Georg Ratzinger gestorben
Der Bruder von Papst emeritus Benedikt XVI. starb im Alter von 96 Jahren
Von AC Wimmer und Thorsten Paprotny
Regensburg, 1. Juli 2020 (CNA Deutsch)
Monsignore Georg Ratzinger ist tot. Der Bruder von Papst emeritus Benedikt XVI. starb im Alter von 96 Jahren.
Das berichten mehrere Medien. Das Bistum Regensburg hat den Tod bislang nicht offiziell bestätigt, betonte ein Sprecher gegenüber CNA Deutsch am Mittag des 1. Juli – derzeit sei ein Mediziner noch vor Ort.
Der Vorsitzende der polnischen Bischofskonferenz, Erzbischof Stanisław Gądecki, kondolierte über seinen Twitter-Account: “Im Namen der Polnischen Bischofskonferenz möchte ich mein aufrichtiges Beileid zum Tod von Mons. Georg Ratzinger seinem Bruder Papst em. Benedikt XVI., seiner Familie und seinen Angehörigen sowie der Kirche in Deutschland zum Ausdruck bringen.”
Benedikt hatte den langjährigen Leiter der Regensburger Domspatzen vor kurzem noch einmal besucht, wie CNA Deutsch berichtete.
Monsignore Georg Ratzinger ist am heutigen Mittwoch in Regensburg gestorben. Er wurde 96 Jahre alt. Mehr zum Thema auf https://t.co/GkPfHp40q2 pic.twitter.com/U82eKBUXMI
— CNA Deutsch (@CNAdeutsch) July 1, 2020
Geboren wurde Georg Ratzinger am 15. Januar 1924 in Pleiskirchen. Er amtierte von 1964 bis 1994 im Hohen Dom zu Regensburg als Domkapellmeister und Chorleiter der Regensburger Domspatzen.
Der Prälat, Apostolische Pronotar und Kanonikus des Stiftes St. Johann liebte Musik seit Kindertagen. Ein Priester und Musiker, von ganzem Herzen, zugleich bodenständig und lebensfroh – und ein Familienmensch, der den Geschwistern Maria und Joseph sehr nahe war.
In jungen Jahren bereits komponierte Georg Ratzinger und spielte Geige, die Schwester Maria Harmonium. Bruder Joseph sass am Klavier. Die Geborgenheit in der Familie hat Papst Benedikt XVI. am 2. Juni 2012 in Mailand beschrieben: “Besonders wichtig war für unsere Familie immer der Sonntag, aber der Sonntag begann schon am Samstagnachmittag. Unser Vater las uns die Lesung – die Sonntagslesung – aus einem Buch vor, das damals in Deutschland sehr verbreitet war und in dem die Texte auch erklärt wurden. So begann also der Sonntag: wir traten bereits in die Liturgie ein, in eine Atmosphäre der Freude. Tags darauf gingen wir zur Messe. Ich bin in der Nähe von Salzburg zu Hause, wir hatten also viel Musik – Mozart, Schubert, Haydn – und wenn das Kyrie anhob, dann war es, als würde sich der Himmel auftun. Wichtig war bei uns zu Hause natürlich auch das gemeinsame Mittagessen. Wir haben auch viel miteinander gesungen: mein Bruder ist ein grosser Musiker, schon als Junge hat er für uns alle komponiert, und so hat die ganze Familie gesungen. … Mit einem Wort: wir waren ein Herz und eine Seele, haben vieles gemeinsam erlebt und durchgestanden, auch in schweren Zeiten, weil damals die Zeit des Krieges war, davor die Zeit der Diktatur und dann der Armut. Aber diese Liebe, die uns verband, diese Freude auch an einfachen Dingen, war stark, und so konnte man auch diese Dinge ertragen und überwinden. Das erscheint mir sehr wichtig: dass auch kleine Dinge Freude machten, weil so das Innerste des Herzens des anderen zum Ausdruck kam. So sind wir also aufgewachsen in der Gewissheit, dass es gut ist, ein Mensch zu sein, denn wir konnten ja sehen, dass sich die Güte Gottes in unseren Eltern und Geschwistern widerspiegelte.”
Im Alter von 10 Jahren bereits begleitete Georg Ratzinger auf dem Harmonium die Schulmesse. Die “Aschauer Pfarrchronik” verzeichnet am 20. Dezember 1934: “Ein Schüler der 5. Klasse begleitete prächtig die deutschen Singmessen und die lateinische Choralmesse.” Georg half also aus, denn der Musiklehrer und Kirchenmusiker, so erzählt er 2008 dem Historiker Michael Hesemann in dem Buch “Mein Bruder, der Papst”, sei ein strammer Nazi gewesen, der für die Begleitung der heiligen Messe keine Zeit mehr hatte. Die Ratzingers verehrten Papst Pius XII. sehr, der “nicht nur eine Geistesgrösse, sondern auch eine geistliche Grösse war”. Damals habe es noch “keine antipäpstlichen Anwandlungen” gegeben.
Am 29. Juni 1951 empfingen Georg und Joseph Ratzinger das Sakrament der Priesterweihe im Dom zu Freising. Joseph, zum Gelehrten berufen, wurde bald Dozent am Freisinger Priesterseminar. Georg studierte weiter Kirchenmusik in München und war zeitgleich als Kaplan in der Münchner Pfarrei St. Ludwig tätig. Nach Abschluss des Meisterkurses wurde er 1957 Chorregent in der Traunsteiner Pfarrkirche St. Oswald, in der er, wie sein Bruder, auch die Primizmesse gefeiert hatte.
Als Nachfolger des am 15. November 1963 verstorbenen Dr. Theobald Schrems wurde er 1964 zum Domkapellmeister und Chorleiter der Regensburger Domspatzen bestellt. Dreissig Jahre lang übte er im Regensburger Dom, wie sein Bruder anlässlich des 85. Geburtstages sagte, eine “doppelte Berufung” aus – priesterlich im Dienst der Musik stehend –, die ihn mit dem Chor auch auf Konzertreisen durch Europa, nach Amerika und Asien führte.
Georg Ratzinger folgte der nachkonziliaren Liturgiereform zunächst mit grosser Skepsis. Der Regensburger Bischof Rudolf Graber und das Domkapitel zeigten sich sehr verständnisvoll. Der ehemalige Domkapellmeister berichtet über diese Zeit: “Wertvolle Dinge, die einmal als wichtig und gut empfunden wurden, soll man auch nicht so ohne Weiteres wegschenken. So wurde es uns nicht nur erlaubt, es wurde geradezu als Verpflichtung empfunden, das Alte weiterhin zu pflegen.”
So sei im Dom St. Peter nicht ein “schmerzlicher Umbruch”, sondern eine “organische Entwicklung” erfolgt. Als Joseph Ratzinger 1969 auf den Lehrstuhl für Dogmatik an die Universität Regensburg berufen wurde, waren die drei Geschwister überzeugt, dass sie ein Zuhause in der Donaustadt gefunden hatten.
Im Pentlinger Haus, das Joseph und Maria bezogen, fühlte sich auch Georg heimisch: “Wir haben damals wirklich geglaubt, Regensburg sei die letzte Station auf dem Weg meines Bruders. So sagten wir uns eines Tages, das Grab unserer Eltern ist so einsam in Traunstein, das holen wir jetzt nach Regensburg! 1974 liessen wir den Grabstein und ihre sterblichen Überreste überführen und sie auf dem Ziegetsdorfer Friedhof beisetzen. Doch dann kam wieder einmal alles ganz anders.” Über München und Freising führte Joseph Ratzingers Weg nach Rom. Die Schwester Maria starb 1991 in Pentling. Die Brüder Ratzinger verweilten ein letztes Mal 2006 gemeinsam im Gebet am Familiengrab.
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Das Nachlassen der körperlichen Kräfte kommentierte Georg Ratzinger gelegentlich mit dem ihm eigenen Humor: “Wie wir halt sind, wir alten Dackel.”
Georg Ratzingers Wirken als Priester und Musiker stand im Zeichen der Freude am Glauben. Diese gewinnt Gestalt in der Würde der Liturgie und in der leuchtenden Schönheit der Musik, in der auch die Güte und der Glanz der Wahrheit Gottes vernehmbar werden. Zwischen den Brüdern Ratzinger bestand in Bezug auf die Musik ein kleiner, doch wesentlicher Unterschied. Joseph, so erzählte Georg, habe zwar stets “Freude an der Musik” gehabt, sei der Musik aber nie “verfallen” gewesen. Und Georg Ratzinger selbst? “Ich habe die Musik immer leidenschaftlich geliebt.”
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