Der Papst der Zeitenwende

Wie Benedikt XVI. eine neue historische Epoche der Kirche eröffnet hat  Abonnement: Vatican Magazin

der papst der ZeitenwendeErzbischof Gänswein: Mosaiksteine zum Verstehen von Benedikt XVI.
18. April 2005
Papst em. Benedikt XVI. (1475)

Am 21. Mai 2016 fand in der Päpstlichen Universität Gregoriana die Vorstellung des Buches des Kirchengeschichtlers Roberto Regola über den Pontifikat Benedikts XVI. statt. In seinem Werk mit dem Titel „Jenseits der Krise der Kirche. Das Pontifikat Benedikts XVI.“ versucht der Autor, als Historiker wesentliche Dimensionen der Geschichte der jüngsten Zeit zu umreißen. Erzbischof Georg Gänswein, Präfekt des Päpstlichen Hauses und Sekretär des emeritierten Papstes, hielt zu diesem Anlass einen Vortrag, der innerste Einblicke in eine Geschichte bietet und sich mit der absoluten Einzigartigkeit des Amtsverzichts Benedikts XVI. und den Folgen für die Kirche auseinandersetzt. Wir veröffentlichen eine leicht gekürzte Fassung.

Von Erzbischof Georg Gänswein

In einem der letzten Gespräche, die der Papst-Biograph Peter Seewald aus München mit Benedikt XVI. führen konnte, hat er ihn zum Abschied gefragt: „Sind Sie nun das Ende eines Alten oder der Beginn eines Neuen?“ Die Antwort des Papstes war kurz und bestimmt: „Beides“. Der Recorder war wohl schon ausgeschaltet. Darum taucht dieser letzte Dialog in keinem Buch Peter Seewalds auf, auch nicht in dem berühmten „Licht der Welt“, sondern nur in einem Interview mit dem „Corriere della Sera“, bei dem der Biograph sich nach der Verzichtserklärung Benedikts XVI. an diese Schlüssel-Worte erinnerte.

Und knapper lässt sich das Pontifikat von Benedikt XVI. vielleicht kaum fassen, wie ich gestehen muss, als jemand, der diesen Papst ja in all diesen Jahren aus nächster Nähe als einen klassischen „homo historicus“ erleben durfte, als einen Abendländer schlechthin, der den Reichtum der katholischen Tradition des Westens verkörperte wie kein Mensch sonst, der mir in den Sinn kommt – und der doch gleichzeitig so überaus kühn das Tor für einen neuen Abschnitt jener Zeitenwende geöffnet hat, wie es sich vor fünf Jahren noch kaum einer vorstellen konnte.

Seitdem leben wir in einer historischen Epoche, die in der zweitausendjährigen Kirchengeschichte ohne Beispiel ist. Wie seit den Tagen des Petrus kennt die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche zwar auch heute immer noch nur einen einzigen rechtmässigen Papst. Doch heute leben wir seit drei Jahren mit zwei lebenden Nachfolgern Petri unter uns – beide konkurrenzlos untereinander, doch beide mit einer ausserordentlichen Präsenz! Hinzufügen dürfen wir noch, dass der Geist Joseph Ratzingers davor auch schon das lange Pontifikat des heiligen Johannes Paul II. entscheidend geprägt hat, dem er für fast ein Vierteljahrhundert treu als Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre diente. Viele empfinden diese neue Situation heute immer noch als eine Art göttlichen Ausnahmezustandes.

Doch ist es jetzt schon Zeit für eine Bilanz des Pontifikats von Benedikt XVI.? Päpste im Allgemeinen können wohl nur im Nachhinein der Kirchengeschichte sinnvoll bewertet und eingeordnet werden. Als Beispiel dafür führt Roberto Regoli selbst an einer Stelle Gregor VII. an, den grossen Reform-Papst des Mittelalters, der am Ende seines Lebens im Exil in Salerno starb – gescheitert nach dem Urteil vieler Zeitgenossen. Doch gerade er – Gregor VII. – war es, der das Gesicht der Kirche in den Streitfragen seiner Zeit für Generationen, die nach ihm kamen, entscheidend geprägt hat.

Ungeheuer präsent ist und bleibt Benedikt auch in seinem eigenen Schrifttum, sei es als Papst, der drei Bücher zu Jesus Christus und sechzehn (!) dicke Bände von „Insegnamenti“ allein in seinem Pontifikat hinterlassen hat, oder sei es als Kardinal oder Professor Ratzinger, dessen Werke eine kleine Bibliothek füllen könnten. So mangelt es auch nicht an Fussnoten in diesem Werk Roberto Regolis und noch weniger an Erinnerungen, die er in mir wach ruft. Denn ich war ja dabei, als Benedikt XVI. am Ende seiner Amtszeit seinen Fischerring ablegte, wie es nach dem Tod eines Papstes üblich ist, obwohl er in diesem Fall selbst noch lebte! Ich war dabei, als er entschied, seinen Namen hingegen nicht mehr zurück zu geben. Er ist nicht mehr zu Joseph Ratzinger geworden, wie Papst Coelestin V., der am 13. Dezember 1294 nach wenigen Monaten im Amt wieder zu Pietro di Morrone wurde.

Seit dem 11. Februar 2013 ist das Amt des Papstes deshalb nicht mehr, was es vorher war. Fundament der katholischen Kirche wird es bleiben. Doch diesen Grund hat Benedikt XVI. nachhaltig verändert in seinem Ausnahmepontifikat, von dem der nüchterne Kardinal Sodano gleich nach der überraschenden Rücktrittserklärung in einer ersten Reaktion überaus bewegt und fast fassungslos ausrief, die Nachricht habe „wie ein Blitz aus heiterem Himmel“ unter den versammelten Kardinälen eingeschlagen. Das war am Morgen jenes Tages, an dessen Abend tatsächlich ein kilometerlanger Blitz mit unglaublichem Getöse in die Spitze der Kuppel des Petersdoms über dem Grab des Apostelfürsten einschlug. Dramatischer ist wohl selten eine Zeitenwende aus dem Kosmos begleitet worden. Doch am Morgen dieses 11. Februar beendete Kardinaldekan Angelo Sodano seine Antwort auf die Erklärung Benedikts XVI. auch schon mit einer ersten und ähnlich kosmischen Einschätzung von dessen Pontifikat, als er am Ende sagte: „Gewiss, die Sterne des Himmels werden immer weiter funkeln und so wird auch immer der Stern Ihres Pontifikats unter uns leuchten.“

Ähnlich leuchtend und erhellend ist die wohlrecherchierte Darstellung Don Regolis der verschiedenen Phasen des Pontifikats. Vor allem von dessen Anfang im Konklave vom April 2005, aus dem Joseph Ratzinger nach einer der kürzesten Wahlen der Kirchengeschichte nach nur vier Wahlgängen als Papst hervorging – und zwar nach dem dramatischen Ringen einer so genannten „Salz-der-Erde-Partei“ (Salt of Earth Party) um die Kardinäle López Trujíllo, Ruini, Herranz, Rouco Varela oder Medina und der so genannten „Sankt Gallen-Gruppe“ um die Kardinäle Danneels, Martini, Silvestrini oder Murphy-O’Connor, die Kardinal Danneels von Brüssel erst kürzlich noch amüsiert „als eine Art Mafia-Club“ bezeichnet hat.

Die Wahl folgte freilich auch einem Ringen, dem der Kardinaldekan Ratzinger seine historische Predigt vom 18. April 2005 in Sankt Peter quasi als Notenschlüssel voran gesetzt hatte, wo er „der Diktatur des Relativismus, die nichts als definitiv erachtet und als letztes Mass nur das eigene ich und seinen Willen gelten lässt, als anderes Mass wahrer Menschlichkeit den Sohn Gottes und wahren Menschen“ entgegen setzte. Dieser Teil der klugen Analyse Roberto Regolis liest sich teilweise heute schon wie ein spannender Krimi aus gar nicht so fernen Tagen – während sich die „Diktatur des Relativismus“ heute längst überwältigend auf vielen Kanälen der neuen Medien manifestiert, an die im Jahr 2005 noch kaum zu denken war.

Schon der Name, den sich der neue Papst unmittelbar nach seiner Wahl gab, war danach ein Programm. Joseph Ratzinger wurde nicht zu Johannes Paul III., wie es sich viele vielleicht gewünscht hätten. Sondern er knüpfte an Benedikt XV. an, den glück- und erfolglosen grossen Friedenspapst aus den Schreckensjahren des Ersten Weltkriegs – und an den heiligen Benedikt von Nursia, den Mönchsvater und Vater Europas. Für die Jahre davor könnte ich als Kronzeuge dafür auftreten, dass sich Kardinal Ratzinger niemals nach dem höchsten Amt der katholischen Kirche gedrängt hatte – sondern schon lebhaft von einem Lebensabend träumte, wo er beschaulich noch einige letzte Bücher schreiben wollte. Alle Welt weiss, dass es anders kam. Bei der Wahl wurde ich dann in der Sixtinischen Kapelle Zeuge, wie er die Wahl als einen „wahren Schock“ und „Schrecken“ erlebte, oder wie ihm „schwindlig“ wurde, als er „die Guillotine“ der Entscheidung auf sich herabstürzen sah, womit ich kein Geheimnis verrate, seit Benedikt XVI. dies selbst schon bei seiner ersten Audienz vor deutschen Pilgern öffentlich gemacht hat. So verwundert nicht, dass er auch der erste Papst war, der gleich nach seiner Wahl um das Gebet der Gläubigen für ihn bat, woran wir in diesem Buch noch einmal erinnert werden.

Zutreffend bezeichnet Regoli das Jahr 2010 als ein „schwarzes Jahr“ für den Papst, und zwar im Zusammenhang mit dem tragischen Unfalltod Manuela Camagnis, einer der vier Memores aus der kleinen „päpstlichen Familie“. Das kann ich nur bestätigen. Gegen diesen Schicksalsschlag waren die medialen Aufreger jener Jahre – von der Affäre um den traditionalistischen Bischof Williamson bis zu einer Welle immer gehässigerer Angriffe gegen ihn – zwar nicht nichts, doch sie erreichten das Herz des Papstes nicht so sehr wie der Tod Manuelas, die so urplötzlich aus unserer Mitte fortgerissen wurde. Benedikt war kein Papstdarsteller und noch weniger ein gefühlloser Papstautomat, er war und blieb auch auf dem Thron Petri ganz und gar Mensch – oder in den Worten Conrad Ferdinand Meyers: er war „kein ausgeklügelt Buch“, er war ein „Mensch mit seinem Widerspruch“. So habe ich ihn tagtäglich erlebt und geschätzt. Und das hat sich bis heute nicht geändert.

Nach der letzten Enzyklika „Caritas in veritate“ vom 4. Dezember 2009 will Regoli beobachten, wie ein in liturgischer, ökumenischer und kirchenrechtlicher Hinsicht dynamisches, innovatives und antriebstarkes Pontifikat plötzlich „entschleunigt“ erscheint, wie blockiert, als würde es in einem Sumpf stecken. Das kann ich so nicht bestätigen, auch wenn der Gegenwind in den nachfolgenden Jahren zugenommen hat. Seine Reisen ins Vereinigte Königreich (2010), nach Deutschland und in die Lutherstadt Erfurt (2011) oder in den brennenden Nahen Osten zu den beunruhigten Christen des Libanon (2012) in diesen letzten Jahren waren allesamt ökumenische Meilensteine. Sein entschiedenes Vorgehen in der Aufarbeitung der Missbrauchsproblematik ist und bleibt wegweisend. Und wann hat es je einen Papst gegeben, der neben seinem überschweren Amt auch noch Bücher über Jesus von Nazareth schrieb, die vielleicht noch einmal als seine wichtigste Hinterlassenschaft gelten werden?

Danach muss ich hier nicht ausführen, wie er, den der plötzliche Tod Manuela Camgagnis so getroffen hatte, auch später an dem Verrat Paolo Gabrieles litt, der ja auch derselben „päpstlichen Familie“ angehört hatte. Und doch, das muss ich hier einmal in aller Deutlichkeit sagen, ist Benedikt am Schluss nicht wegen des armen und fehl geleiteten Kammerdieners zurückgetreten oder wegen der Schmankerln aus seinem Haus, die in der so genannten Vatileaks-Krise wie Falschgeld in Rom in den Verkehr kamen und im Rest der Welt wie wahre Goldstücke gehandelt wurden. Es war kein Verräter oder „Rabe“ oder irgendein Journalist, der ihn zu dieser Entscheidung hätte bewegen können. Dafür war dieser Skandal dann doch etwas zu klein und dieser wohl bedachte Jahrtausendschritt Benedikts XVI. um so vieles grösser.

Respekt verdient Regolis Darstellung dieser Vorgänge auch deshalb, weil er erst gar nicht den Anspruch erhebt, diesen letzten rätselhaften Schritt ganz erklären und ergründen zu wollen, und er bereichert die wuchernde Legendenbildung auch nicht mit neuen Spekulationen, die mit der Wirklichkeit kaum etwas zu tun haben. Und ich muss gestehen, dass auch mir, als einem Zeugen aus nächster Nähe, für diesen spektakulären und unerwarteten Schritt Benedikts XVI. nur immer wieder neu jene berühmte und geniale Formel einfällt, mit der Johannes Duns Scotus im Mittelalter Gottes Ratschluss für die Unbefleckte Empfängnis der Gottesmutter begründete: „Decuit, potuit, fecit“.

Das heisst auf Deutsch: Es geziemte sich, weil es sinnvoll war. Er (Gott) konnte es, also tat er es. Übertragen auf den Entschluss zum Rücktritt lese ich diese Formel so: Es geziemte sich, weil Benedikt XVI. gewahr wurde, dass ihm die nötige Kraft für das überschwere Amt abhanden kam. Er konnte es, weil er die Möglichkeit emeritierter Päpste für die Zukunft schon seit langem theologisch grundlegend durchdacht hatte. So tat er es dann.

Im Wesentlichen war der epochale Rücktritt des Theologenpapstes deshalb ein Schritt nach vorn, als er am 11. Februar 2013 auf Lateinisch vor den überraschten Kardinälen die neue Institution eines „Papstes emeritus“ in die katholische Kirche mit den Worten einführte, dass seine Kräfte nicht mehr ausreichten, „den Petrusdienst in angemessener Weise auszuüben“. Das Schlüsselwort dieser Erklärung ist der Begriff „Munus Petrinum“, das hier – wie meistens – als Petrusdienst übersetzt wurde. Doch das lateinische Munus hat eine vielfältige Bedeutung. Es kann Dienst, Aufgabe, Leitung, oder Geschenk heissen – bis hin zu Wunderwerk. Als Teilhabe an einem solchen „petrinischen Dienst“ aber verstand und versteht Benedikt seine Aufgabe vor und nach dem Rücktritt bis heute. Er hat seinen Stuhl geräumt, doch diesen Dienst hat er mit seinem Schritt vom 11. Februar 2013 eben nicht verlassen. Er hat das personale Amt stattdessen ergänzt um eine kollegiale und synodale Dimension, als einen quasi gemeinsamen Dienst, als wollte er damit auch noch einmal die immanente Einladung jenes Mottos wiederholen, das Joseph Ratzinger sich schon als Erzbischof von München und Freising gab und als Bischof von Rom natürlich beibehalten hat: „cooperatores veritatis“. Das heisst auf Deutsch „Mitarbeiter der Wahrheit“. Denn es ist kein Singular, sondern eine Pluralform, entnommen dem 3. Johannesbrief, wo es im Vers 8 heisst: „Darum sind wir verpflichtet, solche Männer aufzunehmen, damit auch wir zu Mitarbeitern für die Wahrheit werden.“

Seit der Wahl seines Nachfolgers Franziskus am 13. März 2013 gibt es also keine zwei Päpste, aber de facto ein erweitertes Amt – mit einem aktiven und einem kontemplativen Teilhaber. Darum hat Benedikt XVI. weder den weissen Talar noch seinen Namen abgelegt. Darum ist seine korrekte Anrede auch heute noch „Heiliger Vater“ (in Italiano: Santità), und darum zog er sich auch nicht in ein abgelegenes Kloster zurück, sondern in das Innere des Vatikans – als sei er nur beiseite getreten, um seinem Nachfolger und einer neuen Etappe in der Geschichte des Papsttums Raum zu geben, den er mit diesem Schritt bereichert hat um das Kraftwerk seines Gebets und Mitleidens in den Vatikanischen Gärten.

Es war der „am wenigsten erwartete Schritt im zeitgenössischen Katholizismus“, wie Regoli schreibt, als eine Möglichkeit freilich, die Kardinal Ratzinger schon am 10. August 1978 in München in einer Predigt aus Anlass des Todes Pauls VI. öffentlich reflektiert hatte. 35 Jahre später ist er dann selbst vor dem Petrus-Amt nicht geflohen, was ihm nach seiner irreversiblen Annahme des Amtes im April 2005 völlig unmöglich gewesen wäre. Er hat dieses Amt stattdessen erneuert und in einem Akt ausserordentlichen Wagemutes (auch gegen wohl meinende und durchaus kompetente Berater), und mit letzter Kraft, potenziert, wie ich hoffe. Dies kann aber nur die Geschichte erweisen. Doch das wird bleiben in der Kirchengeschichte, in der der weltberühmte Theologe auf dem Stuhl Petri im Jahr 2013 zum ersten „Papa emeritus“ der Geschichte wurde. Seitdem ist seine Rolle – schon wieder – auch völlig anders als etwa die des heiligen Papstes Coelestin V., der nach seinem Rücktritt im Jahr 1294 wieder Eremit werden wollte und stattdessen Gefangener seines Nachfolgers Bonifaz VIII. wurde (dem wir heute die Einführung der Jubeljahre in der Kirche verdanken). Einen Schritt wie den von Benedikt XVI. hat es eben noch nie gegeben. Darum wundert wieder nicht, dass er darum von manchen als revolutionär empfunden wurde oder aber als überaus evangeliumsgemäss, während andere das Papsttum dadurch säkularisiert sehen wie nie zuvor und damit kollegialer und funktionaler oder auch einfach menschlicher und weniger sakral. Wieder andere sind der Ansicht, dass Benedikt XVI. das Amt mit diesem Schritt – theologisch und historisch-kritisch gesprochen – quasi entmythologisiert hat.

All dies legt Roberto Regoli in seinem Panorama des Pontifikats auf eine Weise frei wie noch kein Autor vor ihm. Der bewegendste Teil meiner Lektüre des Werkes von Professor Regoli war aber vielleicht die Stelle, wo er in einem ausführlichen Zitat an jene letzte Generalaudienz Benedikts XVI. am 27. Februar 2013 erinnert, wo der scheidende Papst auf dem Petersplatz sein Pontifikat zum Abschied unter unvergesslich makellosem, blauem Himmel in folgenden Worten zusammen fasste:

„Es war eine Wegstrecke der Kirche, die Momente der Freude und des Lichtes kannte, aber auch Momente, die nicht leicht waren. Ich habe mich gefühlt wie Petrus mit den Aposteln im Boot auf dem See Gennesaret: Der Herr hat uns viele Sonnentage mit leichter Brise geschenkt, Tage, an denen der Fischfang reichlich war, und es gab Momente, in denen das Wasser aufgewühlt war und wir Gegenwind hatten, wie in der ganzen Geschichte der Kirche, und der Herr zu schlafen schien. Aber ich habe immer gewusst, dass in diesem Boot der Herr ist, und ich habe immer gewusst, dass das Boot der Kirche nicht mir, nicht uns gehört, sondern ihm. Und der Herr lässt sie nicht untergehen. ER ist es, der sie lenkt, sicherlich auch durch die Menschen, die er erwählt hat, denn so hat er es gewollt. Das war und ist eine Gewissheit, die durch nichts verdunkelt werden kann.“

Persönlich, muss ich gestehen, könnten mir bei diesen Worten jetzt noch die Tränen kommen, zumal ich aus nächster Nähe bezeugen kann, wie unbedingt Papst Benedikt die Worte des heiligen Benedikt für sich und seinen Dienst übernommen hat, gemäss denen der „Liebe zu Christus nichts vorzuziehen ist“ (nihil amori Christi praeponere), wie es in jener Regel heisst, wie sie uns von Papst Gregor dem Grossen überliefert wurde.

Als Zeitzeuge aber bin ich jetzt noch fasziniert von der Präzision dieser letzten Analyse auf dem Petersplatz, die so poetisch klang und doch nichts anderes als prophetisch war. Denn es sind ja Worte, die heute auch Papst Franziskus ohne weiteres sofort unterschreiben könnte und würde. Nicht die Päpste, sondern Christus, der Herr selbst und kein anderer ist der Besitzer des Schiffleins Petri in den sturmgepeitschten Wellen, wo wir immer wieder neu befürchten, der Herr sei eingeschlafen und er nehme keinen Anteil an unserer Not – der doch jeden Sturm mit einem einzigen Wort zum Verstummen bringen kann, wo uns allerdings mehr als die hohen Wellen und das Heulen des Windes wohl vor allem unser Unglaube, unser Kleinglaube und unsere Ungeduld immer wieder neu in Panik versetzen. So gibt dieses Buch noch einmal einen tröstenden Blick frei auf die ruhige Unbeirrtheit und Gelassenheit Benedikts XVI. am Steuer des Schiffes Petri in den dramatischen Jahren von 2005 bis 2013.

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