuschend. Könnten wir nicht von ihnen erwarten, dass sie bescheidener sind, demütiger, nach all dem, was sie mit Jesus erlebt haben, nach allem, was er sie gelehrt hat? Sie hatten doch das Privileg, ihn, den Sohn Gottes, aus aller nächster Nähe zu erleben. Ja, auch das scheint nicht davor zu schützen, dass man abgleitet in dunkle Gedanken.
Klerikalismus auch unter Laien
Die Enttäuschung ist heute noch dieselbe, wenn wir Priester sehen, Geistliche, die sich mehr um sich selbst kümmern als um die ihnen Anvertrauten. Die sich, wie die Jünger, ausrechnen, was ihnen die Nähe zu Jesus, die Nähe zu Gott, vielleicht für Ihre Karriere bringen kann. Es ist diese Form des Klerikalismus, vor der auch Papst Franziskus oft warnt. Übrigens gibt es Klerikalismus nicht nur unter Klerikern, es gibt ihn auch unter Laien. Was bekomme ich dafür, dass ich Jesus diene? Welchen Rang, welchen Stand, welches Ansehen, welche Anerkennung? Wir vergleichen uns, wie die Jünger, und fragen uns: wer ist grösser?
Jesus tadelt die Jünger nicht
Ich könnte mir vorstellen, dass auch Jesus enttäuscht war, als er entdeckte, worüber die Jünger redeten. Aber zumindest zeigt er es nicht. Er tadelt die Jünger nicht einmal, er macht ihnen keinen Vorwurf. Vielleicht weil er sieht, dass sie sich bereits selbst schämen. Es gibt keinen Grund, sie noch weiter zu beschämen mit einer tadelnden Rede. Stattdessen setzt er sich (eine Geste der Autorität) und beginnt den Jüngern zu erklären, worauf es ihm ankommt, ganz anschaulich, ein Kind in ihre Mitte stellend, so dass sie verstehen können, worum es ihm und seinem Vater geht. Jesus ist mit seiner Person und seinen Absichten ganz transparent, er muss nichts verheimlich, nichts hinter dem Berg halten. Er ist die Offenbarung Gottes, ist gesandt zu zeigen, wie der Vater ist, darin besteht die Erlösung für uns Menschen. Er liebt uns, auch wenn wir dunkel handeln. Er vergibt uns, damit wir wieder ans Licht kommen.
Zorn und Traurigkeit sind dunkle Mächte
Seinen Charakter können wir uns vielleicht vorstellen, wie es der Jakobusbrief heute in der zweiten Lesung beschreibt: “Die Weisheit von oben ist heilig, friedfertig, freundlich, gehorsam, reich an Erbarmen und guten Früchten, sie ist unparteiisch, sie heuchelt nicht.”
Jesus reagiert nicht, wie wir vielleicht reagiert hätten: zornig zum Beispiel (“Wie könnt Ihr nur…!”) oder traurig (“es ist ganz umsonst, was ich sie gelehrt habe…”). Zorn und Traurigkeit sind ja auch dunkle Mächte, die nicht weiterführen. Jesus reagiert nicht mit Leidenschaften auf Leidenschaften. Stattdessen bleibt er ganz ruhig.
Der Jakobusbrief fragt: “Woher kommen die Kriege bei euch, woher die Streitigkeiten?” Und er antwortet: “Etwa nicht von den Leidenschaften, die in euren Gliedern streiten? Ihr begehrt und erhaltet doch nichts. Ihr mordet und seid eifersüchtig und könnt dennoch nichts erreichen. Ihr streitet und führt Krieg. Ihr erhaltet nichts, weil ihr nicht bittet.”
“Das Leben auf der Erde ist kein Ponyhof. Ich glaube, Jesus weiss das.”
Leidenschaftlich zu sein ist menschlich. Es ist menschlich, einmal wütend zu werden oder traurig. Es ist auch menschlich, sich mit anderen zu vergleichen und zu fragen: Wie bekomme ich meinen Vorteil? All das steckt in uns Menschen drin. Wir müssen sogar ein wenig so sein. Es ist vielleicht die “Weisheit von unten”: Wenn ich nicht für mich sorge, wer dann? Das Leben auf der Erde ist kein Ponyhof. Ich glaube, Jesus weiss das. Die Frage ist nur, wie stark man sich davon leiten lässt. Wie sehr man sich von solchen Gedanken und Gefühlen “besetzen” lässt, ja besessen ist. Denn dann sind wir nicht mehr frei. Und dann vergessen wir, dass es da noch einen gibt, der für uns sorgt, wie ein guter Vater und ein gute Mutter.
Wie wird man so friedfertig wie Jesus?
Liebe Schwestern und Brüder,
wir können uns heute einmal fragen: Wie wird man so friedfertig wie Jesus? Jesus sagt in der Bergpredigt: “Selig die Frieden stiften, denn sie werden Söhne und Töchter Gottes genannt werden.” Der erste Schritt ist, dass wir zunächst Frieden in uns selbst einkehren lassen. Der Unfrieden in uns, in unserem Inneren, ist es, der den Unfrieden um uns herum anstiftet. Wir sind ärgerlich, frustriert, ängstlich, zynisch, eifersüchtig, was auch immer, besetzt von Leidenschaften, und gehen damit zu anderen und stecken sie an: “Die Frevler tauschen ihre verkehrten Gedanken aus” sagt die 1. Lesung aus dem Buch der Weisheit. Wir tragen unseren Unfrieden zu den anderen und das schafft noch grösseren Unfrieden.
Wir dürfen alles zu Gott tragen
Deshalb würde es sich lohnen zu betrachten, wie es mit unserem eigenen Frieden steht. Mit unserem inneren Frieden. Bin ich zufrieden? Wenn ich zufrieden mit mir und meinem Leben bin, dann kann auch ich Frieden ausstrahlen. Bin ich zufrieden mit meinem Körper, mit meiner Seele, mit meiner Lebensgeschichte, mit meinen Beziehungen, ja auch mit dem, wie Gott zu mir ist, zumindest wie ich ihn erlebe? Wenn bei dieser Betrachtung Dinge in mir auftauchen, mit denen ich (im Moment) nicht zufrieden bin, dann bin ich eingeladen, diese ans Tageslicht zu bringen. Ich darf sie Gott erzählen. Ich darf sie vor ihn hintragen. Denn Jesus fragt auch mich. “Worüber habt ihr geredet? Welche Gedanken kreisen gerade in Deinem Kopf?”. Er lädt mich ein, es mit ihm zu teilen. Er will mir helfen, Frieden in meine Gedanken und Gefühle zu bringen.
Kinder Gottes
Das Buch der Weisheit zitiert die Gedanken der Bösen, und die Kirche bezieht diesen Text auf Jesus: “Wir wollen sehen, ob seine Worte wahr sind, und prüfen, wie es mit ihm ausgeht. Ist der Gerechte wirklich Sohn Gottes, dann nimmt sich Gott seiner an und entreisst ihn der Hand seiner Gegner.” Gott hat sich seiner angenommen. So hat sich Jesus als Sohn Gottes erwiesen. Wir dürfen vertrauen, wenn auch wir geprüft werden, dass Gott sich unserer annimmt. Dass er uns der Hand der Gegner entreisst. Unser Part ist nur, uns zu erinnern, dass wir Gottes Kinder sind, und von ihm dankbar zu erbitten, was wir brauchen, Seinen Frieden.
radio vatikan – redaktion claudia kaminski, 18. September 2021
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