Die “Gloriosa” verkündet den Stellvertreter Christi auf Erden

Grösste freischwingende Glocke der Welt aus dem Mittelalter erklingt für Benedikt XVI.

Erfurt, 24. September 2011, zenit.org

Ein tiefblauer Himmel über dem schon lange wieder zum Zentrum der Stadt gewordenen Domberg mit dem malerischen, gotischen Ensemble von Mariendom und St. Severinkirche bildeten den strahlenden Hintergrund für die Eucharistiefeier von Papst Benedikt XVI. mit rund 50.000 Gläubigen an seinem dritten Besuchstag in Deutschland.

Das mehrstimmige, feierliche “Tu es Petrus”, begleitet von der Orgel des Mariendoms, empfing nach für viele bereits stundenlangem Warten das Kirchenoberhaupt zur Eucharistiefeier an diesem frühen Samstagmorgen. Das Kirchenlied “Lobet den Herren” gemeinsam mit einem grossen Bläserorchester eröffnete dann den eigentlichen Gottesdienst.

Ein sichtlich bewegter und gerührter Bischof, Dr. Joachim Wanke, sprach zu Beginn seine überaus herzlichen Begrüssungsworte, wobei er mehrfach vom tosenden Applaus der anwesenden Gläubigen unterbrochen wurde.

“Im Hochgebet wird immer Ihr Name genannt, jetzt sind Sie leibhaftig an unserer Seite”, so der Bischof unter aufbrandendem Beifall. Dies sei für alle Pilger von nahe und fern Anlass grösster Freude. Auch evangelische Christen seinen heute in der Mitte der Pilger. Eine besondere Ehre sei, dass der Papst damit ein neues Bundesland besuche. Zur Zeit des Kommunismus sei das Wort des Papstes stets ein fester Halt gewesen. “Die neue Freiheit ist ein Grund zur Freude und Dankbarkeit. Ihr Wort ermutigt uns einmal mehr, in einer ‘gewendeten Zeit’ auf Gott zu hören.”

Bischof Wanke rief die Patrone des Bistums, die heilige Elisabeth, den heiligen Bonifatius und den heiligen Kilian um Fürsprache an  und schloss mit dem mehrmals wiederholten “Herzlich Willkommen in unserer Mitte, Heiliger Vater”.

Männerschola und gemischter Chor im Wechsel sangen dann Kyrie und Gloria aus der “Missa de angelis”, der gregorianischen 8. Messe.

Die Lesung wurde von einem Blinden vorgetragen als berührendem Zeichen für die Gleichheit aller Menschen vor Gott, ob krank oder gesund.

Als Messliturgie am heutigen Tag war die Messe von der heiligen Elisabeth, der Patronin des Bistums, gewählt, deren Reliquien auch zu diesem Anlass neben dem Altar aufgestellt waren. Die Diözese verfügt für die Feier einer Messe von dieser Heiligen über eigene liturgische Texte.

In seiner Predigt erinnerte Papst Benedikt zunächst an die Vergangenheit.

“Wenn wir uns in dieser Stadt zurückversetzen in das Elisabethjahr 1981 vor 30 Jahren, zur Zeit der DDR – wer hätte geahnt, dass wenige Jahre später Mauer und Stacheldraht an den Grenzen fallen würden? Und wenn wir noch weiter zurückgehen, etwa 70 Jahre, bis in das Jahr 1941, zur Zeit des Nationalsozialismus – wer hätte voraussagen können, dass das sogenannte ‘Tausendjährige Reich’ schon vier Jahre später in Schutt und Asche versinken sollte?”, so der Papst.

Die Diözese habe eine braune und eine rote Diktatur ertragen müssen, “saurer Regen” für den christlichen Glauben. Die Mehrzahl der Menschen hier lebte als Folge abseits vom Glauben und von der Kirche.

“Wir alle sind davon überzeugt, dass die neue Freiheit geholfen hat, dem Leben der Menschen grössere Würde und vielfältige neue Möglichkeiten zu eröffnen.” Es gebe viele Erleichterungen für kirchliches Wirken. “Aber haben diese Möglichkeiten uns auch ein Mehr an Glauben gebracht?”, fragte der Papst.

Viele entschiedene Katholiken seien gerade in der schwierigen Situation einer äusseren Bedrängnis Christus und der Kirche treu geblieben. Besonders im Eichsfeld hätten viele katholische Christen der kommunistischen Ideologie widerstanden. Aufrichtig dankte der Papst all diesen Glaubenszeugen, den Priestern, den Eltern, die ihre Kinder trotz allem im katholischen Glauben erzogen hätten, und den Initiatoren vieler katholischer Einrichtungen sowie der Flüchtlingsseelsorge.

Die Gegenwart Gottes zeige sich auch besonders deutlich in seinen Heiligen.

“Denken wir hier vor allem an die Schutzheiligen des Bistums Erfurt: die Heiligen Elisabeth von Thüringen, Bonifatius und Kilian… Die heilige Elisabeth wird auch von evangelischen Christen sehr geschätzt; sie kann uns allen helfen, die Fülle des überlieferten Glaubens zu entdecken und in unseren Alltag zu übersetzen.”

Der Heilige Vater verwies dann auf die Gründung des Bistums Erfurt im Jahre 742 durch den heiligen Bonifatius. “Wir verehren ihn als ‘Apostel Deutschlands’; er starb als Märtyrer. Zwei seiner Gefährten, die das Blutzeugnis für den christlichen Glauben mit ihm teilten, sind hier im Erfurter Dom begraben: die Heiligen Eoban und Adela.”

Schon vorher habe der heilige Kilian in Thüringen gewirkt, ein Wandermissionar aus Irland, der gemeinsam mit zwei Gefährten in Würzburg als Märtyrer starb, weil er das moralische Fehlverhalten des dort ansässigen thüringischen Herzogs kritisiert hatte.

Diese Heiligen bewiesen, dass es möglich sei, “die Beziehung zu Gott radikal zu leben, sie an die erste Stelle zu setzen, nicht unter, ‘ferner liefen’ “. Sie zeigten weiterhin, dass Gott sich ihnen in Jesus Christus zugewandt und zur Nachfolge aufgerufen habe.

“Diese Chance haben die Heiligen genutzt, sie haben sich gleichsam von innen her ausgestreckt auf ihn – in der beständigen Zwiesprache des Gebets – und von ihm das Licht erhalten, das ihnen das wahre Leben erschliesst.”

Glauben sei auch immer Mitglauben, so der Papst. Ganz praktisch verdanke man seinen Glauben immer auch seinen Mitmenschen, die vor einem geglaubt hätten und mit einem glaubten.

“Dieses ‘mit’, ohne das es keinen persönlichen Glauben geben kann, ist die Kirche. Und diese Kirche macht nicht vor Ländergrenzen halt, das zeigen uns die Nationalitäten der Heiligen, die ich vorhin genannt habe: Ungarn, England, Irland und Italien.”

Hier zeige sich, wie wichtig der Austausch sei, der sich über die gesamte Weltkirche erstrecke. Wenn dieser Austausch gewährleistet sei, dann habe auch der Glaube in Deutschland eine Zukunft.

Die politischen Veränderungen der Vergangenheit seien auch entscheidend durch die Suche nach Wahrhaftigkeit motiviert gewesen.

“Diese Sehnsucht wurde unter anderem durch Menschen wachgehalten, die ganz im Dienst für Gott und den Nächsten standen und bereit waren, ihr Leben zu opfern.. Wir wollen uns nicht in einem bloss privaten Glauben verstecken, sondern die gewonnene Freiheit verantwortlich gestalten. Wir wollen, wie die genannten Heiligen als Christen auf unsere Mitbürger zugehen und sie einladen, mit uns die Fülle der Frohen Botschaft zu entdecken.”

Dann glichen wir der “berühmten Glocke des Erfurter Domes, die den Namen ‘Gloriosa’ trägt, die ‘Glorreiche’. Sie gilt als grösste freischwingende mittelalterliche Glocke der Welt.” Mit ihr zusammen sollten wir die Botschaft Christi in der Welt hörbar und sichtbar machen, schloss der Heilige Vater seine Predigt.

Einen besonders ehrwürdigen, festlichen Charakter erhielt die Eucharistiefeier dadurch, dass Wandlungsworte und Hochgebet vom Heiligen Vater auf lateinisch gesungen wurden.

Sanctus und Agnus Dei aus der “Missa de angelis” übernahm wieder die Männerschola sowie den gregorianischen Kommuniongesang “Dilexisti” aus dem Proprium: “Gerechtigkeit hast du geliebt, Unrecht gehasst. Darum hat dich dein Gott mit Freudenöl gesalbt”.

Zur Kommunionausteilung kamen auch die Kinder der Diözese musikalisch zum Einsatz: ein grosser Kinderchor im Wechsel mit einem Celloensemble.

Mit dem Marienhymnus “Maria, breit den Mantel aus”, ging diese überaus eindrucksvolle Eucharistiefeier zu Ende.

Am Ende mischten sich die Orgelklänge mit dem Geläut der Glocke “Gloriosa”, die noch minutenlang zu hören war. Vatikan-Fähnchen und die geschwungenen, roten Sitzkissen der Kinder-und Messdienergruppen zusammen mit  Vivat- und Benedetto-Rufen verabschiedeten Papst Benedikt.

Die Pilger verharrten noch lange auf dem Platz, lauschten den Glocken-und Orgelklängen und liessen so die Festfreude nachklingen.

Es war der erste Papstbesuch überhaupt in der Geschichte in diesem Bistums, die vor fast 1.300 Jahren begann.

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