Ukraine: “Bevölkerung lebt in Angst”

Als durchaus gefährlich schätzt der für den Südosten der Ukraine zuständige römisch-katholische Bischof die derzeitige Truppenmobilisierung Russland nahe der ukrainischen Grenze ein

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Ukraine: Dankbar für Friedensappell von Franziskus
Kirche in Not

Als durchaus gefährlich schätzt der für den Südosten der Ukraine zuständige römisch-katholische Bischof die derzeitige Truppenmobilisierung Russland nahe der ukrainischen Grenze ein.
“Niemand weiss derzeit, ob es nur eine Machtdemonstration ist oder tatsächlich ein militärischer Einsatz bevorsteht. In der ukrainischen Bevölkerung verfolgt man die Nachrichten jedenfalls mit Angst”, erklärte Stanislaw Szyrokoradiuk, Diözesanbischof von Odessa-Simferopol, am Donnerstag im Interview mit der österreichischen Nachrichtenagentur Kathpress.

Besonders in der Schwarzmeer-Metropole Odessa sowie im nahe der Separatisten-Region im Osten gelegenen Charkiw sei die Lage gespannt: “Die russische Armee ist in der Nähe auf der anderen Seite der Grenze, und die beiden Städte wären im Falle einer Invasion aus strategischen Gründen das erste Ziel”, so der Bischof. Selbst wenn die aktuellen Geschehnisse nur ein Säbelrasseln Russlands wäre, sei eine politische und diplomatische Lösung für den Konflikt derzeit nicht in Sicht.

Angst vor einer russischen Invasion

Deutlichere Warnungen angesichts des russischen Truppenaufmarschs hatte zuletzt der Allukrainische Rat der Kirchen und Religionsgemeinschaften an die Welt gerichtet und ein “entschlossenes Engagement” auch der internationalen Gemeinschaft und Diplomatie eingefordert. Es gelte, wieder den Weg zu einem “gerechten Frieden” einzuschlagen und das bereits kurz nach den Maidan-Protesten 2014 beginnende Blutvergiessen im Osten des Landes “ein für alle Mal zu beenden”. Der Vorsitzende des Rates, der Kiewer griechisch-katholische Grosserzbischof Swjatoslaw Schewtschuk, warnte explizit vor einer “Invasion”.

In der von Russland unterstützten Separatistenzone im Osten habe sich die Situation zumindest aus Kirchensicht kaum verändert, sagte Szyrokoradiuk, der bis ins Vorjahr für diese Region als Diözesanadministrator zuständig war. In den Städten Lugansk und Donezk gibt es weiterhin jeweils zwei römisch-katholische Pfarren, in welche Priester teils nur übergangsweise an den Feiertagen kommen.

Eine gewisse “Normalität” habe sich innerhalb der umkämpften Zone eingestellt, wenngleich unter Beschränkungen auch jenseits der Corona-Bestimmungen: “Politische Fragen dürfen in den Predigten etwa nicht berührt werden”, verdeutlichte Szyrokoradiuk. Es gebe im Osten keine Freiheit wie im Rest des Landes, zudem leide die Bevölkerung auch unter verteuerten Preisen; ein Grund für viele, in die Ukraine zum Lebensmitteleinkauf zu kommen. An der “sogenannten Grenze” gebe es viele Kontrollen, und sie werde nachts und mitunter auch tagsüber geschlossen, berichtete der Bischof.

Über die Pandemie sagte der innerhalb der ukrainischen Bischofskonferenz für den Bereich Caritas zuständige Bischof, das Land habe Anfang April den Höhepunkt der zweiten Infektionswelle erlebt, mit 7-Tages-Inzidenzen von derzeit rund 200 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner, Trend fallend. Erst ein Prozent der 43 Millionen Einwohner hätte die erste Impfung erhalten, bisher 42.000 Ukrainer verstarben infolge einer Corona-Erkrankung.

“Vielen Pfarreien fehlt das Geld, um Heizung und Strom zu bezahlen”

Ebenso wie die ukrainische Wirtschaft durch viele Firmenpleiten geschwächt sei, erlebten auch die Kirchen finanzielle Nöte, schilderte Szyrokoradiuk. “Vielen Pfarreien fehlt das Geld, um Heizung und Strom zu bezahlen.”

Dank humanitärer Unterstützung aus dem Westen könne die “Caritas-Spes”, wie der Zweig der Hilfsorganisation der in der Ukraine zahlenmässig nur kleinen römisch-katholischen Kirche heisst, dennoch Opfer der Krise unterstützen; durch Suppenküchen, Verteilaktionen oder auch durch Errichtung von Häusern für alleinstehende Mütter. Die Kirche reagiere damit auf gestiegene familiäre Gewalt im Lockdown, so der Bischof.

kap – sk, 22. April 2021

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