90 Jahre Radio Vatikan (Teil 1)
Unsere Radioakademie im Februar: 90 Jahre Radio Vatikan (Teil 1)
Quelle – Ton- und Bilddokumente
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Kirchenstaat
Guglielmo Marconi
Laudetur Jesus Christus: Ein Erkennungssignal, das zu hören ist, seit es das Radio gibt. Aber wie kam es überhaupt zur Gründung des Radiosenders, der seit 90 Jahren ununterbrochen vom Vatikan aus in alle Welt funkt, was hat er bewirkt – und was kann er uns auch heute noch sagen? Dem wollen wir in unserer Radioakademie des Monats Februar nachgehen.
Christine Seuss – Vatikanstadt, 7. Februar 2021
Radio Vatikan ist eine der ältesten Hörfunkstationen der Welt, deren Radioprogramme derzeit in insgesamt 41 Sprachen ausgestrahlt werden, darunter Russisch, Chinesisch, afrikanische Dialekte wie Kikongo und viele andere. Hinzu kommen 43 Sprachen, die auf dem Webportal vertreten sind, was eine Gesamtzahl von 49 Sprachen – und noch mehr verschiedener Kulturen – ausmacht. 69 Nationen sind derzeit im Radio vertreten. Ein grosser Schatz, den es angesichts des runden Geburtstages neu zu entdecken gilt.
Bereits während und nach dem Ersten Weltkrieg beobachtete Papst Benedikt XV. ein Erstarken der Nationalismen, ebenso wie der Ressentiments gegen die Kirche – eine Erfahrung, die nach ihm auch der 1922 zum Papst geweiht Pius XI. machte. Ebenso bedeutsam war die Tatsache, dass das Territorium der Päpste, das sich als Kirchenstaat über ganz Italien erstreckte, nach der Vereinigung Italiens und der Entstehung des Königreiches unter Herrschaft des Hauses Savoyen bis auf das kleine Gebiet des Vatikans zusammenschrumpfte – ohne jedoch Klarheit über dessen völkerrechtlichen Status zu haben. Dies nährte in dem Papst die Angst, von Italien isoliert werden zu können, nicht nur was die Zufuhr von Nahrungsmitteln betraf, sondern auch, dass die Kommunikationen gekappt und Besuche von Bischöfen aus der ganzen Welt verhindert werden könnten. Schon früh hatte Papst Pius XI. sich für die neuartige Technik des Grafen Marconi interessiert, mit der Signale und Sprache über grosse Strecken übertragen werden konnten, und in ihr sah er wohl eine mögliche Lösung für seine Befürchtungen.
Eine epochale Wende läuteten schliesslich die Lateranverträge vom 11. Februar 1929 ein. Endlich war die „Babylonische Gefangenschaft der Kirche“ wie Papst Leo XIII. seinen erzwungenen Aufenthalt im Apostolischen Palast und dem kleinen umliegenden Gelände genannt hatte, vorbei. Man darf nicht vergessen, dass die Päpste bis zur Auflösung des Kirchenstaates 1870 vor allem im Quirinal, dem heutigen Sitz des Präsidenten der Italienischen Republik, residierten, und erst mit dem Einzug der piemontesischen Truppen 1870 sozusagen in den Vatikan verbannt worden waren.
Die Lateranverträge, abgeschlossen zwischen dem Heiligen Stuhl (vertreten durch Kardinalstaatssekretär Pietro Gasparri) und dem damaligen Königreich Italien (vertreten durch den faschistischen Ministerpräsidenten Benito Mussolini), klärten jedoch endlich und endgültig die sogenannte Römische Frage, den Status der Vatikanstadt nach der Auflösung des Kirchenstaats 1870. Während der Papst durch seinen Kardinalstaatssekretär Pietro Gasparri darin im Wesentlichen die Stadt Rom als Sitz der italienischen Regierung anerkannte, garantierte der italienische Staat die politische und territoriale Souveränität des Vatikans, dessen Grenzen nunmehr offiziell feststanden. Unterzeichnet wurden die Verträge im namensgebenden Lateranspalast.
Der Vatikan ist somit – so klein er auch ist – ein souveräner Staat, der Papst souveränes Staatsoberhaupt. Wie dringlich Pius XI. die Einrichtung einer eigenen Rundfunkstation wünschte, wird auch daraus deutlich, dass er Guglielmo Marconi, den Erfinder des drahtlosen Funks, nur vier Tage nach der Ratifizierung der Lateranverträge im Juni 1929 bei einer Privataudienz mit dem Aufbau der Übertragungstechnik betraute. Noch am selben Tag nahm Marconi den dafür vorgesehenen Ort in den Vatikanischen Gärten in Augenschein, und rund eineinhalb Jahre später war es so weit: Ein sichtlich stolzer Marconi konnte gemeinsam mit dem ersten Generaldirektor der neuen Einrichtung, dem Jesuitenpater Giuseppe Gianfranceschi SJ, den Papst für die Ausstrahlung der ersten Rundfunkübertragung willkommen heissen. Nicht umsonst wurde für die Weltpremiere der 12. Februar gewählt, der Tag nach dem Jubiläum der Lateranverträge, die letztlich die Errichtung des Päpstlichen Senders erst möglich gemacht hatten.
Die erste Radioansprache
Ausserhalb der Vatikanmauern herrschte eine eigenartige Stimmung, während ein rauher Nordwind wehte, rund um Radioempfänger versammelten sich Menschentrauben, Geschäftsbesitzer hatten Lautsprecher vor den Türen aufgehängt, Hunderte, ja Tausende von Menschen warteten in Rom gespannt auf die ersten Worte, die ein Papst via Rundfunk zu ihnen sprechen würde. Ähnliche Szenen, von denen es auch zahlreiche fotografische Zeugnisse gibt, wiederholen sich auf der ganzen Welt.
Gegen 16.30 Uhr römischer Zeit führte Marconi einen Test durch, um die Übertragung zu den zugeschalteten Stationen in den Vereinigten Staaten, Indien, Kanada, Australien und anderen entfernten Ländern sicherzustellen. Papst Pius XI. sendete persönlich über einen Morseapparat “Laudetur jesus Christus“ – die mit der neuen Station ebenfalls möglichen Morseübertragungen stellten einen wichtigen Dienst für die Kommunikation zwischen dem Vatikan und den einzelnen Nuntiaturen dar. Um 16.49 ergreift Marconi nochmals das Mikrofon und wendet sich mit feierlichen Worten an den Papst:
„Ich habe die grosse Ehre anzukündigen, dass in wenigen Augenblicken Papst Pius XI. die Radiostation des Staates der Vatikanstadt einweihen wird. Die elektromagnetischen Wellen werden Eure Worte des Friedens und des Segens in die ganze Welt transportieren. Seit etwa 20 Jahrhunderte hat der römische Pontifex die Worte seines göttlichen Lehramtes in der Welt erklingen lassen, aber diesmal ist es das erste Mal, dass seine Stimme gleichzeitig auf der gesamten Erdoberfläche gehört werden kann.“
Schliesslich trat der Papst selbst ans Mikrofon und begann seine erste Ansprache über das neue Medium:
„Weil wir nach dem geheimnisvollen Plan Gottes Nachfolger des Apostelfürsten sind, von denen also, deren Lehre und Verkündigung auf göttlichen Befehl für alle Völker und jede Kreatur bestimmt ist (Mt., 28, 19; Mk, 16:15), und da wir als erste von hier aus die wunderbare Erfindung des Marconi nutzen können, wenden wir uns zunächst an alle Dinge und an alle Menschen, indem wir ihnen hier und im Folgenden mit den Worten der Heiligen Schrift sagen: ,Hört zu, ihr Himmel, ich will reden, die Erde lausche meinen Worten.‘ (Dtn 32:1)“…
Anschliessend an die Übertragung in lateinischer Sprache, als der Papst und sein Gefolge bereits in die Casina Pio VI. aufgebrochen waren, um dort Marconi feierlich zum Mitglied der päpstlichen Akademie der Wissenschaften zu ernennen (diese hat ihren Sitz in besagter Casina), wurde die Botschaft in zahlreiche Sprachen übersetzt nochmals übertragen: Italienisch, Französisch, Englisch, Deutsch, Spanisch, Polnisch, Portugiesisch und Ungarisch.
Von Beginn an gehörte zu den Aufgaben des neuen Vatikansenders die Übertragung, Aufzeichnung und Archivierung der päpstlichen Zeremonien, ebenso wie die Betreuung der Audio-Verstärkeranlagen in den römischen Basiliken. Eine der ersten regelmässigen Sendungen war das lateinische Programm Scientiarum Nuncius Radiophonicus, das über die Aktivitäten der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften informierte.
Christus Vincit
Die Melodie des Christus Vincit und die läutenden Glocken tauchten ab 1937, mit dem Beginn der Übertragung über den neuen Kurzwellensender deutscher Fertigung Telefunken, immer wieder auf, ab dem Kriegsbeginn wurden sie jedoch systematisch als Erkennungsmelodie verwendet. Die Stationsmelodie wurde schnell weltbekannt.
Im Jahr 1937, mit der Möglichkeit der Übertragung in weiteren Sprachen, stösst auch das deutsche Programm zu Radio Vatikan hinzu: Am 2. September 1937 ging also die erste Sendung in deutscher Sprache über den Äther, natürlich nicht nur gedacht für Deutschland, Österreich oder die Schweiz, sondern alle deutschsprachigen Gläubigen, darunter auch die in Luxemburg, Holland, oder in deutschsprachigen Enklaven.
Laien waren damals im Radio noch nicht zu sehen, die Leitung der Station wie auch die Verantwortung für die einzelnen Sprachabteilungen war jeweils einem Jesuiten anvertraut. Warum der Papst diese Entscheidung getroffen hat, dafür sind im Lauf der Zeit mehrere Argumente geliefert worden. Die Jesuiten schwören dem Papst seit jeher Gehorsam auf persönliche Anweisungen, sie waren und sind in der Regel besonders gut ausgebildet und wissenschaftlich interessiert, die Missionstätigkeit – und damit letztlich auch die Kommunikation – ist ihrem Charisma eingeschrieben. Ein Grund dürfte jedoch auch in der Person des ersten Leiters von Radio Vaticana liegen, dem Jesuitenpater Giuseppe Gianfranceschi.
Bereits seit 1925 war er Direktor der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften und sehr interessiert an den Möglichkeiten, die das neue Medium der Radioübertragung bot. 1928 hatte er auch aufgrund seiner fundierten wissenschaftlichen Kenntnisse als Kaplan an der zweiten Nordpolspedition des italienischen Generals Umberto Nobile teilgenommen. Auch bei dieser Spedition hatte Gianfranceschi Gelegenheit, mit den neuen Möglichkeiten der drahtlosen Übertragung vertraut zu werden – letztlich hatte die Radioübertragung dem Leiter der Spedition und acht seiner Männer das Leben gerettet, als die Kommandozentrale ihres Luftschiff auf dem Packeis zerschellte und sie mit einigem technischen Material herauskatapultiert wurden – und hilflos mit ansehen mussten, wie ihre verbliebenen sechs Mannschaftsmitglieder mit dem restlichen Teil des Luftschiffes führungslos abgetrieben wurden. Von ihnen oder von dem Luftschiff tauchten niemals Überbleibsel auf.
Gianfranceschi begleitete aus der Ferne die Rettungsarbeiten, da er am letzten Teil der Reise zum Nordpol nicht mehr teilnehmen konnte. Über Radio konnten die gestrandeten Männer ihre Position auf der Eisscholle unermüdlich durchgeben und so schliesslich nach 40 langen Tagen geborgen werden. Das ist allerdings eine andere Geschichte.
Fest steht, dass Gianfranceschi von Beginn an von Pius XI. mit der Leitung des Radios betraut wurde, er sollte sie bis zu seinem plötzlichen und frühzeitigen Tod 1934 leiten. Im folgten jeweils Leiter aus dem Jesuitenorden, bis hin zu Pater Lombardi, der letzte Generaldirektor von Radio Vatikan, den der Jesuitenorden stellte.
Zunächst zog der II. Weltkrieg herauf, Papst Pius XII, dessen Wahl und Inthronisierung ebenfalls durch den Papstsender übertragen worden waren, reagierte am 24. August 1939 mit einer Radioansprache, die sich angesichts der drohenden Kriegsgefahr an Regierende und Völker richtete.
Die Ansprache, die Papst Pius XII. angesichts des drohenden Krieges an Regierende und Völker richtete
„Nichts ist verloren mit dem Frieden, während mit dem Krieg alles verloren werden kann“, so der Titel und die Botschaft der Papstansprache, die sofort in verschiedene Sprachen, darunter auch deutsch, übersetzt und verbreitet wurde. Das Echo war überwältigend, zahlreiche Stationen hatten die Ansprache weiter ausgestrahlt und so zu enormer Verbreitung verholfen. Doch die eindringlichen Worte des Papstes verhallten ungehört, am 1. September nahm das Unheil seinen Lauf und der Krieg begann. Italien sollte 1940 in den Krieg eintreten.
Zahlreiche Familien wurden getrennt, Soldaten gerieten in Kriegsgefangenschaft oder desertierten und ihre Spur verlor sich, während die Familienangehörigen auf Nachricht hofften. Mit grosser Weitsicht liess Papst Pius XII direkt zu Beginn des Krieges, als dessen schreckliche Entwicklungen noch kaum abzusehen waren, das Amt für Personensuche des Vatikans eröffnen. Angehörige konnten über Radio Informationen über verschollene Lieben erbitten, Ordensschwestern verlasen unermüdlich zwischen 1939 und 1946 die insgesamt rund 1 eineinhalb Millionen Vermisstenmeldungen, die dank Radio Vatikan über den Äther gingen.
Von wenigen Sendungen pro Woche kam man bald auf über 700, die vor allem in die Gegenden ausgestrahlt wurden, in denen besonders heftige Kampfhandlungen stattfanden oder bekanntermassen Gefangenenlager waren, darunter Südafrika, Algerien, China, England, Griechenland, Indien, Kongo, aber auch Italien, Irland, Thailand, Mosambik und viele andere.
Die Erkennungsmelodie und die einführenden Worte Christus Vincit bekamen auf diese Weise auch eine neue Bedeutung: sie sollten dafür sorgen, dass die Vatikansendungen nicht gestört wurden, um deren humanitären Zweck nicht zu torpedieren. Für eine gewisse Zeit stand das Amt, das in einem mittlerweile abgerissenen Gebäude auf dem Platz vor der heutigen Audienzhalle stand, übrigens unter der Leitung eines Geistlichen namens Giovanni Battista Montini, des späteren Papstes Paul VI.
Radio Vatikan benutzte für diese Übertragungen vor allem den neueren 25 kW -Sender der Marke Telefunken, sowie den ursprünglichen 15 kW Marconi-Kurzwellensender. Dank der Zusammenarbeit mit Sender-Zentren anderer Nationen und mit dem Roten Kreuz wurden auch sehr weit entfernte Länder erreicht.
In vielen Gefangenenlagern hörten die Häftlinge die RV-Durchsagen aus Lautsprechern, die mit einfachsten Mitteln an die örtlichen Empfänger angeschlossen waren. Über das Rote Kreuz trafen viele Antworten ein, ebenso wie von Pfarreien, Nuntiaturen und Botschaften.
(Wie es weitergeht, erfahren Sie in den kommenden Folgen. Die gesamte Radioakademie können Sie wie gewohnt gegen einen Unkostenbeitrag bestellen, eine E-Mail an cd@radiovatikan.de genügt)
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