Der 9. November und die Apokalypse

CNA Deutsch veröffentlicht zum historischen Datum einen Auszug aus dem neuen Buch von Paul Badde

Quelle
Literatur Paul Badde
Fest des Weihetages der Lateranbasilika

Von Paul Badde, 9. November 2020

Es gibt einen Schlüssel zum Geheimnis Europas. Das ist die Apokalypse des Sehers Johannes aus Patmos, die allen Umwälzungen unseres Erdteils durch Raum und Zeit in der einen oder anderen Weise, positiv oder negativ, geheimnisvoll wie ein Code zugrunde liegt. Es ist ein kurzer Text im letzten Buch der vielen Bücher der Bibel, wo es gegen Ende heißt: “Ich, Johannes, sah die Heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott her aus dem Himmel herabkommen.”

Das griechische Wort “Apokalypse” heisst einfach “Offenbarung”. Im Deutschen wird die Offenbarung des Johannes häufig aber auch noch mit dem Zusatz “geheim” versehen; das heisst ursprünglich “zum Haus gehörig”, und das ist sehr merkwürdig. Denn die Signale, die von dieser Geheimen Offenbarung ausgehen, sind wirklich in allen Kammern des Europäischen Hauses zu empfangen. Aus ihren aneinander gereihten Buchstaben ist mit blutrotem und goldenem Garn der Faden gesponnen, der im Labyrinth unserer Geschichte wie der Faden der Ariadne die Rückkehr zum Eingang sichert. Fast zweitausend Jahre schon bewegt dieser Signaltext unser Schicksal.

Wenn er in der katholischen Kirche aber jährlich am 9. November verlesen wird, dann deshalb, weil mit diesem Tag an die Weihe der Lateranbasilika in Rom im Jahr 324 erinnert wird, als der heidnische Kaiser Konstantin den Christen – zwanzig Jahre nach ihrer härtesten Verfolgung – im römischen Weltreich eine große Basilika unmittelbar neben seinem eigenen Palast stiftete. Es war ein unglaublicher Wendepunkt der Weltgeschichte: der Anfang des Abendlands.

Auch am 9. November 1918, als die deutsche Revolution fehlschlug, oder 1923, als der 34jährige Adolf Hitler in München einen Zug von Rebellen in das Feuer der bayerischen Landpolizei führte, und 1938, als in der Mitte Europas die Synagogen brannten, oder am 9. November 1989, als in Berlin die Mauer fiel, hiess es deshalb in hunderten Gotteshäusern Europas aus dem Stundenbuch wieder so fremd, dunkel und rätselhaft wie eh und je: “Ich sah die Heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott her aus dem Himmel herabkommen. … Einen Tempel sah ich nicht in der Stadt. Denn der Herr, ihr Gott, der Herrscher über die ganze Schöpfung, ist ihr Tempel, er und das Lamm.”

 

Paul Badde, “Abendland: Die Geschichte einer Sehnsucht”, erscheint im Fe-Medienverlag.

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